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Einige Knackpunkte

29. September 2009

Angela Merkel will bis zum 9. November eine neue Regierung mit der FDP bilden, die als große Gewinnerin der Bundestagswahl designierte Koalitionspartnerin der Konservativen ist. Der Termin ist natürlich kein Zufall.

Regierungschefin Angela Merkel und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle begrüßen sich lächelnd per Handschlag (Foto: AP)
Händeschütteln für die Fotografen: Kanzlerin und designierter AußenministerBild: AP

Am 9. November jährt sich zum 20. Mal der Fall der Berliner Mauer. Zu diesem Jubiläum werden Ehrengäste aus der ganzen Welt in Berlin erwartet. Für die alte und zu erwartende künftige Regierungschefin wäre das natürlich ein wunderbarer Anlass, ihr neues Kabinett zu präsentieren. Schnell soll es also gehen, aber auch gründlich, heißt es übereinstimmend bei Union und FDP.

Um das Ziel einer raschen Regierungsbildung erreichen zu können, müssen Konservative und Liberale in den in der kommenden Woche beginnenden Koalitionsverhandlungen zahlreiche Streitpunkte klären. Unterschiedliche Auffassungen gibt es etwa in der Finanz- und Sicherheitspolitik, aber auch bei den Themen Gesundheit und Energie.

Niedrigere Steuern trotz Rekordverschuldung?

Die Staatsverschuldung in Deutschland erreicht nie gekannte Ausmaße. Allein im kommenden Jahr sollen neue Kredite in Höhe von 100 Milliarden Euro aufgenommen werden. Trotzdem haben Konservative und Freie Demokraten im Wahlkampf Steuersenkungen versprochen. Guido Westerwelles Liberale drängen auf schnellstmögliche Entlastungen für die Bürger und mittelständische Unternehmen. Die FDP bleibe dabei, "faire Steuern sind die Voraussetzung für gesunde Staatsfinanzen", sagt Westerwelle.

DIW-Präsident Klaus Zimmermann empfiehlt SteuererhöhungenBild: picture-alliance/ ZB

Der Partei- und Fraktionschef verspricht sich von niedrigeren Steuern eine Belebung der Binnenkonjunktur durch mehr Konsum. Das wiederum führe zu höheren Steuereinnahmen des Staates und schaffe Arbeitsplätze. Außerdem ginge die Schwarzarbeit zurück, glaubt Westerwelle.

Höhere Mehrwertsteuer?

Dass diese Rechnung aufgeht, bezweifeln nicht nur Fachleute. So empfiehlt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 19 auf 25 Prozent.

Diese Steuer war bereits nach der Bundestagswahl 2005 von Merkels jetzt abgewählter Regierung aus Konservativen und Sozialdemokraten um drei Prozentpunkte erhöht worden, um den Staatshaushalt sanieren zu können. Damals war die Lage nicht annähernd so dramatisch wie jetzt in Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Vor diesem Hintergrund vermeidet die Bundeskanzlerin konkrete Zahlen und Termine für Steuersenkungen. Die wesentliche Aufgabe sei, einen Haushalt für 2010 aufzustellen. "Und ansonsten haben wir alles zu tun, was Wachstum schafft, weil aus Wachstum Arbeitsplätze entstehen", umreißt Merkel ihr Hauptziel.

Merkel will Gesundheitsfonds verteidigen

Beim Thema Steuern bleibt sie also unverbindlich - anders bei der Gesundheitspolitik, die seit Jahren höchst umstritten ist. Es war die Kanzlerin selbst, die den so genannten Gesundheitsfonds gegen inner- und außerparteiliche Widerstände durchgesetzt hat. Seitdem gibt es einen Finanzausgleich unter den Krankenkassen und bei Bedarf staatliche Zuschüsse. Die Freien Demokraten lehnen dieses Prinzip rundweg ab und setzten auf Deregulierung und mehr Wettbewerb unter den Kassen. Auf eine kompromissbereite Merkel dürfen sie kaum hoffen.

Spannend dürfte die Frage werden, ob die Konservativen den Liberalen beim Reizthema innere Sicherheit entgegenkommen. Gemeinsam mit den Sozialdemokraten hat Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) zahlreiche Gesetze verschärft. Etliche wurden auf Betreiben von FDP-Politikern vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt.

Westerwelle fordert "Respekt vor Bürgerrechten"

Es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass wenige Tage vor der Parlamentswahl Pläne aus dem Innenministerium bekannt wurden, dem Verfassungsschutz weitreichende Kompetenzen wie das Ausspähen privater Computer einzuräumen. Als künftige Regierungspartei wollen Westerwelles Liberale auf Korrekturen drängen und Schlimmeres verhindern. "Unsere Bürgerrechtspolitik ist die beste Innen- und Rechtspolitik, die man machen kann. Denn wir brauchen wieder neuen Respekt vor den Bürgerrechten", mahnt der Parteichef.

Längere Laufzeiten für alte Atom-Meiler wie in Biblis oder gar neue Kraftwerke?Bild: AP

Meinungsverschiedenheiten gibt es auch bei Fragen der äußeren Sicherheit. Die FDP verlangt seit langem, in Deutschland stationierte Atomwaffen aus der Zeit der System-Konfrontation abzuziehen. Bestärkt sieht sie sich durch die jüngste Abrüstungsinitiative von US-Präsident Barack Obama und den Vereinten Nationen. "Wir haben jetzt eine enorme Chance und die sollte auch ergriffen werden", fordert Westerwelle.

Ausstieg aus dem Atom-Ausstieg?

Merkels Konservative widersetzten sich bislang diesem Ansinnen. Auch möchten sie stärker vom Atom-Ausstieg abrücken, den Sozialdemokraten und Grüne Anfang des Jahrtausends mit der Energie-Wirtschaft ausgehandelt haben. Die FDP will lediglich längere Laufzeiten für bestehende Kraftwerke, ist aber gegen neue Atom-Meiler.

Das klingt bei der Bundeskanzlerin anders. "Ich halte nicht viel davon, Kernenergie aus dem Ausland einzuführen und selber auf Arbeitsplätze zu verzichten", sagt Merkel.

FDP will Freiwilligen-Armee

Und dann gibt es noch einen Knackpunkt, der im Ausland besonders interessiert verfolgt werden dürfte, nämlich ob es bei der Wehrpflicht in Deutschland bleibt. Merkel lässt daran keinen Zweifel. Ich glaube, die Bundeswehr hat ein Anrecht auf Kontinuität und Berechenbarkeit. "Wir haben schwierige Auslandsmissionen", begründet die Kanzlerin ihre Haltung.

Merkels designierter Regierungspartner, die FDP, ist für eine Freiwilligen-Armee. Wie es Deutschland künftig damit hält, wird vielleicht schon bald Guido Westerwelle auf seinen vielen zu erwartenden Reisen erklären, und zwar als deutscher Außenminister. Dieses Amt nämlich wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Wenngleich offiziell noch nicht über Posten verhandelt wird.

Autor: Marcel Fürstenau

Redaktion: Kay-Alexander Scholz

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