Knappes Wahlrennen in Polen
23. Oktober 2005In den letzten Umfragen zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Rechtsliberalen Donald Tusk und Lech Kaczynski von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ab. Vier Wochen nach dem Erdrutschsieg des konservativen Lagers bei der Parlamentswahl wird der Rechtsruck in Polen aber in jedem Fall bestätigt.
Geringe Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang
Der liberalkonservative Donald Tusk, der im ersten Wahlgang um das Amt des Präsidenten vor zwei Wochen etwa 500.000 Stimmen mehr erhalten hatte als sein nationalkonservativer Rivale Lech Kaczynski, liegt in jüngsten Umfragen nur noch knapp vorn. Der Abstand zwischen den beiden beträgt nach unterschiedlichen Umfragen zwischen 0,5 und 5 Prozentpunkte. Entscheidend dürfte daher die Frage sein, wer am Sonntag (23.10.2005) mehr Wähler mobilisieren kann. Im ersten Wahlgang hatten nur 49,7 Prozent der Polen abgestimmt - so wenige wie niemals zuvor bei den Präsidentenwahlen seit 1989.
Gewinnt Tusk, der Vorsitzende der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO), könnte er ein Gegengewicht zur Regierung bilden, die von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dominiert wird. Ein Wahlsieg Kaczynskis dagegen würde den Rechtsruck und den Umbau der polnischen Gesellschaft in die so genannte Vierte Republik vollständig machen.
Verhandlungen zur Regierungsbildung laufen
Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski, Zwillingsbruder von Lech Kaczynski, hatte auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichtet, um die Wahlchancen seines Bruders zu verbessern. PiS und PO verhandeln seit der Parlamentswahl im September über eine Regierungskoalition.
Kaczynski-Unterstützer
Kaczynski wird in der Stichwahl von der radikal-populistischen Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) unterstützt, die drittstärkste Partei im polnischen Parlament ist. Auch der nationalkatholische Rundfunksender "Radio Maryja" stellte sich in den vergangenen zwei Wochen hinter den nationalkonservativen Kandidaten.
Tusk-Unterstützer
Tusk dagegen erhält vom ehemaligen polnischen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa Unterstützung. Der im ersten Wahlgang gescheiterte Sozialdemokrat Marek Borowski und der Amtsinhaber Aleksander Kwasniewski kündigten in den vergangenen Tagen an, für Tusk stimmen zu wollen. Die Wahllokale sind am Sonntag von 6 Uhr bis 20 Uhr geöffnet. Mit ersten Ergebnissen wird im Anschluss gerechnet. (kap)