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Politik

Knesset vereidigt Netanjahus Kabinett

29. Dezember 2022

Der israelische Langzeit-Ministerpräsident führt nun bereits seine sechste - und sicher umstrittenste - Regierung an. Und die könnte Benjamin Netanjahu auch ganz persönlich von einer schweren Last befreien.

Wieder an der Macht: der inzwischen 73 Jahre alte israelische Langzeit-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Parlament
Wieder an der Macht: der inzwischen 73 Jahre alte israelische Langzeit-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im ParlamentBild: AMIR COHEN/AP/picture alliance

Knapp zwei Monate nach der Wahl hat das Parlament in Israel die rechts-religiöse Regierung des Siegers Benjamin Netanjahu gebilligt. 63 von 120 Abgeordneten votierten bei einer Vertrauensabstimmung für die neue Regierung. Es ist die am weitesten rechts stehende Regierung, die Israel je hatte. Erstmals sind auch rechtsextreme Politiker in der Koalition vertreten. Amir Ochana von Netanjahus rechtskonservativer Likud-Partei wurde zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. Er ist der erste offen schwule Parlamentspräsident des Landes. 

Begleitet von wütenden Zwischenrufen der Opposition stellte Netanjahu im Plenum die wichtigsten Ziele für die kommenden vier Jahre vor. Man werde alles tun, "damit der Iran uns nicht mit einer Atombombe zerstört". Seine Regierung werde sich außerdem für Annäherungsabkommen mit weiteren arabischen Staaten einsetzen. Zu seinem neuen Außenminister bestimmte Netanjahu Ex-Geheimdienstminister Eli Cohen. Dieser hatte jüngst eine wichtige Rolle bei der Normalisierung der Beziehungen Israels zu mehreren arabischen Staaten gespielt.

Der frühere Geheimdienst-Mann Eli Cohen wurde an die Spitze des Außenministeriums berufenBild: Artur Widak/NurPhoto/picture alliance

Es ist bereits die sechste Regierung, die der Likud-Vorsitzende Netanjahu bildet. Der Langzeit-Ministerpräsident kehrt damit nach anderthalb Jahren in der Opposition zurück an die Macht. In Israels Geschichte war noch niemand länger im Amt als der 73-Jährige. Die neue Regierung verfügt über 64 von 120 Sitzen im Parlament. Die Hälfte davon gehört zu Netanjahus Likud, die andere Hälfte zu dem rechtsextremen Religiös-Zionistischen Bündnis sowie zwei strengreligiösen Parteien.

Aufhebung des Korruptionsprozesses gegen Netanjahu möglich

Die Koalition will tiefgreifende politische Veränderungen durchsetzen und das Justizsystem gezielt schwächen. Die Änderungen könnten laut Experten auch eine Aufhebung des aktuell laufenden Korruptionsprozesses gegen Netanjahu bewirken. Dieser betont immer wieder, er werde selbst die Agenda bestimmen und sich nicht von seinen radikalen Partnern lenken lassen.

Vor dem Parlament in Jerusalem erinnert ein Demonstrant mit Netanjahu-Maske an das Korruptionsverfahren Bild: AHMAD GHARABLI/AFP

Vor dem Parlament demonstrierten laut Berichten Hunderte gegen die neue rechtsextreme Regierung. Sie trugen Schilder mit der Aufschrift "Kriminelle Regierung" sowie Fahnen der LGBTQ-Bewegung. Zu den Protesten aufgerufen hatte unter anderem die Organisation "Movement for the Quality of Government in Israel".

Ministerposten für mehrere umstrittene Politiker

Noch vor der Vereidigung wurde eine ganze Reihe umstrittener Gesetzesänderungen im Parlament durchgesetzt. Diese galten als Voraussetzung für den gemeinsamen Koalitionsvertrag. Mehrere umstrittene Politiker erhalten Ministerposten. Für den Vorsitzenden der strengreligiösen Schas-Partei, Arie Deri, wurde eigens ein Gesetz geändert, damit er trotz einer Verurteilung wegen Steuervergehen Innenminister werden kann.

Der Vorsitzende der strengreligiösen Schas-Partei, Arie Deri, ist Israels neuer InnenministerBild: AMMAR AWAD/REUTERS

Bezalel Smotrich von der rechtsextremen Religiös-Zionistischen Partei soll neben dem Amt des Finanzministers auch einen Posten im Verteidigungsministerium erhalten. Smotrich gilt als glühender Verfechter des Siedlungsausbaus im besetzten Westjordanland. Künftig soll er auch Einfluss auf die Verwaltung des Westjordanlandes und das Leben der Palästinenser erhalten. Smotrich strebt die Legalisierung weiterer israelischer Siedlungen an.

Itamar Ben-Gvir (l.) ist Minister für Nationale Sicherheit, Bezalel Smotrich leitet künftig das FinanzministeriumBild: AMIR COHEN/REUTERS

"Die Besiedlung aller Teile Israels voranbringen"

In den am Mittwoch veröffentlichten Leitlinien der Regierung ist festgelegt, dass die Koalition den Siedlungsausbau auch in Gebieten vorantreiben will, die die Palästinenser für einen künftigen Staat beanspruchen. "Das jüdische Volk hat ein alleiniges und unumstößliches Recht auf alle Teile des Landes Israel", heißt es dort. "Die Regierung wird die Besiedlung aller Teile Israels voranbringen und entwickeln - in Galiläa, in der Negev-Wüste, auf den Golanhöhen und in Judäa und Samaria (Westjordanland)."

Minister für Nationale Sicherheit wird Itamar Ben-Gvir, der in der Vergangenheit wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation verurteilt worden war. Neben der Polizei soll er nach einer Gesetzesänderung auch für die Grenzpolizei im Westjordanland zuständig sein. Der scheidende Verteidigungsminister Benny Gantz warnte angesichts der Änderungen vor einer weiteren Eskalation der Gewalt und vor Blutvergießen in der Region.

Kritik von Palästinensern - und aus Israels Gesellschaft

Die Leitlinien zu Israels Ansprüchen auf die besetzten palästinensischen Gebiete sorgten bei den Palästinensern bereits für heftige Kritik. Ohne einen unabhängigen palästinensischen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt werde es keine Sicherheit und Stabilität in der Region geben, sagte der Sprecher des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Nabil Abu Rudeineh. Die Leitlinien stellten "eine gefährliche Eskalation dar". Auch nach den UN-Resolutionen seien alle israelischen Siedlungen in den Palästinensergebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, illegal, konstatierte Rudeineh.

Der palästinensische Präsidenten-Sprecher Nabil Abu Rudeineh (r.) - hier mit Generalstaatsanwalt Akram al-KhatibBild: Majdi Mohammed/AP Photo/picture alliance

Angesichts rassistischer und homophober Äußerungen von künftigen Koalitionsmitgliedern regt sich zudem Widerstand in verschiedenen Teilen der israelischen Bevölkerung. Proteste kamen etwa von Repräsentanten der IT-Branche, Unternehmen, der Luftwaffe und Ärzten. Netanjahus Amtsvorgänger, Jair Lapid von der liberalen Zukunftspartei, sagte nach den Gesetzesänderungen, die neue Regierung habe sich bereits vor ihrer Vereidigung als "die korrupteste aller Zeiten" erwiesen.

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sti/qu (afp, dpa, kna, rtr)