Banausen, Flegel und Grobiane aufgepasst! Nicht nur auf dem Bundespresseball (24.11.2017) sind ein paar Anstandsregeln angebracht. Unsere Knigge-Tipps für die Ballsaison.
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Warum Knigge immer noch aktuell ist
Nicht das Brot in die Suppe tunken, die Serviette nicht um den Hals binden - es gibt viele "Knigge"-Regeln, die beachtet werden wollen. Ihr Erfinder, hatte allerdings etwas anderes als ein Werk mit Tischmanieren im Sinn.
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Der "Knigge"
Der "Knigge" entwickelte sich zum Inbegriff gesellschaftlicher Benimmregeln. Dabei wollte Adolph Freiherr Knigge (Bild oben) mit "Über den Umgang mit Menschen" 1788 eher ein Handbuch für menschliches Miteinander schaffen als ein Regelwerk für Tischmanieren. Hier ein paar seiner Regeln, die auch heute noch hilfreich sein dürften - zum Beispiel für den Bundespresseball.
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Trage funktionale Kleidung!
Bei einem Ball kann die Frage nach den Anziehsachen einen zur Verzweiflung treiben. Knigge findet eine diplomatische Lösung: "Kleide Dich nicht unter und nicht über Deinen Stand; nicht über und nicht unter Dein Vermögen; nicht phantastisch; nicht bunt; nicht ohne Not prächtig, glänzend noch kostbar (…)." Beim Presseball wird bestimmt trotzdem das ein oder andere unnötig schicke Kleid getragen.
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Rede nicht zu viel von dir selbst!
Ist das Abendkleid gewählt, hält Knigge allerlei Tipps für den Small Talk bereit: "Vermeide, selbst dann zu viel von Dir zu reden, wenn gute Freunde, wie es vielfältig geschieht, das Gespräch aus Höflichkeit auf Deine Person, auf Deine Schriften und dergleichen leiten!"
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Nicht schleimen!
Ebenso unangemessen wie das ständige Reden über sich selbst, bewertet Knigge das Schleimen. So rät er beispielsweise im Umgang mit eitlen Zeitgenossen, nicht zu viel zu schmeicheln. Denn die "niedrigen Schmeichler" würden "durch unaufhörliches Weihrauchstreuen" eitle Menschen so beeinflussen, dass diese am Ende nicht mehr die Wahrheit, sondern nur noch Lob hören wollten.
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Eigenlob stinkt!
Diejenigen, die es die ganze Zeit auf dem Bundespresseball schaffen, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und mit dem zu prahlen, was sie besitzen, kommen bei Knigge nicht gut weg. Er rät: "Krame nicht zu glänzend deinen Reichtum, deine Talente aus. Die Menschen vertragen selten ein solches Übergewicht ohne Murren und Neid."
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Sei witzig!
... Aber bitte, ohne Witze auswendig zu lernen: "Wer immer nach Witz hascht, wem man es ansieht, dass er darauf studiert hat, die Gesellschaft zu unterhalten, der gefällt nur auf kurze Zeit und wird bei wenigen Interesse erwecken. Wahrer Humor und echter Witz lassen sich nicht erzwingen, aber sie wirken, wie das Umschweben eines höheren Genius, erwärmend, Ehrfurcht erregend."
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Nicht lästern!
Hast du das Kleid gesehen? Wenn schon lästern, dann bitte unauffällig, rät Knigge 1788: "Wenn Du in einer Gesellschaft von einem der Anwesenden mit Deinem Freunde reden willst (obgleich dies und das In-das-Ohr-Flüstern überhaupt unanständig ist), so gebrauche wenigstens die Vorsicht und Schonung, die Person, von welcher Du redest, nicht dabei anzusehn." Das gilt auch für den Bundespresseball.
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Nachwuchstalente nicht zu sehr loben!
Auf dem Bundespresseball sind illustre Gäste geladen. Triffst du auf einen vom kreativen Nachwuchs, rät Knigge dazu, deine Worte mit Bedacht zu wählen: "Ermuntere durch bescheidenes Lob, aber erhebe nicht zur Ungebühr den jungen, angehenden Schriftsteller und Künstler. Dadurch verdirbt man die meisten von ihnen." Dem "Umgang mit Gelehrten und Künstlern" widmet Knigge 1788 ein eigenes Kapitel.
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Ein Presseball ist keine Redaktionskonferenz
Prominente und Politiker trinken Sekt auf dem Bundespresseball, statt konfrontativ von den anwesenden Journalisten interviewt zu werden. Diese beherzigen das, was Knigge rät. Bei einem solchen Ereignis, sollte man ernste Themen meiden: "An Orten, wo man sich zur Freude versammelt, (...) rede mit niemand von häuslichen Geschäften, noch viel weniger von verdrießlichen Dingen."
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Es gibt den Weißwurst-Knigge, den Krawatten-Knigge, den E-Mail-Knigge, den Business-Knigge und sogar einen Trauer-Knigge. Und das sind längst nicht alle. Kaum ein Bereich wird ausgespart von den Regelwerken, die für sich beanspruchen, das Maß der Dinge in Sachen Benehmen zu sein und den Namen "Knigge" wie ein Synonym für gute Manieren vor sich hertragen.
1788 hätte sich der norddeutsche Adolph Franz Friedrich Freiherr von Knigge wohl nicht träumen lassen, dass sein Name einmal auf nahezu jedem Etikette-Buch in Deutschland zu finden sein würde. Dabei orientieren sich die heutigen Bücher an einem falschen Vorbild. Denn Knigge hat damals mit "Über den Umgang mit Menschen" ein Handbuch für menschliches Miteinander verfasst. Konkrete Tischregeln sucht man darin vergebens.
Aufklärung statt Tischregeln
Knigge (1752-1796) hat ein Jahr vor der Französischen Revolution das Sozialverhalten der Menschen analysiert und darüber ein aufklärerisches Werk geschaffen. Der Humanist hat sich mit dem Werk des Philosophen Immanuel Kant auseinandergesetzt, Schriften des französischen Aufklärers Jean-Jacques Rousseau übersetzt und zahlreiche Werke zu Geschichte, Politik und Gesellschaft verfasst. Mit seiner berühmten Gesellschaftsstudie wollte Knigge eben diese verändern. Die Benimmregeln kamen erst später dazu: Weil es im 18. Jahrhundert noch kein einklagbares Urheberrecht gab, ergänzten andere Autoren Knigges damals schon sehr populäres Buch kurz nach Erscheinen um das, was heute noch so eng mit dem Namen "Knigge" verbunden ist.
In seinem ursprünglichen Buch widmet Knigge sich sämtlichen Bereichen des Zusammenlebens: Dem Umgang zwischen Eltern und Kindern, dem Umgang "mit und unter Verliebten", dem unter Eheleuten, mit Nachbarn, mit Über- und Untergeordneten, mit Freunden, dem zwischen Wirt und Gast, mit Gelehrten und Künstlern und dem Umgang mit sich selbst.
Knigge im digitalen Zeitalter
Viele seiner Ratschläge scheinen, mal mit einer Prise Humor, mal mit der nötigen Abstraktion für die heutige Welt, immer noch aktuell. So rät Knigge beispielsweise für den Umgang mit Freunden: "Reiche nicht jedem Deine rechte Hand dar. Umarme nicht jeden. Drücke nicht jeden an Dein Herz." Denn: "…wer wird Deinen Freundschaftsbeziehungen trauen, ihnen Wert beilegen, wenn Du so verschwenderisch in Austeilung derselben bist?" Eine Formulierung, die in Zeiten von Facebook-Freunden in dreistelliger Höhe weise klingt.
Neuauflagen von Knigges Sozialstudie verzichten jedoch bewusst auf Passagen, die völlig aus der Zeit gefallen sind: so beispielsweise auf Abschnitte, in denen Knigge vor betrügerischen Postkutschern oder Vorsicht beim Pferdehändler mahnt. Auch vor dem Kapitel "Über den Umgang mit Frauenzimmern" bleibt der Leser in vielen Neuauflagen dankenswerter Weise verschont. Denn Knigge hatte zwar den Geist der Aufklärung in sich, schaffte es jedoch nicht, diesen auf Frauen zu übertragen.
Knigges Andenken wird nicht nur in den zahlreichen Knigge-Büchern hochgehalten, sondern auch in Benimm-Seminaren; auch die Deutsche-Knigge-Gesellschaft und der Deutsche Knigge-Rat versuchen, seine Ideen auf die heutige Zeit zu übertragen.