1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Koalition zwischen CDU und AfD - ein kurzer Weg?

Kay-Alexander Scholz
5. September 2018

Die AfD ist in Ostdeutschland inzwischen so stark, dass Koalitionen ohne die Rechtspopulisten schwierig werden. Noch gilt das in Berlin als absolutes Tabu. Doch wie lange noch?

Deutschland |  CDU und AFD Wahlplakate zur Bundestagswahl 2017
Bild: imago/Müller-Stauffenberg

Die politische Lage in Ostdeutschland ist heikel, nicht nur wegen der Ausschreitungen in Chemnitz. Die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) hat in den Umfragen in Sachsen und den umgrenzenden Bundesländern wieder zugelegt - und liegt jetzt auf Platz zwei. In einem Jahr sind in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen. Bleibt die Gemengelage so, sind bisherige Regierungskoalitionen - siehe Grafik - nicht mehr oder nur sehr knapp möglich.

Als Koalitionspartner der Christdemokraten von der CDU würden rein rechnerisch vor allem zwei Parteien in Frage kommen: die Linke oder die AfD. Beides wären Tabu-Brüche; aus Sicht der CDU wäre es eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Denn die Linken sind die Nachfolgepartei der DDR-Regierungspartei SED; die AfD gilt als in Teilen rechtsextremistisch.

Vorsichtige Debatten

Die öffentliche Debatte darüber hat dennoch begonnen. Politiker auf Bundesebene wollen das Thema am liebsten wegdrängen und unbequeme Koalitionen ausschließen - Landespolitiker zeigen sich offener.

Ingo Senftleben, CDU-Chef in Brandenburg, will im Herbst 2019 Ministerpräsident werden. Dort regieren aktuell Sozialdemokraten und die Linke. Sollten die Christdemokraten dann stärkste Partei werden, will Senftleben "mit allen Parteien über eine Koalition" reden.

Auch Daniel Günther - Ministerpräsident im norddeutschen Schleswig-Holstein und Merkel-Verbündeter - sorgte kürzlich für Aufregung. Die CDU im Osten solle gegebenenfalls mit der Linkspartei koalieren, sagte Günther. Im Bezug auf die AfD meinte er, man dürfe die Partei "nicht als ein Schreckgespenst malen", sondern müsse eine klare inhaltliche Abgrenzung suchen.

Tabu-Bruch nach Wiener Art

Was auf Landesebene offenbar als Realpolitik gilt, ist unter Experten umstritten. In einer Koalition mit der AfD könnte die CDU auch "zerrieben" werden, warnt der Politologe Werner Patzelt im DW-Interview. Nämlich dann, wenn die AfD eine klar rechte Programmatik umsetze und die CDU zwischen "Merkel-Leuten und halbwegs Rechten" zerrissen sei.

Die Gefahr gebe es auch im Nachbarland Österreich. Dort hat Ende 2017 Kanzler Sebastian Kurz, aus derselben Parteien-Familie wie Angela Merkels CDU stammend, eine Koalition mit der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), also den dortigen Rechtspopulisten, geschmiedet. Er halte es nicht für ausgemacht, "dass das Modell Österreich zugunsten des Seniorpartners", also Kurz' Partei ÖVP, ausgehe, so Patzelt.

Wäre sein Modell auf ostdeutsche Bundesländer übertragbar, wurde Kurz jüngst von einem deutschen Journalisten gefragt? Er würde nicht dazu raten, antwortet der Kanzler. Die politischen Systeme beider Länder seien nicht vergleichbar, ebenso wie beide Parteien - AfD und FPÖ - so Kurz.

In der Tat ist die AfD erst fünf Jahre alt. Die FPÖ gibt es schon seit 1955, und zur Jahrtausendwende war sie schon einmal in der Regierung mit den Konservativen.

Politische Hilfe aus Wien? Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz zu Gast beim CDU-Chef des Bundeslands Thüringen, Mike Mohring (23.08.2018)Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Interessant war, zu welchem Anlass Kurz das sagte, nämlich bei einem Treffen mit Mike Mohring. Dem CDU-Chef im ostdeutschen Thüringen wird nachgesagt, er würde schon länger mit einer CDU-AfD-Koalition liebäugeln. Zwar schließt der Politiker selbst die Option bisher aus, doch er gehört zu einer Gruppe Neu-Konservativer in der CDU. Jener Gruppe, die sich für die Ära nach Merkel positionieren will - und zwar rechts von der Mitte.

Nicht nur Ländersache

"Eine Koalition mit der AfD wird nicht funktionieren, so lange Merkel an der Macht ist", sagt der Politologe Patzelt. Weil das wieder den Grundsatzstreit in der CDU befeuern würde: Will die CDU eine Partei der Mitte bleiben oder deutlich konservativer werden? Merkel zog die Partei in die Mitte und meidet konsequent die Debatte über die künftige Ausrichtung.

Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel steht für einen liberalen und modernen Konservatismus in DeutschlandBild: Reuters/F. Bensch

Auch andere Politologen warnen vor Gefahren einer Koalition mit der AfD auf Landesebene. "Ein solcher Zusammenschluss kann die CDU auf Bundesebene deutlich Unterstützung bei ihrem Wählerpotential kosten", sagt der Soziologe und Politologe Holger Lengfeld im DW-Interview. Das würde die liberalen Wähler vergraulen, die Merkel vor allem anspricht.

Angesichts der Folgen, die eine CDU-AfD-Koalition in einem Bundesland für die Politik in Berlin haben könnte, scheint es wenig verwunderlich, dass das öffentliche Reden darüber stärker tabuisiert ist, als über eine Koalition mit den Linken. Zu einer DW-Anfrage zum "Modell Österreich" wollte sich Ministerpräsident Günther jedenfalls "derzeit nicht äußern", schreibt sein Pressesprecher.

"Rechtsextreme an der Macht"

Die Stigmatisierung, die die AfD in der deutschen Politik hervorruft, hängt auch mit ihrem derzeitigen Auftreten zusammen. "Die AfD ist - gerade, aber nicht nur - in Ostdeutschland in weiten Teilen eine Partei, die elementare Grundsätze unserer liberalen Demokratie ablehnt", sagte der Politologe und Rechtsextremismus-Experte Carsten Koschmieder im DW-Interview.

Es gehe nicht um Einzelfälle, sondern um die gesamte Führungsspitze, das Parteiprogramm, die Wahlprogramme, meint Koschmieder. Er warnt, würde die CDU mit der AfD koalieren, "hätten wir Rechtsextreme an der Macht." 

Lässt sich die AfD zähmen?

Die jüngere deutsche Parteien-Geschichte zeigt aber auch, dass sich selbst schwierige neue Parteien "zähmen" lassen. So geschah es mit den Post-Kommunisten aus der DDR, der jetzigen Linkspartei. Mittelfristig würde es ihn deshalb "nicht wundern", sagt Patzelt, "dass die AfD mitarbeitsfähig gemacht wird". Der Ball liege aber vor allem im Spielfeld der AfD. Die Partei müsse ihre "rechtsdemagogischen Lautsprecher abstellen" und sich klar auf den Boden der Verfassung stellen. Sie müsste auch ihre Rhetorik abstellen, "wonach das System das Problem sei". Die AfD müsste "das Spiel mit der Nähe zum Rechtsradikalismus aufgeben", meint auch der Soziologe Lengfeld.

In Österreich seien erst, nachdem das gelungen war, Bündnisse mit der FPÖ entstanden. Längsfeld sieht derzeit keine Anzeichen, dass die AfD dazu bereit wäre, sich auf den potentiellen Partner zuzubewegen. Die Partei und ihre Wähler, das zeigten Analysen, sähen sich als Protestpartei, so Holger Lengfeld. Er vermute, dass diese "Protest-Rolle" noch einige Jahre anhalte.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen