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Der Koalitionsvertrag steht - die Regierung noch nicht

9. April 2025

Die Unionsparteien CDU/CSU und die SPD einigen sich auf eine Koalition. Aber noch fehlt die Zustimmung der Basis. Deshalb kann Friedrich Merz wohl erst im Mai zum Kanzler gewählt werden.

Vertreter der Bundesparteien von CDU, CSU und SPD stehen vor Journalisten, in erster Reihe stehen Markus Söder (CSU), Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Saskia Esken (SPD) und Alexander Dobrinth (CSU)
Parteipersonal mit Programm: Die Spitzen von CDU, CSU und SPD verkünden ihre Koalitionsvereinbarung für die kommende LegislaturperiodeBild: Fabrizio Bensch/REUTERS

In Deutschland zeichnet sich rund sechs Wochen nach der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 eine neue Regierung ab. Die Christdemokraten (CDU), ihre bayrische Schwesterpartei CSU und die Sozialdemokraten (SPD) haben am Mittwoch in Berlin ihre Koalitionsverhandlungen beendet. Allerdings müssen die Parteigremien dem ausgehandelten Vertrag noch zustimmen - bei der SPD steht sogar eine Mitgliederbefragung an. Grünes Licht aller Beteiligten vorausgesetzt, könnte CDU-Chef Friedrich Merz deshalb wohl erst in einem Monat zum Bundeskanzler und Nachfolger von Olaf Scholz gewählt werden. Als Termin ist der 7. Mai im Gespräch.

"Deutschland bekommt eine handlungsstarke Regierung"

Bei der Präsentation des Koalitionsvertrages sprach der designierte deutsche Regierungschef von einem klaren Signal an die Menschen im eigenen Land, aber auch an die Partner in der Europäischen Union (EU): "Deutschland bekommt eine handlungsfähige und eine handlungsstarke Regierung", betonte Merz.

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Man habe die Verhandlungen in einer Situation wachsender weltpolitischer Spannungen geführt, sagte der 69-Jährige unter Verweis auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die umstrittene globale Wirtschaftspolitik unter US-Präsident Donald Trump. Deshalb sei die deutsche Botschaft aber um so klarer: "Wir wollen und wir werden den Wandel der Welt für Deutschland mitgestalten."

Wirtschaftswachstum durch Steuersenkungen?

Um die unter einer Rezession leidende Wirtschaft wieder auf Touren zu bringen, kündigte Merz umfangreiche Steuerentlastungen für Unternehmen und günstigere Strompreise für die Industrie an. Gleichzeitig soll das von der abgewählten Regierung eingeführte Bürgergeld für sozial Schwächere in eine sogenannte Grundsicherung umgewandelt werden. Eine Reform, die den Druck von links auf die SPD erhöhen könnte.

Vom Anspruch auf das Bürgergeld haben bislang auch Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine profitiert. Dieses Privileg soll sofort gestrichen werden. Überhaupt müssen sich Schutz suchende Menschen auf einen härteren Kurs in der Migrationspolitik einstellen: "Wir werden besser ordnen und steuern und die irreguläre Migration weitgehend beenden", kündigte Merz an. Konkret: Kontrollen an den Staatsgrenzen, Zurückweisungen gegenüber Asylgesuchen.

In der Migrationspolitik hat sich die Union weitgehend durchgesetzt

Die Union hatte im alten Bundestag massiv für schärfere Maßnahmen geworben und bei einer Abstimmung auch die Unterstützung der teilweise rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) in Kauf genommen. Dieser von vielen als Tabubruch aufgefasste Schritt löste Anfang des Jahres Massendemonstrationen aus - auch gegen die CDU und Friedrich Merz.

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Nach der Einigung mit der SPD auf eine gemeinsame Koalition sieht es so aus, als hätte sich die Union mit ihren Plänen durchgesetzt: "Wir werden eine Rückführungsoffensive starten. Wir werden ein Ende der freiwilligen Aufnahme-Programme vornehmen, den Familiennachzug aussetzen und die Zahl der sicheren Herkunftssaaten deutlich vergrößern."    

Das Warten auf den deutschen Pass wird länger dauern

Trotz dieses Paradigmenwechsels in der Asylpolitik sagte SPD-Chef Lars Klingbeil, dass Deutschland ein Einwanderungsland bleibe: "Wir schützen die Rechte von Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationsgeschichte. Wer hier lebt, wer hier arbeitet, wer sich integriert, der gehört dazu und der soll auch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen können." Interessierte müssen sich jedoch darauf einstellen, den deutschen Pass künftig frühestens nach fünf Jahren bekommen zu können. Im Moment wäre das schon nach drei Jahren möglich.

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Andere Akzente will die voraussichtlich neue deutsche Regierung auch in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik setzen. Als Kanzler beabsichtigt Friedrich Merz in seinem Amt einen Bundessicherheitsrat zu etablieren, außerdem ein nationales Lagezentrum und einen Krisenstab. Damit, so hofft er, werde Deutschland künftig schneller international handlungsfähig sein.

Mehr Geld für das Militär nur mit Hilfe der Grünen

Auf höhere Ausgaben in dreistelliger Milliarden-Höhe für die Bundeswehr hatten sich Union und SPD bereits vor dem Ende ihrer Koalitionsverhandlungen verständigt. Dafür waren sie im Parlament auf die Unterstützung der Grünen angewiesen gewesen, um die benötigte Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes zu bekommen. Denn für das zusätzliche Geld musste die in der Verfassung verankerte sogenannte Schuldenbremse gelockert werden.

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Kritik an diesem umstrittenen Vorgehen kann CSU-Chef Markus Söder verstehen. Dennoch sagte er nach dem Abschluss der Koalitionsverhandlungen: "Ich glaube, dass das eine sehr vorausschauende Maßnahme ist. Viele, die uns heute kritisieren, werden uns auf Dauer noch dankbar sein dafür." Alles sei auf lange Zeit geplant.

CSU-Chef Söder attackiert die AfD

Auch sonst ist der Bayer Söder mit den Ergebnissen des Koalitionsvertrages zufrieden. Das sei ein Neustart, auch mit neuen Leuten. Das Signal aus seiner Sicht: "Die Demokratie kann es doch!" Mit der AfD wolle keiner zusammenarbeiten. "Das Geschreie, das Zerstören, das aggressive Agieren - das muss nicht das letzte Wort sein."

Auch SPD-Chef Klingbeil ging auf die gesellschaftliche Stimmung ein, auf die Polarisierung und die Gefährdung der Demokratie von innen und von außen: "Verantwortung heißt für mich, heißt für uns, Brücken zu bauen, aufeinander zuzugehen - und das über Parteigrenzen hinweg." Im Wahlkampf habe man hart miteinander gestritten, aber man wisse auch, was das Land jetzt dringender denn je brauche: "Eine stabile Regierung, die einen klaren Kurs hat."

Offiziell ist bislang nur eine Personalie sicher: Friedrich Merz

Mit welchem Personal CDU, CSU und SPD regieren wollen, behalten sie offiziell noch für sich. Zunächst müssen sie um die Zustimmung ihrer Parteien für den Koalitionsvertrag werben. Sollten sie damit Erfolg haben, ist klar, wer Kanzler wird: Friedrich Merz. Sein Stellvertreter in diesem Amt und zugleich Finanzminister könnte Gerüchten zufolge Lars Klingbeil werden.

Insgesamt soll es künftig neben dem Kanzleramt 16 klassische Ministerien geben. Für die CDU sind demnach sechs vorgesehen, sieben für die SPD und drei für die CSU. Neu wäre ein Ressort für Digitalpolitik. Auf diesem Gebiet hat Deutschland im internationalen Vergleich nach Einschätzung aller Fachleute erheblichen Nachholbedarf.

Das Entwicklungsministerium bleibt erhalten

Erhalten bleibt nach dem Stand der Dinge das Entwicklungsministerium. Die Union hätte es gerne in das Auswärtige Amt integriert. So aber hat die bisherige Ministerin Svenja Schulze gute Aussichten, ihren Job zu behalten. Das gilt auch für Deutschlands in Umfragen beliebtesten Politiker: Verteidigungsminister Boris Pistorius. Abgesehen von diesem SPD-Duo müssen sich Deutschland und die Welt in der Bundesregierung wohl an viele neue Gesichter gewöhnen.  

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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