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Politik

Kobler: Tschad muss mit ran in Libyen

Blaise Dariustone
20. Oktober 2016

Idriss Déby unterstützt als AU-Vorsitzender die libysche Einheitsregierung - als Präsident des Tschad bekämpft er sie. Doch ohne ihn gebe es keinen Weg aus der Krise, sagt der UN-Beauftragte Martin Kobler im DW-Gespräch.

Martin Kobler UN Sondergesandter Libyen
Bild: picture alliance/AA/A. Landoulsi

DW: Herr Kobler, Sie haben sich in N'Djamena mit dem tschadischen Präsidenten Idriss Déby getroffen. Worum ging es in Ihrer Unterredung?

Martin Kobler: Ich habe ein langes Gespräch mit dem tschadischen Präsidenten und mit dem Außenminister geführt und sie über die jüngsten politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen in Libyen und die Sicherheitslage dort in Kenntnis gesetzt. Es war erstaunlich zu sehen, wie nah unsere Positionen beieinanderliegen. Wir haben über die Probleme des Terrorismus gesprochen, aber auch über die Migration. Ein Thema, das Europa sehr interessiert.

Was erwarten Sie vom Tschad?

Der Tschad als südlicher Anrainerstaat von Libyen hat selbst ein ganz besonderes Interesse, dass der Terrorismus aus Libyen nicht überschwappt. Die Stabilität in Libyen wirkt sich auch auf den Tschad aus. Es ist sehr wichtig, die lange gemeinsame Grenze beider Länder zu kontrollieren. Der Waffenschmuggel stellt ein großes Problem dar, dazu kommen der Terrorismus und die Tatsache, dass tschadische Söldner in Libyen aktiv sind. All diese Probleme geben beiden Staaten Grund zur Sorge. Jetzt ist es wichtig, die Staatsgewalt in Libyen wiederherzustellen. Idriss Déby muss dabei auch als Vorsitzender der Afrikanischen Union eine wichtige Rolle spielen.

Aus verschiedenen Quellen wissen wir, dass der Tschad Soldaten nach Libyen entsandt hat, um General Khalifa Haftar zu unterstützen - den Oberbefehlshaber der Streitkräfte Libyens, die mit der ostlibyschen Gegenregierung verbunden sind. Können Sie diese Informationen bestätigen?

Wir wissen von tschadischen Söldnern in Libyen. Das ist inzwischen von allen Seiten - auch vom Tschad - bestätigt worden. Dennoch: Die Afrikanische Union unterstützt den Friedensprozess in Libyen, sie unterstützt den Präsidentschaftsrat. Sie will, dass das ausgehandelte politische Abkommen umgesetzt wird. Trotz aller Herausforderungen bin ich der Ansicht, dass der Afrikanischen Union neben der Arabischen Liga und den Vereinten Nationen eine wichtige Rolle zukommt, wenn wir die tieferliegenden Konfliktursachen angehen wollen.

Khalifa Haftar gilt westlichen Ländern als Hindernis auf dem Weg zum Frieden. Schließlich erkennt die ostlibysche Regierung in Tobruk die Einheitsregierung nicht an, die von den Vereinten Nationen unterstützt wird. Tschads Präsident Idriss Déby hingegen scheint in Haftar eine Lösung für das Chaos in Libyen zu sehen. Teilen Sie die Meinung des Präsidenten?

Ganz und gar. Ich glaube, dass General Haftar Teil der Lösung sein muss. Er muss eine sehr wichtige Rolle beim Wiederaufbau einer libyschen Armee spielen.

Die Afrikanische Union unter dem Vorsitz Débys sieht sich ins Abseits gestellt. Welchen Platz behält die Internationale Gemeinschaft den afrikanischen Instanzen in der Lösung des Libyen-Konflikts vor?

Tschads Präsident Idriss Déby (links) 2011 mit Libyens Präsidenten Muammar Gaddafi - vor dessen EntmachtungBild: picture alliance/dpa

Die Vereinten Nationen können das Problem allein nicht stemmen. Wir arbeiten auf Basis einer Resolution des Sicherheitsrates, aber wir brauchen Partner wie die Afrikanische Union, aber auch die Arabische Liga. Nächste Woche werde ich mich mit dem Beauftragten der AU für Libyen, dem früheren Präsidenten Tansanias Jakaya Kikwete, und mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga Abul Gheit treffen. Zu dritt werden wir die strategische Frage angehen: Wie können wir zusammen Libyen besser unterstützen?

Viele Afrikaner sind der Ansicht, dass Libyen heute nicht in dieser desolaten Verfassung wäre, wenn die NATO nicht 2011 das Regime Gaddafi gestürzt hätte. Teilen Sie diese Ansicht?

Es hilft nichts, jetzt über die Vergangenheit zu reden. Wir haben ein akutes Problem zu lösen: wie wir mit dem geteilten Libyen umgehen. Seit 2014 hat sich die Lage verschlimmert. Wir versuchen nun, gemeinsam mit den Libyern starke Institutionen aufzubauen. Dazu gehören eine Armee und eine Regierung der nationalen Einheit. Der Vertrag von Skhirat ist auf dem Tisch, nun muss er umgesetzt werden. Die Libyer selbst müssen diesem Zustand der Instabilität und Unsicherheit ein Ende bereiten - in Tripoli und im ganzen Land. Das ist ein libyscher Prozess, die Libyer müssen das selbst machen. Aber die Afrikanische Union, die UN, die EU und auch die Arabische Liga stehen bereit, die Libyer dabei zu unterstützen.

Martin Kobler ist seit November 2015 Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen in Libyen. Davor leitete der deutsche Diplomat mehrere Jahre die UN-Friedensmission im Ostkongo.

Das Interview führte Blaise Dariustone.

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