EU feiert Geburtstag
9. Mai 2010Fünf Jahre waren seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vergangen und die Bundesrepublik Deutschland hatte noch nicht einmal ihren ersten Geburtstag gefeiert. Die deutsch-französischen Beziehungen waren von Misstrauen geprägt: Würde Deutschland, wie schon nach dem ersten Weltkrieg, wieder in nationalistischen Größenwahn verfallen und seine Nachbarn bedrohen? Oder würde der Horror des Krieges und des Mordens den demokratischen und friedliebenden Kräften Auftrieb geben und Versöhnung ermöglichen?
Der Visionär
"Europa soll aufhören, ein Schlachtfeld zu sein, auf dem sich die gegnerischen Kräfte verbluten. Aus dieser, so teuer bezahlten, Selbsterkenntnis heraus, wollen wir neue Wege beschreiten, die uns hinführen zu einem geeinten und endgültig befriedeten Europa", sagte Robert Schuman, ein Pionier der Versöhnung, der gleichermaßen in Deutschland, Luxemburg und Frankreich zuhause war und beide Weltkriege erlebt hatte. Schumann war als Reichsdeutscher mit luxemburgischer Muttersprache geboren worden. Er lebte, studierte und arbeitete in Luxemburg, Bonn, München, Berlin, Straßburg und Metz.
Als Elsaß-Lothringen nach dem ersten Weltkrieg 1919 von Deutschland an Frankreich zurückgegeben wurde, nahm Schuman die französische Staatsbürgerschaft an. In Frankreich begann er eine politische Karriere: Obwohl er Zeit seines Lebens nicht akzentfrei Französisch sprach, wurde er schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg französischer Premierminister und später Außenminister. Als solcher brachte er eine Initiative auf den Weg, die das Gesicht Europas bis heute veränderte.
Die Montanunion
"Die französische Regierung schlägt vor, die deutsche und französische Kohle- und Stahlproduktion unter eine gemeinsame Verwaltung zu stellen", so Schumann am 09. Mai 1950. Mit der Idee einer Montanunion zwischen Frankreich und Deutschland, die auch anderen Ländern offen stehen sollte, wollte Schuman kontinuierliche Kooperation und feste Bindungen zwischen den einst verfeindeten Ländern verankern.
Mit Bundeskanzler Konrad Adenauer fand er dazu einen Partner auf deutscher Seite der dieselben Ziele verfolgte. "Eisen und Stahl haben in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten beim Kampfe der europäischen Völker gegeneinander eine verhängnisvolle Rolle gespielt, denn alle Waffen waren ja aus Eisen und Stahl", stellt Adenauer fest. Von da an sollten Eisen und Stahl die europäischen Völker zu einer Gemeinsamkeit des Handelns und des Denkens zusammenführen.
Vorläufer der Europäischen Union
Die Vorstellung des Schuman-Plans gilt heute als Geburtsstunde der Europäischen Gemeinschaft, denn in seiner Erklärung hatte der französische Außenminister bereits die spätere Verflechtung der Mitgliedsstaaten vorhergesehen. Seine Überzeugung, dass die Montanunion zu einer tieferen und größeren Union führen sollte, stand bereits fest. "Dieser Vorschlag setzt erstmals konkret eine europäische Föderation um, die unabdingbar für die Sicherung des Friedens ist", so Schumann.
Allerdings war die Zeit für Schumans weitreichende Pläne Anfang der 1950er-Jahre noch nicht reif. Zwei Jahre später legte er sein Amt als Außenminister nieder, weil er sich mit der Idee einer Europäischen Gemeinschaft nicht durchsetzen konnte. Es dauerte noch sieben Jahre, bis die europäischen Staaten bereit waren, sich in den Römischen Verträgen auf eine engere Bindung einzulassen. Aber Schumans Bemühungen wurden belohnt: Er wurde erster Präsident des Europäischen Parlaments.
Mehr als nur Wirtschaftskalkül
"Er sah weiter, als ich sah - als er die Montanunion vorschlug", erkannte Adenauer rückblickend an. Schuman sei schon 1950 ein europäischer Visionär gewesen. "Glauben Sie nicht, dass er die Montanunion aus wirtschaftlichen Gründen vorgeschlagen hat! Das war eine imminent politische Angelegenheit."
Und es war der Beginn einer fortschreitenden Vereinigung, die heute mit der Europäischen Union 27 Staaten mit etwa einer halben Milliarde Bürger umfasst.
Autor: Fabian Schmidt
Redaktion: Nicole Scherschun