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Proteste gegen neues Kohlekraftwerk Datteln 4

30. Mai 2020

Deutschland will aus der Kohle aussteigen. Dennoch geht im Ruhrgebiet ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz. Dagegen protestieren alle mögliche Umwelt-Organisationen. Sie fordern die sofortige Stilllegung der Anlage.

Deutschland | Protestaktion gegen das Kohlekraftwerk Datteln 4
Ein Umweltschützer im Bienenkostüm protestiert in Datteln gegen das neue KraftwerkBild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Etliche Umweltaktivisten haben im nördlichen Ruhrgebiet weitgehend friedlich gegen das gerade in Betrieb genommene Kraftwerk Datteln 4 protestiert. Es sei eine Provokation, den angekündigten Ausstieg aus der Kohleförderung mit einem neuen Kohlekraftwerk einzuleiten, sagte die Umweltaktivistin Lisa Neubauer von Fridays for Future. Datteln 4 müsse wieder vom Netz gehen und das deutlich vor 2037. Neubauers Kollegin Lena Wittekind sagte, Datteln 4 mache es für Deutschland unmöglich, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

Gegen den Beginn des kommerziellen Betriebs protestierten neben Fridays for Future auch viele Anhänger der Organisationen Greenpeace, "Ende Gelände", Robin Wood und Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) mit einer Menschenkette und Mahnwachen gegen den Start des Kraftwerks.

Dirk Jansen, Geschäftsführer des nordrhein-westfälischen Zweigs des BUND, sprach von einem "schwarzen Tag für den Klimaschutz". Datteln 4 werde bis zum endgültigen Kohleausstiegstermin 2038 noch 40 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstoßen. Der stellvertretende BUND-Landesvorsitzende Thomas Krämerkämper bezeichnete das Kraftwerk als "Klimakiller und Umweltverpester", das mit rechtswidrig erteilten Baugenehmigungen errichtet worden sei.

"Gigantische CO2-Schleuder"

Bereits in der Nacht hatten Greenpeace-Aktivisten das Bild eines An- und Ausschalters und den Satz "Klimakrise - Made in Germany" auf den 180 Meter hohen Kühlturm projiziert. Die Greenpeace-Energieexpertin Lisa Göldner kritisierte, der Kraftwerksbetreiber Uniper nehme eine "gigantische CO2-Schleuder" in Betrieb. Knapp 82 Prozent des Stroms aus dem Kraftwerk verkaufe Uniper über langfristige Abnahmeverträge an die Deutsche Bahn und den Energiekonzern RWE. Da die Verträge zum Teil bereits 15 Jahre alt seien, seien die vereinbarten Festpreise für den Strom deutlich höher als heute marktüblich. Das Kraftwerk werde deshalb mit hoher Auslastung laufen, erwartet Göldner.

Eine Protestaktion von Greenpeace in DattelnBild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Sogar ehemalige Bergleute mischten sich unter die Protestierenden. "Wir kritisieren, dass der Steinkohlebergbau in Deutschland eingestellt und den Arbeitern gekündigt wurde, nun aber Kohle aus dem Ausland importiert wird, um Datteln 4 zu betreiben", sagte Sebastian Suszka, ein ehemaliges Betriebsratsmitglied.

Nach Angaben der Polizei Recklinghausen waren zehn Versammlungen am Kraftwerksgelände angemeldet worden. Die Mahnwachen und Aktionen sollen den Tag über andauern. So sprangen am Mittag rund 20 Anhänger von Ende Gelände in den Kanal, um diesen zu blockieren. Wenig später wurden sie von einer Kanuflotte abgelöst. Die Demonstranten kündigten an, ihre Proteste fortzusetzen, bis das Kraftwerk wieder stillgelegt werde.

Verkehrte Welt: Ex-Bergleute demonstrieren gegen die Inbetriebnahme des KohlekraftwerksBild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Scharfe Kritik von Grünen und Linken

Auch die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock kritisierte den Start von Datteln 4 scharf. "Die Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks verdeutlicht das energiepolitische Versagen der schwarz-roten Bundesregierung in den vergangenen eineinhalb Jahren", sagte Baerbock der Zeitung "Rheinische Post". Den Kohleausstieg einzuleiten und gleichzeitig ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gehen zu lassen, passe nicht zusammen. Sie forderte, Datteln 4 "schnellstmöglich wieder vom Netz zu nehmen".

Der klimapolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Lorenz Gösta Beutin, kritisierte ebenfalls, es sei "kompletter Wahnsinn", die Klimakrise ausgerechnet durch ein neues Steinkohlekraftwerk zu befeuern, während gleichzeitig die erneuerbaren Energien durch Moratorien, absurde Abstandsregelungen und Solardeckel ausgebremst würden. Die Proteste gegen Datteln IV seien daher "legitim und wichtig".

Auch die Klimaaktivistin Greta Thunberg meldete sich via Twitter zu Wort. "Heute ist ein beschämender Tag für Europa, da wir ein brandneues Kohlekraftwerk eröffnen. Wir haben uns verpflichtet, den Weg zu ebnen, um eine Klimakatastrophe zu vermeiden - und doch ist dies das Signal, das wir an den Rest der Welt senden? (...)", schrieb die Schwedin.

Verstoß gegen Beschlüsse der Kohlekommission?

 

Das von Uniper betriebene Steinkohlekraftwerk Datteln 4 im nördlichen Ruhrgebiet ist zum Symbol der Auseinandersetzung um die Energie- und Umweltpolitik in Deutschland geworden. Ende Januar hatte das Bundeskabinett das Gesetz zum Kohleausstieg auf den Weg gebracht. Der Entwurf sieht vor, dass die Stein- und Braunkohlekraftwerke in Deutschland bis spätestens 2038 abgeschaltet werden. Die von der Bundesregierung eingesetzte Kohlekommission hatte empfohlen, für bereits gebaute aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke eine Verhandlungslösung zu suchen, um sie nicht in Betrieb zu nehmen. Die Umweltverbände sehen deshalb im Ja der Bundesregierung zu Datteln 4 einen Verstoß gegen die Beschlüsse der Kommission.

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Dagegen verteidigen Bundesregierung und die nordrhein-westfälische Landesregierung den Betriebsstart mit dem Argument, dass Datteln 4 eines der modernsten Steinkohlekraftwerke der Welt sei. Im Gegenzug für den Neubau würden vier ältere Steinkohlekraftwerke abgeschaltet. Dadurch würden die zusätzlichen Kohlendioxid-Emissionen von Datteln 4 kompensiert. Nach Angaben des Betreibers Uniper hat die Monoblockanlage eine Bruttoleistung von 1.100 Megawatt und erzeugt neben Strom auch Fernwärme für rund 100.000 Haushalte in Stadt und Region.

kle/as (dpa, epd, afp)

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