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Kohlendioxid-Fresser

3. Dezember 2009

In mehreren Pilotanlagen untersuchen Forscher, ob es mit Hilfe von Meeresalgen möglich ist, CO2-freie Kohlekraftwerke zu schaffen. Denn die Mikroorganismen brauchen CO2, um zu wachsen. Je mehr, desto üppiger blühen sie.

Die Biochemikerin Carola Griehl schaut sich Algen vor einem Bioreaktor an (Foto: dpa)
Algen in einem Bioreaktor in Sachsen-AnhaltBild: DPA
Algen in KunstoffschläuchenBild: DW

Es blubbert ganz schön laut hier. In Gewächshäusern des Jülicher Forschungszentrums hängen V-förmige, transparente Kunststoffschläuche. Einer hinter dem anderen, hunderte. In diesen Kunststoffschläuchen wabert eine grüne, schleimige Brühe vor sich hin. Eine Brühe, die uns in Zukunft vielleicht das Treibhausgas CO2 vom Leib halten könnte, hoffen die Forscher hier. Denn die grüne Masse sind Millionen und Milliarden kleinster Algen. Anspruchslose Überlebenskünstler, die eigentlich überall auf der Erde wachsen. Sogar in heißen Quellen, in Giftwasser und im Salzwasser.

Algen finden CO2 lecker!

Diese Mikroalgenalgen, sagt Kosta Schinarakis, Pressesprecher im Forschungszentrum, hätten einen großen Vorteil: "Sie finden CO2 richtig lecker!" Denn Algen brauchen, wie alle anderen grünen Pflanzen, Licht und Kohlendioxid, also CO2, um zu wachsen. Doch im Vergleich zu Landpflanzen, sagt Schinarakis, wachsen Algen sieben- bis zehnmal so schnell und vertilgen entsprechend viel Treibhausgas. Zwei Kilogramm Algen, rechnet er vor, verdrücken vier Kilogramm CO2. "Die Hoffnung ist, dass man so etwas in großem Maßstab kontrollieren kann, zum Beispiel in Kohlekraftwerken."

Kosta Schinarakis im Forschungszentrum Jülich zwischen den Algen-KunststoffschläuchenBild: DW

Kohlekraftwerke pusten CO2 in die Luft, also Treibhausgase, die die Atmosphäre aufheizen. Am Jülicher Forschungszentrum untersuchen Wissenschaftler, inwieweit es möglich ist, CO2, das bei der Verbrennung in Kraftwerken entsteht, für das Wachstum von Algen zu nutzen. In den Plastikschläuchen funktioniert die Idee. Winzige Meeresalgen blühen fröhlich vor sich hin. Hier dürfen sie, ja müssen sie das. "Diese ganz besondere Art von Meeresalgen ist besonders genügsam und nimmt sehr effektiv CO2 auf, das sie dann in Biomasse umwandelt", erläutert Kosta Schinarakis.

Das Kohlendioxid werde den Algen gezielt zugeführt. "Das ist eine ganz frühe Pilotanlage, von solchen Anlagen bräuchte man wahrscheinlich Millionen, um alle Kraftwerke in Deutschland CO2-frei zu machen."

Wie schnell und gewaltig Algen wachsen können, zeigte die Algenplage in China 2008Bild: AP

Mehrere Pilotanlagen in Deutschland arbeiten erfolgreich

Die Jülicher Forscher vernetzen ihre Untersuchungen und Messungen mit der größeren Algenzucht-Pilotanlage, in Niederaußem bei Köln. Ein ähnliches Projekt (TERM) wurde in Hamburg Reitbrook gestartet. Hier werden Mikroalgen in zwei so genannten Photobioreaktoren gezüchtet. Forscher imitieren in diesen Anlagen das, was natürlicherweise im Meer stattfindet. Dort fressen Algen CO2 aus der Luft und vermehren sich

Ist damit das CO2-Emissions-Problem in Kohlekraftwerken gelöst? Immerhin wird etwa ein Drittel des Kohlendioxid-Ausstoßes durch die Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen erzeugt. Forscher dämpfen diese Hoffnung: "Die Mikroalgen-Anlagen sind zwar effizient in der Emissions-Reduktion, sie reichen aber nicht aus, um ein Kohlekraftwerk komplett CO2-frei zu machen", meint Martin Kerner, Projektleiter von TERM (Technologien zur Erschließung der Ressource Mikroalgen). Doch es gäbe einen interessanten, wirtschaftlichen Nutzeffekt: "Diese Anlage ist nicht nur dafür da, die CO2-Problematik zu lösen", betont Kerner, "es ist eine Anlage, die CO2, also Abfallstoffe, nutzt, um hochwertige Biomasse zu erzeugen, besser als es große Landpflanzen können."

Diese Algen-Biomasse könnte zu Baustoffen oder zu Biodiesel weiterverarbeitet werden, hoffen die Forscher. Bei gleicher Anbaufläche ließe sich mit Algen 50- bis 100-mal soviel Treibstoff erzeugen wie mit Raps. Der allergrößte Vorteil dabei wäre: Algen sind keine Lebensmittel-relevanten Pflanzen, wie Mais, Zuckerrohr oder Raps.

Autorin: Judith Hartl

Redaktion: Henrik Böhme