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CCS hat eine lange Leitung

Kay-Alexander Scholz27. Juli 2012

Carbon Dioxide Capture and Storage - kurz CCS - gilt als eine der Schlüsseltechnologien im Kampf gegen den Klimawandel. Deutschland tut sich allerdings schwer damit, obwohl große Herausforderungen warten.

Tanks zur CO2-Speicherung an der CCS-Pilotanlage in Schwarze Pumpe in Brandenburg (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Es klang wie eine Abkehr von der CCS-Technologie, was der Bundesumweltminister nach Verabschiedung des CCS-Gesetzes sagte. Gegen den Willen der Bevölkerung sei eine Einlagerung von Kohlendioxid (CO2) im Boden nicht durchzusetzen, so Peter Altmaier. Für ein Kraftwerk mit entsprechender Technologie sehe er in keinem einzigen Bundesland die nötige politische Akzeptanz.

Nur wenige Tage zuvor hatten sich Bund und Länder nach langem Tauziehen auf ein Gesetz geeinigt, das den Einsatz dieser Technologie regeln soll. Danach wird die unterirdische Speicherung von CO2 in begrenztem Umfang erlaubt. Allerdings gibt es darin eine von den Bundesländern geforderte Ausstiegsklausel. Die Landesregierungen können CO2-Speicher auf ihrem Territorium verbieten.

CO2-Lager unter der Nordsee

Von der Ausstiegsklausel im neuen Gesetz wird wohl das Bundesland Schleswig-Holstein Gebrauch machen. Dort, im hohen Norden der Republik, gibt es riesige potentielle Endlagerstätten für Kohlendioxid, deren Nutzung aber umstritten ist. Betroffen sein könnte Schleswig-Holstein von den Technologiefolgen trotzdem. Denn das vielschichtige und langfristig angelegte CCS-Gesetz berührt mehr als nur die Frage unterirdischer CO2-Speicher.

Umstieg bei den Energien - Streit um Speicherung von Kohlendioxid

05:38

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Der deutsche EU-Energiekommissar Günter Oettinger plädierte im Juni dafür, angesichts der Proteste gegen CO2-Depots an Land, Lagerstätten unter der Nordsee einzurichten - und zwar außerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone und damit außerhalb des staatlichen Hoheitsgebiets. Das sei eine Option für ganz Deutschland, so Oettinger. Dafür jedoch wären Transport-Pipelines notwendig. Pipelines allerdings kann ein Bundesland nicht verbieten, da sie über ein sogenanntes Raumordnungsverfahren verlegt werden. Schleswig-Holstein müsste also mit CO2-Lagern vor der Nordseeküste und Pipelines über Land leben.

Vorreiter Brandenburg

Wenig überraschend ist, dass derzeit das ostdeutsche Bundesland Brandenburg Vorreiter in Sachen CCS sein will. Denn die Energiewirtschaft ist wegen der Nutzung von Braunkohle größter Arbeitgeber und Steuerzahler in der Region. Überraschend aber ist, dass sich Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers als Energie-Lobbyist gibt, da er von der Linkspartei kommt, die auf Bundesebene gern die Macht der Großindustrie und Banken geißelt.

CCS wird der Bevölkerung allerdings weniger unter dem Gesichtpunkt der Regionalförderung, sondern unter der Überschrift "Energiewende" verkauft. Auch beim Thema Windkraft geht Brandenburg so vor. Vor kurzem wurde die Zahl der möglichen Flächen für Windparks verdoppelt, auch um Strom ins Ausland zu exportieren. Deshalb wird nun märkischer Wald für Windparks gerodet, der zum Beispiel Strom für die Stadtwerke der schweizer Metropole Basel produziert.

Passend dazu hat sich Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck zwar öffentlich unter dem Druck der vielen Gegner im eigenen Land gegen Speicher ausgesprochen, eine gesetzliche Verordnung lehnt er aber "als zu aufwändig" ab. Entscheidend sei, dass man bei der CCS-Forschung als Industrieland im Spiel bleibe, so Platzeck, der sich keine Option verbauen will.

Mike Kesse, Sprecher der brandenburgischen Bürgerinitiative "CO2-Endlager stoppen" sieht das ähnlich und erklärt, warum Platzeck so handelt: "Brandenburgs Landesregierung ist in der Position, CCS vorantreiben zu müssen, weil sie versprochen hat, keine neuen Kraftwerke ohne CCS-Technologie zu bauen." Doch neue Braunkohlekraftwerke soll es auf jeden Fall geben - auch wenn Brandenburg auf diesem Gebiet vor kurzem einen herben Rückschlag hinnehmen musste.

Proteste gegen unterirdische CO2-Speicherung in BrandenburgBild: picture-alliance/dpa

Zweiter Anlauf

Eigentlich wollte die schwedische Firma Vattenfall für 1,5 Milliarden Euro eine CCS-Pilotanlage im brandenburgischen Ort Schwarze Pumpe bauen. Das abgetrennte CO2 sollte im Osten Brandenburgs in unterirdische Speicher gepumpt werden. Dagegen gab es massive Bürgerproteste. Vattenfall nahm im Dezember 2011 Abschied vom geplanten Kraftwerksneubau - weil der politische Streit die Zeitschienen des Unternehmens über den Haufen geworfen hätte, hieß es. Das Unternehmen gab bereits zugesagte 180 Millionen EU-Fördergelder an Brüssel zurück.

Nun, nach der offiziellen CCS-Einigung im Bund, äußerte sich Vattenfall wieder verhandlungsbereiter. Deutschland-Chef Tuomo Hatakka sagte, das neue Gesetz sei ein "positives Signal für die weitere Erforschung der Klimaschutztechnologie". Obgleich die Einigung für das eigene Projekt leider zu spät komme, offne sie die Tür für spätere Anwendungen im großen Kraftwerksmaßstab und eine europäische Transportinfrastruktur.

Eine zweite Chance - wie immer sie auch konkret aussehen mag - will Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers nicht ungenutzt lassen. Die CCS-Forschung in Brandenburg werde fortgesetzt, so Christoffers. Die Langfristperspektive läge bei internationaler Kooperation und integrierten Konzepten. Bereits im Juni machte er vor brandenburgischen Europa-Abgeordneten Druck, sie mögen sich verstärkt für die Förderung einer CCS-Infrastruktur einsetzen.

Ralf Christoffers (rechts) mit Ministerpräsident PlatzeckBild: picture-alliance/dpa

Europäischer Masterplan

Auch wenn sich der Streit um CCS in Deutschland zwischen Bund, Ländern und Bürgerinitiativen abspielt, ist die Haupttriebkraft eine andere, nämlich die Europäische Union. Das jetzt verabschiedete CCS-Gesetz entstand infolge einer EU-Richtlinie. CCS soll ein europaweites Technologie-Netz werden. Unter dem Namen "CO2Europipe" erstellte ein Firmenkonsortium unter niederländischer Führung eine EU-Studie über die Einsatzmöglichkeiten von CCS. Die Technologie soll zwischen 2020 und 2050 großflächig nutzbar gemacht werden. Dafür notwendig ist ein 22.000 Kilometer langes Pipeline-Netz quer durch Europa. Es wird wohl 50 Milliarden kosten und soll 1,2 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr zu Endlagerstätten transportieren. An der Studie waren die deutsche Firmen Siemens und RWE beteiligt.

Im Abschlussdokument ist der Zeitraum bis 2020 als Demonstrationsphase beschrieben. Danach soll CCS kommerziell genutzt werden. Um dafür Investoren zu gewinnen, wird eine Verteuerung der CO2-Zertifikate empfohlen, zusammen mit einer langfristigen politischen Absicherung  sowie öffentlicher Förderung zur Minimierung privater Investitionsrisiken. Deutschland wird beim Aufbau des europäischen CCS-Netzes als ein Hauptakteur benannt.

Ob es dazu kommt, ist offen. In der Erklärung der Bundesregierung zum neuen CCS-Gesetz findet sich lediglich der Hinweis, dass Pläne für ein solches Netz "positiv zur Kenntnis" genommen werden.

Internationale Konkurrenz

In der Bevölkerung sind CO2-Pipelines jedoch umstritten. Nicht nur die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid berge Risiken, gibt Mike Kesse von der Bürgerinitiative zu bedenken. "Wenn irgendein anderes Gas austritt, dann macht es irgendwann wumms und man merkt es. Sollte aber eine CO2-Pipeline kaputt gehen, dann breitet sich das geruch- und geschmacklose Gas unbemerkt aus." Kohlendioxid aber führt ab einer gewissen Konzentration in der Atemluft zum Tod.

Wie auch immer Europas Pläne für CCS umgesetzt werden, die restliche Welt schläft nicht. Das renommierte MIT-Institut in Cambridge führt auf seiner CCS-Website derzeit rund 40 CCS-Kraftwerksprojekte verschiedener Größen auf, davon allein 13 in den USA. Die meisten davon sollen bereits im Jahr 2015 in Betrieb gehen.

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