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Koizumi will es wissen

9. September 2005

Japan steht vor einer der spannendsten und ungewöhnlichsten Parlamentswahlen seit langem: Von Reformen ist die Rede, von Rache und Rebellen. Es geht um die Post - und um größere Probleme.

Japans Premier ist nicht nur charismatisch, sondern auch zähBild: AP


"Koizumi vermeidet es, die wirklich heißen Eisen im Sozialversicherungssystem anzufassen", sagt Shizuka Kamei, ehemaliges Mitglied der regierenden Liberaldemokratischen Partei LDP. Im Streit um die Postreform hat er die Partei verlassen. Die Rentenfinanzierung, das gespannte Verhältnis zum Nachbarn China, Engpässe in der Kinderbetreuung seien dringender.

Sozialstaat im Umbruch

Pendler in Japan auf dem Weg zur ArbeitBild: AP

Die langfristigen Schulden Japans werden bis März 2006 auf rund 5,7 Billionen Euro und damit das Eineinhalbfache des Bruttoinlandsprodukts (BIP) wachsen. Damit wäre Japan die am höchsten verschuldete Industrienation der Welt. Durch die Privatisierung staatlicher Unternehmen will Koizumi die öffentlichen Kassen entlasten, das Land modernisieren und der Wirtschaftsentwicklung Impulse geben. Koizumi hat in seiner vierjährigen Amtszeit die öffentlichen Ausgaben um 20 Prozent gekürzt und die Konjunkturprogramme drastisch eingeschränkt.

Umfragen zeigen, dass die Wähler das kränkelnde Rentensystem des Landes für das vordringlichste Thema halten. Japan kämpft - wie andere Industriestaaten auch - mit geringen Geburtenraten und einer alternden Bevölkerung. Die Renten sind alles andere als sicher. Von daher plant Koizumi eine gemeinsame Rentenkasse für alle Angestellten der freien Wirtschaft, eine gesonderte Unterstützung von Familien durch Beihilfen für Kindern sowie Steuermaßnahmen ist in der Diskussion.

Japanische Highschool-Kids in YokohamaBild: dpa

Moloch Rentensystem

Wegen der sinkenden Geburtenraten ist davon auszugehen, dass die Zahl der erwerbstätigen Japaner in den kommenden Jahrzehnten abnimmt. Damit würden nach den Sozialversicherungsbeiträgen auch die Steuereinnahmen zurückgehen, die benötigt werden, um die klaffenden Löcher im Sozialversicherungssystem zu stopfen.

Im vergangenen Jahr überstiegen die Ausgaben im Rentensystem die Einnahmen um umgerechnet 1,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig nahm die Zahl der Rentner, die durchschnittlich 385 Euro im Monat erhalten, nach vorläufigen Berechnungen um vier Prozent auf 23 Millionen zu. Um die Einnahmen zu steigern, erhöhte die Regierung kürzlich die Beitragszahlungen. Aber immer mehr Japaner melden sich gar nicht erst beim staatliche Rentensystem an, da sie befürchten, im Alter nicht mehr das zurückzubekommen, was sie eingezahlt haben. Nach einer Statistik der Regierung entzieht sich ein Drittel der Arbeitnehmer den verpflichtenden Beitragszahlungen.

"Das System muss grundlegend überholt werden", sagt der Chef der oppositionellen Demokratischen Partei, Katsuya Okada. Die Demokraten schlagen eine Reform vor, bei der der Beitrag zur Rentenversicherung auf 15 Prozent des Gehalts begrenzt werden soll. Zugleich sprechen sie sich für eine Mindestrente von umgerechnet 513 Euro aus, die über eine Erhöhung der Verbrauchssteuern finanziert werden soll.

Außenpolitische Spannungen

Die traditionell schwierigen Beziehungen zu China sind in diesem Jahr auf einem Tiefpunkt angelangt. Wütende Demonstranten zogen durch chinesische Städte, nachdem Tokio ein Schulbuch freigegeben hatte, das nach Ansicht von Kritikern Kriegsverbrechen der Japaner während der Besetzung asiatischer Nachbarstaaten in den 1930er und 1940er Jahren verharmlost.

Anti-japanische Proteste in Schanghai, 16. April, 2005Bild: AP

Auch Ministerpräsident Koizumi hat zu diesen Spannungen beigetragen: Seit seinem Amtsantritt 2001 besuchte er vier Mal den umstrittenen Yasukuni-Schrein, der China und Südkorea als Denkmal des japanischen Militarismus gilt. Doch gerade jetzt bräuchte Japan für seine exportorientierte Wirtschaft statt solcher Reibereien stabile Handelsbeziehungen zu China, mit dem es im vergangenen Jahr Geschäfte im Volumen von 133 Millionen Euro gemacht hat. Und die japanische Bewerbung um einen Weltsicherheitsratssitz ist angesichts der Spannungen mit der Vetomacht China vollkommen aussichtslos. (arn)

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