Zwei Riesensterne, 7500 Lichtjahre von uns entfernt, fliegen immer wieder so dicht aneinander vorbei, dass es zu überschallschnellen Sternwinden kommt. Diese Schockfront wirkt wie ein gigantischer Teilchenbeschleuniger.
Was weniger bekannt ist: Das DESY beschäftigt sich auch mit einer ganz anderen Form von Teilchenbeschleunigern – den in der Natur vorkommenden . Und das ist vor allem die Aufgabe der dortigen Astrophysiker.
Es liegt 7500 Lichtjahre entfernt im Sternbild Schiffskiel (Carina) am Südhimmel und erzeugt Gammastrahlung bis zu einer Energie von 400 Gigaelektronenvolt (GeV) – rund 100 Milliarden Mal mehr als die Energie von sichtbarem Licht.
Der Doppelstern ist das erste bekannte Beispiel für eine Quelle, bei der sehr energiereiche Gammastrahlung durch kollidierende Sternwinde erzeugt wird.
Gemeinsam mit Animations-Spezialisten des Science Communication Lab haben sie dann in einer Videoanimation rekonstruiert, wie es funktioniert. Der Komponist Carsten Nicolai (Künstlername: Alva Noto) komponierte den Soundtrack dazu.
Eta Carinae besteht aus zwei blauen Riesensonnen: Die eine hat die etwa hundertfache Masse unserer Sonne, die andere etwa die 30-fache. Beide umkreisen sich alle 5,5 Jahre auf stark elliptischen Bahnen. Ihr Abstand schwankt dabei sehr stark, in etwa zwischen der Entfernung von Sonne zu Mars und Sonne zu Uranus.
Beide Riesensterne schleudern dichte, überschallschnelle Sternwinde aus geladenen Teilchen ins All. Der größere der beiden verliert dabei in nur rund 5000 Jahren so viel Masse, wie unsere Sonne insgesamt besitzt.
Dort, wo die beiden Sternwinde alle fünfeinhalb Jahre aufeinandertreffen, entsteht eine gewaltige und extrem heiße Schockfront mit Temperaturen um die 50 Millionen Grad Celsius.
Die starken elektromagnetischen Felder, die dort herrschen, beschleunigen subatomare Teilchen. "Solche stark beschleunigten Teilchen können auch Gammastrahlung aussenden", erklärt Forschungsleiter Ohm.
Tatsächlich haben der NASA-Satellit Fermi und Agile der italienischen Raumfahrtagentur ASI bereits 2009 energiereiche Gammastrahlung bis etwa 10 GeV von Eta Carinae nachgewiesen.
"Für die Produktion dieser Gammastrahlung gibt es verschiedene Modelle", berichtet Co-Autor Füßling. "Sie kann von stark beschleunigten Elektronen stammen oder von energiereichen Atomkernen."
Energiereiche Atomkerne machen vor allem die kosmische Strahlung aus, die permanent von allen Seiten auf die Erde einprasselt. Obwohl sie schon vor mehr als 100 Jahren entdeckt wurde, sind die Quellen der energiereichen Atomkerne noch immer nicht gut bekannt.
Da sie elektrisch geladen sind, werden die Atomkerne auf ihrem Weg durch das Universum von kosmischen Magnetfeldern abgelenkt. Ihre Ankunftsrichtung auf der Erde weist daher nicht mehr zu ihrem Ursprung zurück.
Kosmische Gammastrahlung hingegen wird nicht abgelenkt. Wenn sich nachweisen lässt, dass die Gammastrahlung von energiereichen Atomkernen stammt, wäre damit auch einer der gesuchten Beschleuniger der Kosmischen Teilchenstrahlung gefunden.
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Warten auf neues Gammastrahlen-Teleskop
"Die Analyse der von H.E.S.S. und den Satelliten gemessenen Gammastrahlung zeigt, dass sie sich am besten als Produkt hochbeschleunigter Atomkerne deuten lässt", sagt DESY-Doktorand Ruslan Konno. Er hat zusammen mit Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Kernphysik in Heidelberg eine begleitende Studie veröffentlicht.
"Damit wären die Schockregionen kollidierender Sternwinde auch ein neuer Typ natürlicher Teilchenbeschleuniger für die Kosmische Strahlung," so sein Fazit.
Nun wollen die Astrophysiker diese These weiter erhärten. Neben H.E.S.S., benannt nach dem Entdecker der Kosmischen Strahlung, Victor Franz Hess, steht ihnen in Zukunft noch ein leistungsfähigeres Gammastrahlenobservatorium zur Verfügung. Die Bauarbeiten für dasCherenkov Telescope Array (CTA) im chilenischen Hochland sind bereits im Gange.
Am LHC des CERN wurde zuerst ein Urknall simuliert, später das Higgs-Teilchen nachgewiesen: An dem Teilchenbeschleuniger prallen Ionen mit Lichtgeschwindigkeit aufeinander. Kleinste Elementarteilchen entstehen.
Bild: DW/F.Schmidt
Mini-Urknall
Am 30. März 2010 führten Teilchenphysiker am Teilchenbeschleuniger (LHC) der Europäischen Organisation für Kernforschung einen Mini-Urknall vor. Gegner des Experiments hatten versucht, das gerichtlich noch zu verhindern, weil sie einen Weltuntergang fürchteten. Der kam dann aber nicht. Anstelle dessen gab es viele weitere spannende Entdeckungen.
2013 wurde dann das Higgs-Teilchen nachgewiesen: Im ATLAS-Detektor - einer riesengroßen Digitalkamera. Sie kann die kleinsten Bausteine des Universums fotografieren: Einzelteile der Atomkerne. Das Wandgemälde zeigt, wie groß ATLAS ist. Aber nur fast - denn das Original liegt gut 90 Meter tiefer und ist noch etwas größer.
Bild: DW/F.Schmidt
Helmpflicht für Teilchen-Fotografen
Vier Detektor-Kameras liegen entlang des Large Hadron Colliders (LHC), also des CERN-Teilchenbeschleunigers. Sie heißen ALICE, ATLAS, CMS und LHCb. Wer sie sehen will, muss tief hinunter in den Fels der Schweizer und französischen Alpen. Dort unten herrscht Helmpflicht, denn überall sind Rohre und Leitungen. Leicht kann man sich den Kopf stoßen, oder es fällt ein Werkzeug von oben herab.
Bild: DW/F.Schmidt
Bilder aus der Welt des Urknalls
So sehen die Bilder aus, die die Detektoren schießen. Beim Zusammenprall von Protonen, wie hier am CMS Detektor, oder Blei-Ionen, die mit Lichtgeschwindigkeit aufeinanderprallen, werden die kleinsten der Elementarteilchen freigesetzt - zum Beispiel das jüngst gefundene Higgs-Boson. Es sind Teilchen, aus denen unser Universum in der ersten Billionstel Sekunde nach dem Urknall bestand.
Bild: 2011 CERN
Eisenbahn für Lichtgeschwindigkeiten
In diesem Rohr werden Blei-Ionen und Wasserstoff-Protonen beschleunigt. Sie fliegen durch eine Vakuumröhre mit der Energie eines Schnellzuges. Elektromagneten halten sie in ihrer Bahn. Das Rohr hat einen Umfang von 27 Kilometern. Es liegt unter der Schweiz und Frankreich. Zugänge zu dem Röhrensystem gibt es bei den vier großen Detektoren. Dort finden auch die Teilchenkollisionen statt.
Bild: DW/F.Schmidt
Nicht eins, sondern zwei Rohre
Unter der blauen Ummantelung verbergen sich zwei Rohre, denn die Teilchenströme sollen ja gegeneinander laufen. Obwohl die Protonen und Ionen aus Sicht der Außenstehenden jeweils mit Lichtgeschwindigkeit aufeinander zu fliegen, treffen sie nicht mit doppelter Lichtgeschwindigkeit aufeinander. Aus Sicht eines fliegenden Teilchens, nähert sich das andere nur mit einfacher Lichtgeschwindigkeit.
Bild: DW/F.Schmidt
Eiskühlung für Supraleiter
Die Elektromagnete, die den Teilchenstrahl auf Kurs halten, bestehen aus supraleitenden Spulen. Die Kabel werden auf -271,3 Grad Celsius heruntergekühlt, dann haben sie keinen elektrischen Widerstand mehr. Dazu braucht der Teilchenbeschleuniger viel flüssiges Helium, das hier durch die Rohre fließt. Das CERN betreibt damit den größten Kühlschrank der Welt.
Bild: DW/F.Schmidt
Magneten mit höchster Präzision
Der LHC ist kein präziser Kreis, sondern besteht aus geraden Strecken, unterbrochen von Krümmungen, an denen solche Magneten den Strahl umlenken. Die Elektromagneten sind extrem präzise: Kurz vor der Kollision fokussieren sie den Strahl so genau, dass zwei Protonen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit exakt treffen. Der Zusammenprall findet dann genau in der Mitte des Detektors statt.
Bild: DW/F.Schmidt
Alles musste durch dieses Loch
Die Detektoren sind so groß ist wie mehrstöckige Wohnhäuser. Aber sie mussten alle in vielen Einzelteilen in den Berg eingebracht werden, zum Beispiel durch diesen engen Schacht. Darunter liegt eine gigantische Kaverne, eine Grotte. Darin, wurde ALICE zusammengebaut - ähnlich wie ein Buddelschiff in einer Glasflasche.
Bild: DW/F.Schmidt
Digitalkamera mit 8000 Bildern pro Sekunde
Der ALICE-Detektor in geöffnetem Wartungs-Zustand: Im Betrieb treffen in seinem Zentrum die Ionenstrahlen aufeinander. Die dabei entstehenden Teilchen fliegen in verschiedene Richtungen durch mehrere Schichten von Silizium-Chips - ähnlich den Sensoren von Digitalkameras. Die Chips und andere Detektoren zeichnen die Wege der Teilchen auf. Pro Sekunde entstehen 1,25 Gigabyte an digitalen Daten.
Bild: DW/F. Schmidt
Elektromagnet macht Teilchen erkennbar
Dieser blaue Klotz ist ein riesiger Elektromagnet, ein wichtiger Teil des ALICE-Detektors. Das von ihm erzeugte Feld macht es überhaupt erst möglich, die bei der Kollision entstehenden Teilchen zu identifizieren. Je nachdem, in welche Richtung sie fliegen, können die Forscher zum Beispiel erkennen, ob sie positiv oder negativ geladen oder neutral sind.
Bild: DW/F.Schmidt
Flügel zum Einfang von Myonen
Der Atlas-Detektor hat ganz spezielle Messgeräte: Sogenannte Myon-Spektrometer. Wie große Flügel liegen sie außerhalb des Detektor-Kerns. Damit läßt sich ein schwerer Verwandter des Elektrons einfangen: Das Myon. Es ist schwer zu finden, weil es nur zwei Millionstel einer Sekunde besteht.
Bild: DW/F.Schmidt
Beobachtung aus sicherer Entfernung
Alle Detektoren haben solche Kontrollräume, wie hier ATLAS. Wenn der Teilchenbescheluniger im Betrieb ist, darf sich niemand in den unterirdischen Anlagen aufhalten. Ein außer Kontrolle geratener Protonenstrahl könnte 500 Kg Kupfer schmelzen. Durch austretendes Helium drohen Erfrierungen und Erstickungen. Außerdem kann der Teilchenstrahl Radioaktivität erzeugen.
Bild: DW/F. Schmidt
Wohin mit den vielen Bildern?
40 Millionen Mal pro Sekunde liefern die vier Detektoren Daten. Da nicht alle Kollisionen für die Wissenschaftler interessant sind, wird ausgefiltert: Am Ende bleiben gut 100 interessante Teilchenkollisionen pro Sekunde übrig. Das sind immer noch 700 Megabyte pro Sekunde - der Inhalt einer handelsüblichen CD. Alle Daten landen zunächst hier, im Rechenzentrum des CERN.
Bild: DW/F.Schmidt
Ein weltweites Computernetzwerk
Pro Jahr produziert das CERN so viele Daten, dass ein CD-Stapel von 20 Kilometern Höhe entstünde. Solche Band-Archive können zwar viele Daten aufnehmen, aber das reicht immer noch nicht aus. Die Daten werden deshalb weltweit verteilt: Über 200 Universitäten und Forschungseinrichtungen haben sich mit ihren Rechenzentren zu einem weltweiten CERN-Computernetzwerk zusammengeschlossen.
Bild: DW/F.Schmidt
Daten für die Menschheit
Teilchenphysiker aus der ganzen Welt haben Zugang zu den CERN-Daten. Das CERN versteht sich als Dienstleister für Universitäten und Institute, die Grundlagenforschung betreiben - als Gemeinschaftsprojekt für die ganze Menschheit.