Deutschland lehnt Wiedergutmachung für Kolonialzeit ab
16. August 2025
Die Bundesregierung will die Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit zwar vorantreiben, lehnt einen Anspruch ehemaliger deutscher Kolonien auf Wiedergutmachung aber ab. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage der oppositionellen Grünen hervor.
"Der Begriff der Wiedergutmachung im Völkerrecht ergibt sich aus der Verletzung einer internationalen Verpflichtung. Eine solche Verpflichtung bestand zur Zeit des begangenen Unrechts nicht", heißt es in der Antwort. "Das Konzept der Wiedergutmachung ist daher im Zusammenhang mit der kolonialen Vergangenheit Deutschlands nicht anwendbar."
Gut eine Milliarde Euro für Namibia
Stattdessen verweist die Bundesregierung unter anderem auf die 2021 vereinbarte "Gemeinsame Erklärung" mit Namibia, die über einen längeren Zeitraum Zahlungen in Höhe von insgesamt 1,1 Milliarden Euro zur Unterstützung der Nachfahren der Herero und Nama vorsieht. 1,05 Milliarden Euro sollen demnach für ein Programm für Wiederaufbau und Entwicklung sowie 50 Millionen Euro für ein Programm für Versöhnung bereitgestellt werden.
Bisher ist allerdings noch kein Geld geflossen. "Die Gespräche über die Umsetzung der beiden Programme einschließlich des zeitlichen Rahmens sind noch nicht abgeschlossen", so das Auswärtige Amt in Berlin.
Die Eigentumsübertragung von mehr als 1000 Benin-Bronzen aus deutschen Sammlungen an Nigeria 2022 sei "ein positives Kapitel in der deutsch-nigerianischen Zusammenarbeit", betont die Bundesregierung außerdem. Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte sei unbestrittener Teil der Erinnerungskultur in Deutschland.
Aufstände, Kriege, Massenmord
Deutschland hatte sich ab 1884 Kolonien in Afrika, Ozeanien und Ostasien angeeignet. Die gewaltvolle Herrschaft führte zu Aufständen und Kriegen, im heutigen Namibia kam es zu einem Massenmord. Schätzungen gehen von 100.000 Opfern aus.
Die Gräueltaten in Namibia werden inzwischen offiziell als Völkermord bezeichnet. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es diesen juristischen Begriff jedoch noch nicht. Erst 1948 wurde Völkermord durch eine Konvention der UN-Generalversammlung zum Straftatbestand. Die Konvention gilt aber nicht rückwirkend.
Kritik an "formaljuristischer Verweigerung"
Ex-Kulturstaatsministerin Claudia Roth von den Grünen, die die Anfrage gemeinsam mit ihren Fraktionskolleginnen Awet Tesfaiesus und Jamila Schäfer gestellt hatte, übte scharfe Kritik an der Stellungnahme der Regierung. Das Erinnern an das von Deutschland begangene Unrecht sei die Voraussetzung für eine zukunftsfähige Partnerschaft mit den vom Kolonialismus betroffenen Ländern. "Dafür braucht es Empathie und keine formaljuristische Verweigerung", sagte Roth der Deutschen Presse-Agentur.
Ganz ähnlich äußerte sich Tesfaiesus im Berliner Tagesspiegel. "Es kann nicht unser Anspruch sein, uns hinter formaljuristischen Argumenten zu verstecken - gerade nicht in einer Republik, deren Grundgesetz die unantastbare Menschenwürde ins Zentrum ihrer Staatlichkeit stellt", unterstrich Tesfaiesus.
wa/hf (dpa, kna, epd)