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Kolumbien: Entwicklungshilfe als Geschäftsmodell

Lea Fauth
18. Dezember 2016

Wenn Meerwasser zu Trinkwasser wird: Die Firma MFT startet ein solches Projekt in Kolumbien und setzt auf neue Technologien und ökologische Nachhaltigkeit. Aber nicht alle Anwohner finden das gut.

Die Ingenieure von MFT GMBH  Col Energy Infinite Fingers
Training in Köln. Deutsche und kolumbianische Ingenieure der Firmen MFT, Col Energy und Infinite FingersBild: DW.L Fauth

In dem kleinen Raum mit Bürostühlen und leer getrunkenen Kaffeetassen herrscht Aufbruchsstimmung. Das Wort, das hier noch nachhallt, klingt erst einmal sperrig: Meerwasserentsalzungsanlage. Aber es verspricht erst einmal Gutes - nämlich Trinkwasser an Orten, an denen es keines gibt. So wie in La Guajira, der trockensten Region Kolumbiens.

Dort, im äußersten Nordosten des Landes, will die Kölner Firma Membran Filtrations Technik GMBH (MFT) eine solche Anlage bauen. Die Stromversorgung soll ein Mix aus Solar- und Windenergie sicherstellen. Somit wäre die Anlage klimaneutral und für die Wasserentsalzung für die Gemeinden, die versorgt werden sollen, würden keine laufenden Stromkosten entstehen.

Als Akteur vor Ort soll die Firma Col Energy fungieren. Die kolumbianischen Ingenieure kommen in Köln mit den Partnern der MFT zusammen, um zu erlernen, wie man eine solche Anlage betreibt. Drei Tage geht das gemeinsame Training. Zunächst einmal geht es um ein Pilotprojekt, das in dem kleinen Dorf Siapana umgesetzt werden soll.

Wasser für ein wasserreiches Land

Das Verwaltungsgebiet La Guajira liegt auf einer Halbinsel in der Karibik an Grenze zu Venezuela. Es ist eine sehr trockene Gegend, in der es zum Teil Jahre lang nicht regnet. Durch den Staudamm El Cercado sind Flüsse wie der Ranchería an einigen Stellen vollkommen trockengelegt worden, was die Wasserknappheit in der Region verschärft.

Außerdem betreiben mehrere multinationale Unternehmen in La Guajira den Steinkohletagebau El Cerrejón - einen der größten der Welt. Laut der kolumbianischen Nichtregierungsorganisation CCAJAR verbraucht El Cerrejón etwa 17 Millionen Liter Wasser pro Tag, während den Bewohnerinnen und Bewohnern der Region pro Kopf ungefähr 0,7 Liter täglich zur Verfügung stehen.

Ein strukturelles Problem: Viele Teile von La Guajira leiden wegen des Bergbaus und anderer wirtschaftlicher Aktivitäten unter großer Wasserknappheit

Durch Staudamm, Bergbau und andere Aktivitäten ist an einigen Stellen flussabwärts teilweise sogar der Zugang zum Grundwasser nahezu unmöglich geworden.

Die Entsalzung des Meerwassers geht für Umweltaktivisten der Region deshalb am eigentlichen Problem vorbei. "Ein bisschen Wasser entsalzen mag ja schön und gut sein, aber man kann nicht behaupten, dass so etwas die Lösung für die Probleme in La Guajira sei", sagt der kolumbianische Wasser- und Umweltexperte Néstor Ocampo, der sich auch für eine gerechtere Verteilung von Trinkwasser einsetzt, im Gespräch mit der DW. "Die Initiative wird letztlich nur einigen wenigen Gemeinden nützen, die in der Nähe des Meeres angesiedelt sind", glaubt Ocampo.

Frank Jacobs, Geschäftsführer der MFT, möchte allerdings nicht nur einige wenige Gemeinden erreichen. "Ziel ist, die ganze Region zu versorgen", erklärt er DW. Auf die direkte Nähe zum Meer kommt es dabei nicht unbedingt an: Das 500-Seelen-Dorf Siapana, in dem bald das Pilotprojekt anlaufen soll, liegt gute 20 Kilometer von der Küste entfernt, und das Meerwasser soll aus einem 460 Meter tiefen Brunnen gefördert werden.

Ausgerechnet in Siapana gibt es jedoch schon Brunnen - sogar mit Süßwasser. Die wurden erst 2014 mit Unterstützung des internationalen Verbundes Oxfam instand gesetzt. Die Organisation verteilte auch Filter zur Säuberung des Süßwassers. Zu dem Pilotprojekt von MFT und Col Energy möchte sich Oxfam nicht äußern.

Wert schaffen, wo Dinge gratis waren

Dennoch, sagt Frank Jacobs, sei die Entsalzung von Meerwasser in Siapana keineswegs überflüssig: "Das Wasser dort ist verkeimt und belastet", erklärt er. Das entsalzte Wasser, das seine Firma verkaufen möchte, sei gesundheitlich empfehlenswerter. Außerdem habe man sich auf die Expertise der Regierung verlassen, die das Dorf speziell empfohlen habe, um das Vorhaben auszuprobieren.

Camilo Cañón, Geschäftsführer der kolumbianischen Firma Col Energy, bringt es bei einem lockeren Mittagessen in den Kölner Räumen der MFT schließlich auf den Punkt. "Ziel ist, das wirtschaftliche Modell zu verändern", sagt er. "Das heißt: Wir müssen dort Wert schaffen, wo vorher alles umsonst zu haben war." Was die Menschen vorher gratis bekamen, nämlich Grundwasser, möchten Col Energy und MFT ihnen verkaufen. Über die indigenen Wayúu in der Region sagt Cañon daher, man müsse "ihre Kultur verändern", und eine "Mentalität der Bezahlung für Wasser" erreichen. Seiner Meinung nach ist das die einzige Möglichkeit, eine nachhaltige Lösung für das Wasserproblem in Kolumbien zu finden.

Das Salzwasser wird über Rohre in die Entsalzungsanlage gepumpt, um zu Trinkwasser zu werdenBild: DW/L.Fauth

Wie viel ein Liter Wasser nach der Entsalzung letztlich kosten wird, kann von den Ingenieuren noch keiner so richtig sagen. Frank Jacobs gibt einen ungefähren Preis an, den er danach jedoch wieder zurücknimmt. "An diesem Projekt verdient keiner Geld", erklärt er. Tatsächlich sprängen erst dann Profite heraus, wenn das Pilotprojekt zu einem Großprojekt wächst und entsalztes Wasser in der gesamten Region verkauft wird. Bezahlen muss die Bevölkerung von La Guajira das Wasser aber schon vorher. Den Vorwurf, die MFT würde damit von der Austrocknung durch den Bergbau profitieren, weist Jacobs zurück. "Es geht immer um die Nachhaltigkeit", sagt er.

Umweltaktivist Néstor Ocampo sieht das ganz anders: "Solche 'Entwicklungshilfen' sind nicht nur unnütz, sondern auch heuchlerisch. Es geht nur darum, das Gewissen ein bisschen zu beruhigen oder vorzutäuschen, dass man hilft." Die strukturellen Probleme. Es ginge bei diesen Hilfen nicht darum, Probleme strukturell zu lösen. Diese würden nur beibehalten. Catalina Caro, Aktivistin der Organisation Censat-Agua Vive aus La Guajira, teilt diese Meinung: "Langfristig legitimieren solche Projekte die Austrocknung der Region durch den Bergbau El Cerrejón", sagt sie im Gespräch mit der DW. Den schönen Namen Entwicklungshilfe darf sich das Geschäft mit dem Wasser trotzdem geben.

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