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Politik

Kolumbien vor der Stichwahl

José Ospina-Valencia
17. Juni 2018

Zwei Kandidaten, die gegensätzlicher kaum sein können, müssen sich in Kolumbien einer Stichwahl stellen. Ihr Ausgang dürfte entscheidend für den Friedensprozess sein. Fünf Fakten zur Präsidentenwahl in Kolumbien.

Kombo Kolumbien Stichwahl - Gustavo Petro und  Ivan Duque
Kandidaten der Stichwahl: Gustavo Petro und Ivan Duque

1) Erstmals Wahlen ohne bewaffneten Konflikt

"Der Wunsch ist oft der Vater des Gedankens", sagt Walter Arévalo, Professor an der Universität Rosario in Bogotá. Er beschreibt damit den Schockzustand, in dem sich viele Kolumbianer befanden, als sie das Ergebnis der Präsidentschaftswahl erfuhren. Obwohl viele moderat gesinnte Kolumbianer vom besonnenen Mathematikprofessor Sergio Fajardo als neuem Präsidenten Kolumbiens träumten, bekamen letztlich die beiden am meisten polarisierenden Kandidaten die meisten Stimmen: Der konservative Politiker Iván Duque (39,14 Prozent) und der linksgerichtete Kandidat Gustavo Petro (25,09 Prozent) werden in der Stichwahl am 17. Juni die Präsidentschaft unter sich ausmachen.

Trotzdem gibt es bemerkenswerte Entwicklungen zu registrieren: Es waren die ersten Präsidentschaftswahlen in Kolumbien in mehr als einem halben Jahrhundert, die nicht unter dem Druck des bewaffneten Konflikts mit den FARC-Rebellen standen. Darüber hinaus war die Wahlbeteiligung mit 53,26 Prozent außergewöhnlich hoch. "Die chronische Wahlenthaltung ist eine der Schwachstellen der kolumbianischen Demokratie", sagt die Expertin für politische Partizipation in Lateinamerika Sabine Kurtenbach vom Hamburger GIGA-Institut.

2) Neuer Pluralismus

Des Weiteren, sagt Walter Arévalo, habe die Stärke und programmatische Vielfalt der Kandidaten in der ersten Runde das traditionelle Zweiparteiensystem überwunden. Seiner Meinung nach ist die "Pluralität der politischen Ideen", die sich in diesen Wahlen manifestiert habe, ein großer Wert.

"Obwohl die erste Runde von den Kandidaten an den jeweiligen politischen Rändern gewonnen wurde, hat keiner von ihnen den Sieg garantiert schon in der Tasche", sagt Arévalo. Beide müssten sich nun mit ihren Aussagen Richtung Zentrum bewegen, denn jetzt gäben die Anhänger des gemäßigten Sergio Fajardo den Ausschlag: "Duque und Petro müssen jetzt um die Stimmen von mehr als sieben Millionen Wählern in der politischen Mitte kämpfen."

3) Zwei politische Welten und Visionen

Bei der Stichwahl tritt ein Kandidat der Rechten, unterstützt von ultrarechten und evangelikalen Kreisen, gegen einen Kandidaten der Linken, ein Ex-Mitglied der Guerillabewegung M19, an. Ihre Ansichten zur Rolle des Staates stehen sich konträr gegenüber.

Während Duque den konservativen und traditionellen Staat vertritt, präsentiert sich Petro als einer der Väter der Verfassung von 1991, "eines der Höhepunkte in der Geschichte Kolumbiens", sagt Politologin Kurtenbach. Jedoch hat es viele Kolumbianer alarmiert, dass beide Kandidaten angekündigt haben, die Verfassung reformieren zu wollen. 

Duque wird von seinen Kritikern als "Anhänger der Verfassung von 1886" bezeichnet, und damit eines "Kolumbiens von gestern", so Kurtenbach. Petro wiederum stehe in seinen Ansichten für die Verfassung von 1991, die seinerzeit modernste Lateinamerikas.

Der Vorwurf gegenüber Petro, er würde einen "Castro-Chavismo" in Kolumbien einführen wollen, wird von beiden Experten als "Wahlkampflüge" bezeichnet. So etwas wäre in Kolumbien wegen seiner starken demokratischen Institutionen undenkbar.

4) Friedensprozess unumkehrbar

"Der Frieden ist gesetzlich garantiert, weil er Teil des kolumbianischen Rechtssystems ist", meint der Jurist Walter Arévalo. "Duque kann nicht daran interessiert sein, die Axt daran zu legen." Duque wolle nur "kleine Veränderungen einführen, aber das grundsätzliche Friedensmodell respektieren". In der Wahlnacht verkündete er, die Ex-Guerillakämpfer schützen zu wollen, aber diejenigen vor Gericht zu bringen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hätten.

Im Falle eines Wahlsieges des Linkskandidaten Gustavo Petro, könnte der Friedensprozess in Kolumbien ein Schicksal wie der in Guatemala erleiden, befürchtet Kurtenbach. "Dort hat der Kongress den Friedensprozess erstickt, indem er die notwendigen finanziellen Ressourcen nicht genehmigte." Andererseits sei es nicht hinnehmbar, dass mehr als 100 sozial engagierte Aktivisten seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens ermordet wurden, so die GIGA-Expertin: "Damit zerstört man die Grundlage für einen dauerhaften Frieden." 

5) Wirtschaft: Neoliberalismus versus Agrarismus

Steuern für Unternehmen senken, damit diese mehr Arbeitsplätze schaffen: Dies ist einer der Vorschläge von Iván Duque. Dies sei ein Automatismus, der selten funktioniere, befinden die Experten Arévalo und Kurtenbach einhellig. Gustavo Petro seinerseits will, dass Kolumbien den Bergbau aufgibt und die Landwirtschaft stärkt. "Avocados anbauen schafft aber wenig Arbeitsplätze", wendet Kurtenbach ein und empfiehlt, dass das Land eher an den wissenschaftlichen und kommerziellen Nutzen seines größten Reichtums denken solle - die Biodiversität.

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