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Politik

Kolumbiens nächster Drogenkampf?

Nicolas Martin
7. März 2020

Weil die Kokainproduktion steigt, erhöht US-Präsident Trump den Druck: Kolumbien solle seine Felder wieder mit Glyphosat zerstören. In den abgelegenen Gemeinden weckt das Erinnerungen an ein dunkles Kapitel.

Flugzeug das in Kolumbien Gylphosat auf Koka-Felder sprüht
Bild: picture-alliance/AP/L. Robayo

Pedro Arenas hat Angst, dass sie wieder fliegen: "Ich gehe davon aus, dass es schon in den nächsten Monaten sein könnte." Über ganz Kolumbien verteilt stehen seit Ende des vergangenen Jahres wieder neun Löschflugzeuge vom Typ AT-802 bereit. Sie sollen allerdings keine Feuer löschen, sondern ein Problem beseitigen, das in Kolumbien schon seit Jahrzehnten zu Blutvergießen führt: Kokain.

Aufgefüllt werden die Flieger mit dem umstrittenen Herbizid Glyphosat, das praktisch fast jede Pflanze tötet, deren Blätter damit behandelt wird. In Kolumbien liegen laut Medienberichten knapp 800 Fässer des Mittels von einem chinesischen Hersteller auf Lager - bereit, illegal angebaute Kokapflanzen zu vernichten.

Und das macht Pedro Arenas Sorgen. Er kämpft für die Rechte der Menschen in den abgelegenen Orten Kolumbiens und hat sich dafür in verschiedenen NGOs organisiert. Zuvor war er bereits als Abgeordneter in Bogotá und Bürgermeister seiner Heimatstadt San José de Guaviare. 

Die Stadt liegt im östlichen Andenvorland. Dahinter beginnt schon bald das kolumbianische Niemandsland: kein Staat, kaum Straßen, dafür hektarweise Kokapflanzen. Das Letzte, das Arenas für die Region möchte, ist die Rückkehr der Flugzeuge.

Lebensgrundlage entzogen

Als die erste Glyphosat-Offensive 1994 begann, war Arenas 23 Jahre alt. Kochbananen, Yuca, Mais - viele lebenswichtige Pflanzen seien damals zerstört worden. "Einige meiner engsten Bekannten mussten ihr Grundstück verlassen, weil sie dort keine Lebensgrundlage mehr hatten", erzählt Arenas am Telefon. Auch habe es auffallend viele Krankheitsfälle gegeben. Doch niemand habe das ernsthaft dokumentiert.

In Europa hat Glyphosat eine Debatte über die Zukunft der Landwirtschaft ausgelöst, weil es bei den Anwendern Krebserkrankungen ausgelöst haben soll. In den USA laufen deswegen fast 50.000 Klagen gegen die Bayer-Tochter Monsanto, die Glyphosat unter dem Namen "Roundup" verkauft. Für Arenas ist das Pflanzengift Symbol eines brutalen Anti-Drogen-Kampfes.

Im Jahr 2015 kam in Kolumbien die Wende: Die Internationale Agentur für Krebsforschung der WHO stufte das Herbizid als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Der kolumbianische Staat reagierte und stoppte das Versprühen aus der Luft.

Im Friedensabkommen zwischen Guerilla und Regierung ein Jahr später einigte man sich auf einen neuen Ansatz beim Kokaanbau: weniger Konfrontation, mehr Kooperation. Die Bauern sollten die Kokapflanzen selbst ausrupfen. Förderprogramme wurden aufgelegt, um Kokabauern zu motivieren, freiwillig auf den Anbau anderer Pflanzen wie Kaffe umzusteigen.

Kokaanbau auf Rekordniveau

Doch der kooperative Weg ging bisher nicht auf. "Kolumbien ist immer noch auf dem höchsten Anbaulevel, seit wir mit den Messungen begonnen haben", sagte Pierre Lapaque, Kolumbienbeauftragter der UN zur Drogenbekämpfung, bei der Vorstellung der Anbauzahlen (siehe Grafik) Mitte des vergangenen Jahres. Zwar ist die Fläche etwas zurückgegangen, die Kokainmenge ist dennoch gestiegen.

Das zeigt sich auch in Europa. Behörden sprechen von einer regelrechten Schwemme. Noch nie sei so viel und so reines Kokain beschlagnahmt worden, heißt es. Der wahre Kampf um jedes Gramm wird derweil weit weg von der zahlungsfreudigen Klientel in Berlin, Paris oder New York ausgetragen: In den abgelegenen Gebieten Kolumbiens gibt die organisierte Kriminalität nicht nur Drogengeschäft den Ton an.

Doch mit dem konservativen Präsidenten Ivan Duque bestimmt ein Gegner des Friedensabkommens die Politik. Vielleicht hat es der Staat auch deshalb bisher versäumt, mit dem kooperativen Ansatz bis in die wirklich abgelegenen Orte vorzudringen. Vor allem dort baue man heute deutlich mehr Koka an als früher, sagt Arenas.

Überhaupt sei Kolumbiens Subsitionsprogramm zum Kokaanbau in einer Krise, schreibt Elizabeth Dickinson, Kolumbienexpertin der Organisation Crisis Group, auf DW-Anfrage. Die zuständige Behörde sei unterfinanziert und zahle den Bauern mit großer Verspätung Ersatzleistungen für die Ausrottung der Pflanzen. "Das macht die Bauern sehr anfällig für die Strukturen, denen sie eigentlich entkommen wollen", so Dickinson.

Mächtiger Partner USA

Dass der kolumbianische Präsident Ivan Duque die Flugzeuge wieder in die Luft schicke, sei nur Frage der Zeit. "Die Regierung will damit die Koka-Zahlen runterbekommen", so Dickinson. Rückenwind bekommt er aus dem Weißen Haus. "Du wirst sprühen müssen. Falls nicht, bekommst Du das (die Drogen) nicht in den Griff", so Trump bei Duques Besuch diese Woche im Weißen Haus.

Für viele Bauern ist der Kokaanbau auch heute noch eine wichtige ExistenzgrundlageBild: Getty Images/AFP/L. Robayo

"Die USA sind einer der größten Geldgeber und die beiden Länder arbeiten beim Militär eng zusammen. Bogotá kann es sich im wahrsten Sinne des Wortes nicht leisten, die Unterstützung Washingtons zu verlieren", gibt Elizabeth Dickinson von der Crisis Group zu bedenken.

In Kolumbien kursieren auch deshalb schon Scherze vom Schuljungen Duque, der mit Zahlen zur Koka-Anbaufläche seinen Lehrer Trump beeindrucken möchte. Doch der schickt ihn regelmäßig mit schlechten Noten nach Hause. Schon 2017 hat Donald Trump das Spiel begonnen, als er die militärische Partnerschaft beider Länder wegen des rasant gestiegenen Kokaanbaus offen infrage stellte.

"Gute Zahlen für Trump"

Pedro Arenas sieht hinter dem möglichen Einsatz von Glyphosat ein Kalkül: "Dann hat unser Präsident ein paar gute Zahlen für Trump", so Arenas. Die Besprühungsoffensive Mitte der 90er-Jahre verringerte kurzfristig die Anbaufläche. Wenige Jahre später war diese aber wieder auf Rekordniveau. "Wir befürchten, dass durch die Besprühung die existierenden sozialen Konflikte verschärft werden", schreibt Kolumbienkennerin Elizabeth Dickinson. Und Pedro Arenas meint, die betroffenen Menschen würden völlig das Vertrauen in die Institutionen und den Friedensprozess verlieren.

Klares Machtgefälle: Der kolumbianische Präsident Ivan Duque (l) bei Donald Trump im Weißen HausBild: picture-alliance/Zuma/J. N. Boghosian

Noch hat Arenas mächtige Verbündete. Denn vor allem das kolumbianische Verfassungsgericht hat dem Präsidenten für den Glyphosat-Einsatz strenge Vorschriften gemacht. Demnach müssen auch die Gemeinden einer Besprühung aus der Luft zustimmen. Arenas befürchtet jedoch, dass sich Duque darüber hinwegsetzen könnte. "Sollten die Flugzeuge abheben, werden wir das an höchster Stelle anfechten."

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