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Lifestyle

Kolumne: Anders Wohnen in Berlin

Gero Schließ
25. Juni 2017

In der Luft, im Bauwagen oder auf dem Wasser: Berliner sind erfinderisch, wenn es um alternatives - und bezahlbares - Wohnen geht. Gut so, meint unser Kolumnist Gero Schließ und fordert, der Senat solle daraus lernen.

Berlin Karow - Alternatives Wohnen im Bauwagen
Bild: Imago/B. Friedel

Es ist nicht bekannt, ob das Wohn-Klo eine original Berliner Erfindung ist. So wie das Sandmännchen oder der Pfannekuchen. Jedenfalls ist diese kleinstmögliche Wohneinheit, meistens eine Mini-Einraumwohnung, in Berlin sehr populär. Früher war sie chronisch klammen Studenten vorbehalten. Als preiswerteste Art, an ein Dach über den Kopf zu kommen. Mittlerweile erfreut sich das Wohn-Klo auch in anderen soziologischen Schichten wachsender Beliebtheit.

Nur Hausbesetzen ist schöner

Das Wohnklo: Nicht viel mehr Platz als hier auf diesem Bild. Bild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Großfamilien oder Geflüchtete, sie alle kommen mit immer weniger Quadratmetern aus. Nicht weil Kuscheln plötzlich zur Berliner Königsdisziplin geworden ist. Eher, weil sie müssen. Weil das Wohnen im Wohn-Klo die letzte Ausfahrt ist, bevor der Weg in einschlägige Gemeinschaftsunterkünfte oder unter Brücken führt.

Berlin ist eine Mieterstadt. 87 Prozent der Wohnungen werden vermietet. Die Eigentumsquote liegt mit 13 Prozent halb so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Dafür ist die Stadt bei Mietpreissteigerungen und bei der Zahl der fehlenden Wohnungen Spitze. Bereits jetzt gibt es 125.000 Wohnungen zu wenig. Und es kommt noch schlimmer: Fünfmal mehr Menschen kommen nach Berlin als Wohnungen gebaut werden.

Was macht der Senat dagegen? Gute Frage! Weiter im Text. Der Berliner lässt sich ja nicht unterkriegen. Gottseidank! Und hat tolle Ideen. Als Alternative für das Wohn-Klo hat er das Wohnen auf Rädern kultiviert - im Alleingang und ganz ohne Staatsknete. Im Nordosten der Stadt, in Pankow, gibt es beispielsweise ein kleines Bauwagendorf. Schon für 3000 Euro bekommt man einen zehn Quadratmeter großen bunten Bauwagen. Allerdings kommt noch Pacht an die Stadt hinzu. Um die hundert Menschen leben hier. Für die Kinder ein ewiger Abenteuerurlaub. Aber auch für die Eltern ein Traum. Nur Hausbesetzen ist schöner, mögen sie sich - nostalgisch gestimmt - in ihren schwachen Momenten eingestehen.Leben in der "Spree:publik"

Mehr als 100 Menschen leben in diesen Bauwagen im Norden Berlins Bild: Imago/B. Friedel

Schön ist auch das Piraten-Wohnen, etwa in der Rummelsburger Bucht. Dort, wo sich gutsituierte Berliner Bürger am Wochenende vom Berufsstress erholen. Ok, das ist nicht unbedingt das Problem der Piraten. Sie haben ein schwimmendes Utopia gegründet, die "Spree:publik". Sie steht für die Freiheit des Wohnens. Versteht sich von selbst, dass ihre Mitglieder vehement gegen Gentrifizierung und Mietwucher vorgehen. Boote und Flöße haben sie wie zu einer Wehrburg in der Mitte der Bucht zusammengebunden. Dort leben sie mit großem Enthusiasmus, aber ohne Liegegenehmigung.

Wohnen im Baumhaus: Dieses hier gehört eher zu denen mit sehr einfacher AusführungBild: picture-alliance/SCHROEWIG/B. Oertwig

Eine Senatsstudie hat festgestellt, dass die Rummelburger Bucht für 1200 neue Wohnungen gut ist - natürlich im Hochpreissegment. Das wäre das Aus. Doch erst einmal ist das Glück auf Seiten der Piraten: Das Projekt der Schwimmhäuser "floatinglofts"  wurde vom Gericht versenkt, noch bevor die erste Planke genagelt werden konnte.

Leben in der Luft 

Not macht erfinderisch. Aber der Berliner Unternehmer Kolja Stegemann war auch ohne Not erfinderisch. Er hat sich ein Baumhaus gebaut: Im Grüngebiet rund um den Berliner Stadtteil Zehlendorf: 28 Quadratmeter in luftiger Höhe. Mit Einbauküche und Regendusche. Es gibt zwar keine Klingel, aber immerhin einen Briefkasten. Mittlerweile ist das ein Geschäftsmodell und kann gemietet werden. Aber in dieser Form keine Option für Gentrifizierungsopfer. Doch wie wäre es mit dem Baumhaus light? 

Alternatives Wohnen: Unser Kolumnist Gero Schließ sieht den Berliner Senat am Zug

Gerade erst luden die sogenannten "Wohnprojekttage" zum Austausch über selbstorganisierte Wohnformen in Berlin ein. Wer auf die Website www.experimentdays.de geht, der sieht: Berlin ist ein Mekka der Wohn-Kreativen. Sie leben in selbstgezimmerten Minihäusern, ausgedienten Schulen oder verlassenen Industrieruinen. Es wird Zeit, aus den vielen Ideen für Einzelne brauchbare Wohnoptionen für Viele zu machen. Hey Senatoren, spuckt endlich in die Hände und tut was! Sonst geht's zum Nachsitzen aufs Baumhaus.   

Vor kurzem meldete die Berliner Morgenpost, dass der Senat 32 neue Flüchtlingsunterkünfte in "modularer Bauweise" errichten wolle. Lebensdauer 50 Jahre. Im Kleingedruckten lese ich: Sie sollen auch anderen Nutzern offenstehen. Hoffentlich ist das nicht alles, was dem Senat zum Thema "Alternatives Wohnen" einfällt. 

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