Heiratsverweigerung in Berlin
23. Juli 2017Achtung: Ein Warnung an alle Liebenden im sommerlichen Berlin!
Sich im lockeren La La Land-Stil zu verlieben und dann schließlich irgendwann vor dem Traualtar zu landen, ist überall auf der Welt ein Traum. In Berlin kann es zum Albtraum werden. Zum Beginn eines Dramas. Nein, nicht ein lächerliches, kleines Ehedrama. Sondern ein richtig ernstes Drama mit der Berliner Verwaltung. Sommerzeit - Liebesleid. Das reimt sich in Berlin nur zu gut. Lange Wartezeiten muss man in Kauf nehmen, um die Liebste oder den Liebsten zu heiraten. Das Standesamt in Berlin Mitte ist Spitzenreiter: Warteschlangen wie vor der Suppenküche.
Mit Boxhandschuhen zum Heiraten
Die Heiratswilligen kampieren bereits um vier Uhr morgens vor den verschlossenen Amtstüren. Das ist eheliche Idylle Berliner Art.
Und dann der Kampf um die Wartemarken: "Spontan heiraten in Berlin Mitte geht nur, wenn man um sechs Uhr vor der Tür steht und Boxhandschuhe dabei hat", schrieb eine junge Frau im Internet. Wer das nicht mag, muss es eben woanders versuchen: Einen Freund trieb die Verzweiflung nach New York. Da endlich konnte er seine Liebste zeitnah ehelichen. Wahrscheinlich ginge es auch bei den Eskimos am Nordpol oder den Massai in den weiten Ebenen Kenias schneller als in Berlin-Mitte.
Jetzt hat das Standesamt dort kapituliert. Die offene Sprechstunde wurde abgeschafft. Nur noch saubere Terminbuchung im Internet. Keine hässlichen Rangeleien mehr. Doch denkste: Die finden jetzt virtuell statt. Die Termine sind bereits zwei Monate im Voraus ausgebucht. Und für danach werden keine angeboten. Keine Frage, das grenzt an Heiratsverhinderung. Ob da die zwölf pensionierten Standesbeamten etwas daran ändern, die der Regierende Bürgermeister jetzt in einem Sofortprogramm als "Nothelfer" reaktivieren will? Zumal sich seit dem Bundestagsbeschluss zur "Ehe für alle" jetzt auch viele Homo-Paare in die Warteschlange einreihen. Ja, Heiraten könnte schöner sein. Zumindest in Berlin.
Kampf mit der Berliner Bürokratie
Wen wundert es da noch, dass das Standesamt Mitte beim Google-Ranking noch nicht mal einen von fünf Sternen bekommt. "Dieses Amt ist ein Symbol für Berlin: Inkompetente Beschäftigte, die rüpelhaft und langsam sind", lesen wir und wollen unser Glück kaum fassen. Endlich Leidensgenossen, die unseren täglichen Kampf mit der Berliner Bürokratie verstehen. Balsam für die Seele.
Es wäre einmal interessant, die Leser dieser Kolumne zu fragen, wo in der Welt noch so lieblos mit der Liebe umgegangen wird. Schicken Sie mir eine E-Mail an gero.schliess@dw.com.
Ich stelle hier mal eine Behauptung auf: Nirgends ist man beim Verwaltungs-Versagen mit mehr System und Gründlichkeit unterwegs als in Berlin.
Denn es trifft nicht nur die jungen Liebenden, sondern neun Monate später dann in schöner Folgerichtigkeit auch die jungen Eltern.
Dem Kampf um den Trauschein folgt der Kampf um den Geburtsschein. Eltern von Neugeborenen müssen schon mal locker bis zu vier Monaten auf die Geburtsurkunde warten. Dass dann Krankenkassen ihre Zahlungen einstellen und auch andere Zuwendungen zurückgehalten werden: der Amtsschimmel wiehert fröhlich darüber hinweg. Und für das Kind ist das ja gleich die erste Abhärtung fürs entbehrungsreiche Berliner Leben. Dann, wenn Kita-Plätze fehlen oder Schulklassen wegen Überfüllung schließen. Wie etwa jetzt in Neukölln, als das Fehlen von 100 Schulplätzen erst kurz vor dem neuen Schuljahr bemerkt wurde.
Eigentlich sieht das aus nach einem bösen Plan. Immer geht es gegen die Jungen. Aber seien wir realistisch: Ein Plan ist das letzte, das wir der Berliner Verwaltung zutrauen.
Aber wer im Ausland kann sich das schon vorstellen? Dort könnte man Absicht vermuten. Und sich dreimal überlegen, bevor man nach Berlin kommt. Und sich hier der gefährlichen Folgen einer Romanze aussetzt. In der Stadt der lieb-losen Verwaltung.