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Kolumne: Ein neuer Picasso in Berlin?

Gero Schließ
9. April 2017

Ist Leon Löwentraut der neue Picasso oder ein Lifestyle-Produkt? Von den Medien wird er gehypt und von Sammlern wie wild gekauft. Berlin mag solche Typen, meint unser Kolumnist Gero Schließ. Und das sei auch gut so.

Deutschland Berlin Kolumne 24/7 Leon Löwenstraut
Bild: DW/G. Schließ

Der rote Teppich vor der "art box"-Galerie in Berlin Mitte ist nicht ganz so lang wie der in Hollywood. Und die Reinhardtstraße ist auch nicht der Sunset Boulevard. Doch vor der Galerie unweit des Friedrichstadtpalastes macht sich eine erwartungsvolle Stimmung breit. Eine kleine Menschenmenge hat sich versammelt. Und auch einige Kamerateams sind angerückt, als er endlich um die Ecke biegt: Leon Löwentraut. Marke junger Germane, blonder Fönschopf, dunkler Al Capone Nadelstreifenanzug und eine etwas angestrengte Coolness. Aber insgesamt ganz sympathisch.

Bei Sammlern begehrt: ein Bild von Leon LöwentrautBild: DW/G. Schließ

Der Hype um "Bubicasso"

Bis vor kurzem hatte ich von ihm noch nichts gehört. Ein befreundeter Journalist eines Promi-Magazins informierte mich wenige Stunden vorher über das Galerie-Event und empfahl mir dringend: Hingehen! Meine Google-Recherche ergab dann: Leon Löwentraut ist mit seinen gerade mal 19 Jahren der Jungstar der Kunstszene. Schon hat ihn die Bild-Zeitung "Bubicasso" getauft. Auf dem Weg zur Galerie lese ich dann noch von restlos ausverkauften Ausstellungen in London und Singapur. Nanu? Eigentlich ist so ein Ausverkauf ungewöhnlich für den elitären Kunstbetrieb, der so gar nichts gemein hat mit dem Sturm auf das Supermarktregal. Meine Neugierde aber ist geweckt.

Kein Gekreische aufgeputschter Teenager, als Leon endlich in der Galerie eintrifft. Eher ehrfurchtsvolle Blicke. Und dann bietet der Jungstar auch noch Familienidylle pur: Er ist mit seinen Eltern gekommen. Ein Normalo-Ehepaar, das mit beiden Beinen auf dem Boden zu stehen scheint.

Große Kunst oder Hotel-Deko: Noch sind sich die Kritiker nicht einig. Bild: DW/G. Schließ

Löwentraut ist wie Picasso, aber bunter

An den Wänden der Galerie geht es weniger bodenständig zu. Ein bisschen wie Picasso, denke ich, aber bunter: Großflächige, gut komponierte Bilder, überwiegend in Gelb- und Rot-Tönen. Expressiv-abstrakt nennt Leon seinen Malstil. Er habe keine Vorbilder, sagt er mir. Alles ströme aus ihm heraus, oftmals nachts und bei klassischer Musik - und ich stelle mir vor, wie er im Rhythmus von Wagners Walküren-Ritt den Pinsel über die Leinwand galoppieren lässt.

Aber wird daraus gleich große Kunst? Die Meinungen könnten nicht konträrer sein: Das Ehepaar neben mir hat gerade 30.000 Euro für ein Bild hingeblättert. Ihnen würde Löwentraut einfach gefallen, sagen sie ein wenig verlegen. Und auch andere Bilder werden an dem Abend verkauft - eines sogar doppelt. Ein heftig konsumierender Kunstfreund dagegen geht hart mit Leon ins Gericht: Die Bilder erinnerten an Deko für Hotelflure, raunt er mir zu und nimmt einen tiefen Schluck aus dem Prosecco-Glas. Wie liebenswürdig! Das ist ja wieder mal Berlin pur. Das bedankt sich für Fun-Events wie dieses gerne mit ätzender Herzlichkeit.

Glorias Briefmarkensammlung

Furchtlos stellt sich am selben Abend auch eine andere, lang gediente Mal-Prominenz seinen Berliner Fans: Die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. In einer Vernissage der Galerie Robert Eberhardt im tiefen Berliner Westen gewährt sie nicht ganz so tiefe Einblicke - in Porträts von Weggefährten wie Wolfgang Joop, Ex-Papst Benedikt oder Linken-Chefin Sarah Wagenknecht. Ein "Stammbuch der Happy Few" nennt das der Jung-Galerist Eberhardt in seiner Laudatio auf die Malerfürstin. So jedenfalls lese ich es am Tag danach in der Presse. Und auch, dass Eberhardt Gemeinsamkeiten mit einem "Briefmarkenalbum" sieht. Wie er das wohl meint?

Er hat die Qual der Wahl: Berlin bietet viele spannende Kunst-Events für unseren Kolumnisten Gero Schließ

Aber Hand aufs Herz: Muss man Fürstin Glorias Briefmarkensammlung wirklich gesehen haben? Oder die Walküren-wogenden Pinselergüsse eines jungberufenen Maler-Autodidakten?

Nein und ja! Natürlich geht es auch ohne. Aber Berlin ist immer ein Ausgeh-Abenteuer wert. Und die Neugierde stirbt zuletzt. Man kann das Ganze auch soziologisch argumentieren: Wer früher gleichgesinnte Menschen treffen wollte, ging in Salons oder Gasthäuser. In Berlin sind das heute eben auch Galerien - oder Technoclubs. 

Doch wenn ich ganz genau in mich hinein horche, ist es noch etwas anderes, was mich an diesem Abend zu Leon Löwentraut getrieben hat: Der Entdeckervirus. Die unbestimmte Hoffnung, dass mir irgendwann doch noch einmal der Schöpfer der nächsten Mona Lisa über den Weg läuft.

 

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