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Lifestyle

Kolumne: Ehrentag für die Berliner Currywurst?

Gero Schließ
3. September 2017

Warnung! Das hier ist keine Ode an die Currywurst. Auch wenn diese Wurst sogar einen eigenen Gedenktag hat, hält unser Kolumnist Gero Schließ sie für maßlos überschätzt.

Nahaufnahme einer Currywurst, im Hintergrund ein paar Pommes. (Foto: Getty Images/J.Eisele)
Bild: Getty Images/J.Eisele

Arme Currywurst. So klein und schrumpelig - und dann so viel Aufhebens um dich. Aus dem Berliner Stadtbild mit seinen vielen Currywurstbuden bist du nicht wegzudenken. Gefühlt steht an jeder Ecke eine.

Kult um die Currywurst

Am 4. September hast du sogar einen eigenen Tag: Das ist der Tag der Currywurst. Angeblich wurdest du ja am 4. September 1949 von der Berliner Imbissbuden-Besitzerin Herta Heuwer erfunden.

Beliebter Snack in Berlin: die CurrywurstBild: Getty Images/A.Berry

Sie hat diese spezielle Currysoße komponiert und als "Chillup" patentieren lassen. Aber auch andere beanspruchen die Urheberschaft, zum Beispiel Hamburg. Ok, man könnte ja noch einen zweiten Currywurst-Tag erfinden, einen für Berlin und einen für Hamburg. Gut fürs Geschäft ist es allemal. Aber was soll's.

Ich finde dich ja ganz ok, so für zwischendurch. Aber Berlins Beitrag zur Haute Cuisine bist du nicht.

Du hast dich immer für etwas Besseres gehalten. Du bist keine einfache Bratwurst. Schon eine sogenannte "höherwertige Wurst", mit festem Biss. Aber was dich vor allem herausreißen soll, das ist die Currysoße. Darüber freilich scheiden sich die Geister.

In Ketchup ertränkter Hot Dog?

Vielleicht bin ich ja parteiisch und tue dir Unrecht. Deswegen frage ich einen Freund von mir. Er ist ein netter Amerikaner und kommt aus dem Land der Burger. Ob er dich - ähm - also die Currywurst mag? Die Antwort wird dich schockieren. Du seist ja eigentlich nichts anderes als ein Hot Dog, der in Ketchup ertränkt wird, sagt er. Und fügt an: "Ein bisschen schwierig, so etwas zu lieben."

Nun, er hatte ja nie die Chance, die patentierte Currysoße von Herta Heuwer zu schlürfen, oder sagen wir korrekter, die klein geschnittene Wurst mit einem Piekser aufzuspießen, in die Soße zu tunken und zu verspeisen. Wird er auch nicht mehr. Denn Herta Heuwer hat ihr Rezept mit ins Grab genommen. Und nicht alle Berliner Currywürste sind gleich. Vielleicht hatte er ja immer die falsche Wurst im Mund.

Currywurst-Tradition bei "Konnopke's Imbiß"

Gefühlt sind sie an jeder zweiten Ecke: Eine von ungezählten Currywurstbuden in BerlinBild: Getty Images/J.MacDougall

Aber mein Freund lässt mildernde Umstände nicht gelten. Er hat bei "Curry 207" direkt am Checkpoint Charly in die Wurst gebissen. Und auch in der Schönhauser Allee am Prenzlauer Berg, wo es "Konnopke's Imbiß" gibt, der Lordsiegelbewahrer der Currywurst in Berlin. Konnopke hat ein Geheimrezept für die Soße und sogar eine eigene Website. Dort steht die Geschichte, wie Max Konnopke im Alter von 29 Jahren aus Cottbus nach Berlin und kam hier zum "Wurstmaxe" wurde. Doch das ändert nichts am harten Urteil meines Amerikaners: Tacos und Crêpes findet er besser. Die Currywurst sei dagegen nur ein "Vehikel für Ketchup".

Das würde Herta Heuwer empört zurückweisen. Sie habe immer ausgesuchte Zutaten und Gewürze benutzt, hat sie die Nachwelt wissen lassen. Und garantiert sei nicht Ketchup darunter gewesen.

Konnopke ist der Lordsiegelbewahrer der Berliner Curry-Tradition Bild: DW/G.Schließ

Ketchup hin, Currysoße her: Du bist sogar Literatur geworden. Der Schriftsteller Uwe Timm schrieb das Buch "Die Entdeckung der Currywurst" (1993). Und es gibt in Berlin sogar ein Currywurstmuseum, das nur dir alleine gewidmet ist.

Aber museumsreif bist du nicht, sondern immer mit der Zeit gegangen. Dich gibt es längst nicht nur aus Schwein (mit und ohne Pelle). Auch aus Hühnerfleisch. Und diejenigen, die von dir leben, stylen dich fortdauernd um. Zur veganen Currywurst, zur arabischen Halal-Currywurst und jetzt auch zur koscheren Currywurst. Und am feinen Kudamm wirst du sogar mit Champagner serviert. Du sollst deinen Vermarktern als Lifestyleprodukt viel Geld bringen. Und das tust du wohl auch. 800 Millionen Currywürste werden jährlich allein in Deutschland verkauft.

Politisch korrekte Wurst 

Berlin hat so viel erfunden, was die Welt stärker verändert als so eine Wurst: Den Computer, das Sandmännchen, das Kondom, die Oropax-Ohrstöpsel. Aber Berlin ist nun mal besonders stolz auf dich. Deswegen gibt es ja auch einen Tag der Currywurst und keinen Tag der Ohrstöpsel.

Hält die Currywurst für maßlos überschätzt: Unser Kolumnist Gero Schließ

Warum das so ist? Nun, Du passt so herrlich gut zum Image: Arm aber sexy. Und dann bist du auch noch scharf. Ein gefundenes Fressen in der Hauptstadt der Hedonisten. Aber dein größter Vorzug: Du bist politisch korrekt. Berlin ist ja immer noch eine geteilte Stadt. Aber Ost und West, Hipster und Fabrikarbeiter, Zugezogene und Ur-Berliner verbindet eines: Sie essen Currywurst.

Moment, was ist das? Jetzt habe ich vom Schreiben plötzlich Appetit bekommen. Ich mach jetzt mal Schluss und kauf mir ne Currywurst.

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