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Gesellschaft

Stoppt die Shopping Malls in Berlin!

Gero Schließ
17. Dezember 2017

67 Shopping Malls gibt es in Berlin. Zu viele, meint unser Kolumnist Gero Schließ. Für ihn sind es künstliche Konsumwelten, die den Charakter Berlins zerstören. Und er fordert: Stoppt den Shopping Mall-Wahnsinn!

Mall of Berlin am Leipziger Platz (Bildergalerie)
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Einkaufsparadies oder Einkaufshölle? Das ist für mich keine Frage!

Diese modischen Shopping Malls sollen wohl eine Art Konsum-Katalysator sein. Anregend, aufputschend, ausgabefördernd. Mich törnt das nur ab.

Konsumwelten mit dem Charme einer Schublade

Für mich sind das künstliche Konsumwelten. Keine zehn Pferde bringen mich in eine Shopping Mall. Nur in absoluten Ausnahmefällen. Das ist dann höchstens mein Freund, der für sein Leben gerne in solchen sterilen Ungetümen shoppen geht. Oder in Notfällen, wenn Weihnachten vor der Tür steht und ich in kurzer Zeit viele Einkäufe "schaffen" muss. Ansonsten mache ich einen Bogen um die Dinger.

Auch in der Weihnachtszeit nicht schön: Die Mall of BerlinBild: DW/G. Schließ

Das wird in Berlin allerdings immer schwieriger, denn es gibt mittlerweile 67 Malls. Das sind schon richtige Raumfresser. Von den 4,4 Millionen Quadratmetern Verkaufsfläche in Berlin liegt bereits jeder dritte in einem dieser vermeintlichen Einkaufs-Paradiese. Soweit die Schreckenszahlen aus dem aktuellem Stadtentwicklungsplan.

Natürlich weiß ich, dass Menschen einkaufen müssen. Auch in Berlin. Aber warum in diesen phantasielosen Konsummeilen? Viele haben den Charme einer Schublade. Massenhaft ungestaltete Fläche, lieblos geplant und gebaut nach dem immer gleichen Muster. Wie etwa die Schönhauser Allee Arcaden mitten im Stadtteil Prenzlauer Berg. Auf mehreren Etagen reihen sich die Geschäfte aneinander, in der Mitte eine Art Atrium. Und ins Kellergeschoss sind die Lebensmittelgeschäfte gequetscht. Am Ku'damm oder in der Friedrichstraße stehen die feineren Versionen davon, aufgehübscht mit Marmor und Chrom. Aber das ändert nichts. Für mich ist das toter Raum, klinisch rein, exterritorial, aus Berlin und seinem Stadtleben herausgerissen.

Wo ist das Berliner Flair?

Sie heißen Arkaden, Center oder neudeutsch Karree. Und so einfallslos wie der Name ist auch das Konzept. Ein immer gleicher Mix aus Mode-Shops, Restaurants, Supermärkten oder Feinkostläden. Eine solche Mall könnte überall stehen. In Berlin kenne ich keine, die wirklich so etwas wie Berlin-Flair verströmt. Da ist nur das KaDeWe. Aber das ist keine Shopping Mall, sondern ein Kaufhaus.

Shopping Malls verändern den Charakter Berlins, meint unser Kolumnist Gero Schließ

Oh, da fällt mir doch noch eine löbliche Ausnahme ein. Aber die ist weit weg in den USA. "The Shops at Columbus Circle" stehen am Columbus Circle, einem der schönsten Plätze Manhattans. So elegant wie der Circle ist auch die Architektur der Mall. Und so sind auch die Geschäfte. Unvergessen der Blick von der Bar im ersten Stock auf den pulsierenden Columbus Circle, den Central Park und den New Yorker Sonnenuntergang.

Wo gibt es das in Berlin? Immerhin, die 2014 eröffnete "Mall of Berlin" in Berlin-Mitte gibt sich Mühe. Von der überdachten Piazza fällt der Blick auf die repräsentative Säulen-Fassade des früheren "Preußischen Herrenhauses", heute der Sitz des Bundesrates, die Vertretung der Bundesländer.  

Aber ich habe das Gefühl: Je älter die Mall, desto unansehnlicher. Die erste Berliner Mall ist eine der hässlichsten: das Europa-Center aus dem Jahre 1965 im feinen Berliner Westen. Außen eine dunkle, abweisende Fassade, innen funktional und seelenlos. Von einem Abrisstermin ist nichts bekannt.

Keine "Mall of Ku'damm" in Berlin

Dafür werden in Berlin immer wieder Pläne für neue Malls diskutiert. Doch Gott sei Dank: Erstmals wurde - ausgerechnet am mondänen Ku'damm - ein spektakuläres Shopping-Projekt wieder verworfen. Noch vor wenigen Monaten sollte dort eine gewisse "Mall of Ku'damm" entstehen. 200 Läden und Restaurants ließen bereits das Herz des Einzelhandels höherschlagen. Die Erregung war voreilig.

Es gibt nichts Schöneres, als auf dem weihnachtlichen Kurfürstendamm zu schlendernBild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

Die Gründe für den Verzicht: Offiziell unbekannt. Bisher lautete die Devise: Für jährlich 50.000 Neuberliner und hunderttausende von Berlin-Touristen kann es nicht genug Einkaufsfläche geben. Aber anscheinend gibt es eine Sättigung. Endlich haben immer mehr Leute die langweiligen Malls satt.

Das klingt wie ein vorgezogenes Weihnachtswunder für mich und die vielen Berliner, die angesichts der scheinbar unaufhaltsamen Vermehrung der austauschbaren Glasblasen um den Charakter ihrer Stadt, ihres Kiezes fürchten. Und sie fürchten um das Überleben der einzigartigen Boutiquen und Läden in den traditionellen Einkaufsstraßen.

Die genieße ich ab heute besonders bewusst. Denn was gibt es Schöneres, als über den Ku'damm, die Schlossstraße oder das Viertel rund um den Hackeschen Markt zu schlendern? Das ist für mich das wahre Einkaufsparadies - und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

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