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Musik

Kolumne: Kultursommer in Berlin

Gero Schließ
27. August 2017

Auch wenn in Berlin der Sommer immer mal Pause macht: Es gibt keine Sommerpause. Nicht für die Kultur. Für unseren Kolumnisten Gero Schließ zeigt sich der Kultursommer Berlin von seiner schönsten Seite. Meistens.

Selfie von Gero Schließ und Freunden in der Waldbühne Berlin
Einmalige Atmosphäre in der Berliner WaldbühneBild: Paul Pompeo

"Berlin lacht" - und zwar sechs Wochen lang, zehn Stunden am Tag. Macht insgesamt 420 Stunden Zwerchfellgymnastik. Das ist ja nicht auszuhalten! Gibt es da vielleicht Mengenrabatt? Aber im Ernst: Wenn "Berlin lacht", kann es auch schon mal zum Heulen sein. Denn "Berlin lacht" ist nicht der Titel einer wissenschaftlichen Studie über die Lachgewohnheiten des Berliners. Es ist  der Name eines sechswöchigen Straßentheaterfestivals.

Lachakrobaten und Taschendiebe in Berlin Mitte

Trotz spitzer Feder: Kolumnist Gero Schließ liebt den Berliner Sommer

Und natürlich ist da nicht alles so vergnüglich, wie es klingt. Vor allem nicht der Ort, an dem sich die Lachakrobaten aufgebaut haben: Mitten in Berlin am Alexanderplatz. Dort, wo der gemeine Berliner wegen Taschendieben und anderer Humorverweigerern selten was zu lachen hat. 

Aber lassen wir solche Petitessen beiseite: Berlin im Sommer, das ist einzigartig, das ist unerreichbar. Mit meiner Begeisterung stehe ich nicht allein. "Berlin zu dieser Jahreszeit ist phantastisch, da gehe ich gar nicht weg", sagt mir der Maler Jonas Burgert, als ich ihn in Berlin Mitte treffe: Vor einem Lokal mit traumhaftem Blick auf die Spree und den Reichstag. Abendsonne, glitzernde Wellen und das gurrende Tuckern der Ausflugsboote. Und das Beste: Kein Politiker stört die Idylle. Sie behelligen die Provinz - dem Wahlkampf sei Dank!

Man muss nicht unbedingt Fan des "Veganen Straßenfestes" sein oder an die Versprechungen der Berliner "Sternschnuppennacht" glauben (bis zu 100 Sternschnuppen in einer Nacht!), um im Berliner Kultursommer glücklich zu werden. Auch tanzen und trommeln beim Tag der offenen Tür im Ministerium für Arbeit und Soziales ist nur bedingt vergnügungssteuerpflichtig.  

Sommerspaß mit Nachwuchstalenten

Shootingstar Pianist Dmitry MasleevBild: Primavera Consulting

Doch Berlin im Sommer bietet so viel mehr. Es ist eigentlich wie immer: Man könnte sich sechsteilen, so viel ist los. Erstaunlich genug: Das geht auch ohne die hoch subventionierten Theater und Orchester, die alle ihre wohlverdienten Ferien abfeiern. Und dabei - wie etliche Musiker aus den sechs Sinfonieorchestern Berlins – bei den Musik-Festivals in Bayreuth und Salzburg aushelfen und das musikalische High-Noon-Erlebnis suchen. Etwas, was sie im heimischen Routinebetrieb nicht mehr finden.

Dafür lassen es dann die Jugendorchester krachen. Etwa im Berliner Konzerthaus beim Festival "Young Euro Classic", bei dem der junge Senkrechtstarter Dmitry Masleev mit dem Tschaikowsky Jugendorchester aus Jekatrinenburg pianistisches Feuer entfacht und die Putin-Fratze für einen Moment vergessen lässt. Zeigt er doch für einen kurzen Moment das andere, kultivierte Gesicht Russlands.

Erlebnis Waldbühne

Auf der Waldbühne: Dirigent Daniel Barenboim und Pianistin Martha Argenich Bild: DAVIDS/Sven Darmer

Weltverbessern, das geht im Berlin natürlich auch draußen. Und das ist dann noch viel schöner. Die Waldbühne etwa ist ein Erlebnis, vorausgesetzt der Wettergott spielt mit. Da höre ich am liebsten die Berliner Philharmoniker oder jetzt das "West-Eastern Divan Orchestra" mit Musikstudenten aus Israel und den arabischen Nachbarstaaten. Der Dirigent Daniel Barenboim hat sie zusammengebracht. Und präsentiert sie in Bestform, gemeinsam mit  der überwältigenden Martha Argerich am Klavier. Ich saß mit Freunden aus Washington Ljubliana und Berlin mitten unter 18.000 Zuhörern. Und spürte diesen besonderen "Vibe". Was für ein Fest für die Ohren, für den Gaumen (dank der üppig gefüllten Weinkannen) und für die Augen. Es ist der Wahnsinn: Beim Blick ins Rund der Waldbühne kann man sich nicht satt sehen. Das Ambiente lässt vergessen, dass der Ort einst von den Nazis erbaut wurde. Als Teil des Areals rund um das große Olympia-Stadium.

UFA-Filmnächte auf der Museumsinsel

Die Waldbühne ist für mich nur noch zu toppen von der historischen Kulisse der Berliner Museumsinsel. Dort flimmern auf einer Riesenleinwand die UFA-Filmnächte, zu der die Medien-Großmacht Bertelsmann in den Kolonnadenhof bittet. "Zum Raum wird hier die Zeit": Diesen von Richard Wagner geprägten Satz kann man in der Filmnacht getrost umkehren: Zur Zeit wird hier der Raum. Eingerahmt von den historischen Fassaden des preußischen Baumeisters Schinkel feiert die digital restaurierte Fassung des Films "Die Liebe der Jeanne Ney" Premiere. Und das WDR-Rundfunkorchester unter Frank Strobel steuert mit dem Sound der Filmmusik die dritte Dimension bei zu diesem einzigartigen Gesamtkunstwerk aus Bildern, Klang und Kulisse.

Filmnacht auf der Berliner MuseumsinselBild: DW/G. Schließ

Am Ende heißt es für mich nicht: Berlin lacht. Sondern: Berlin staunt! - Und ist wehmütig. Denn jeder Sommer geht einmal zu Ende.   

 

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