"Djihad" auf der Bühne
18. Januar 2016Die Vorstellungen vom "Djihad" beinhalten düstere, bedrohliche Assoziationen. In Belgien wurde öffentlich heftig über Jugendliche diskutiert, die sich heimlich auf den Weg nach Syrien machten, um an der Seite der Terrororganisation "Islamischer Staat" ("IS") zu kämpfen.
In dieser Situation beschloss Saidi, es müsse auch eine lustige Seite dieses Phänomens geben - auch wenn er sie erst erfinden müsse. Und so schuf er drei glücklose Charaktere, die in die Unterstützerszene von Islamisten geraten und dort mit dem konfrontiert werden, was der Autor für Stereotypen, aber auch für Tatsachen der muslimischen Gesellschaft hält. Das Ganze basiert auf Saidis eigenem Leben und dem seiner Freunde.
Der Titel des Stücks "Djihad" irritierte die Öffentlichkeit. "Die Leute waren verängstigt, weil sie nicht wussten, was 'Djihad' bedeutet", erinnert sich Saidi mit einem Schmunzeln. "Und als ich der Presse sagte, es sei eine Komödie, wurde es noch schlimmer. Ihre Reaktion war: 'Eine Komödie? Bist du verrückt?'"
Lucile Poulain, die PR-Managerin, hatte eine harte Zeit. Sie erinnert sich: "Die Journalisten wollten davon nichts hören. Sie weigerten sich sogar, 'Djihad' in ihre Agenda aufzunehmen." Sie erhielt eine Menge anklagender E-Mails und Anrufe. "Wie können Sie in solchen Zeiten ein Stück 'Djihad' nennen", sei der Tenor gewesen. "Sie hielten uns für verrückt - für eine Bedrohung." Der Umschwung sei gekommen, als die Leute das Stück gesehen und begonnen hätten, den unbedarften, aber süßen Reda, den Elvis-Fan Ben und den ernsthaften Ismael zu lieben.
Moslems machen sich über Moslems lustig
Reda Chebchoubi und Ben Haidou, die beiden Co-Stars in dem Stück, sind Freunde. Saidi entwarf die Geschichte entlang der eigenen Erfahrungen, die auch er auf den zum Teil steinigen Straßen von Brüssel machte. Mit 14 Jahren hätte er eigentlich in den Kampf nach Afghanistan ziehen sollen – ein Schritt, der großen Zuspruch in seiner Moschee-Gemeinde gefunden hätte. Er widerstand dem Druck. Über jene, die das nicht geschafft hätten und gegangen seien, weiß er heute nichts, sagt Saidi.
Das Schlimmste dabei sei gewesen, dass die Öffentlichkeit und die Regierung davon wussten. Man hätte sie trotzdem gehen lassen, weil man darin den Kampf gegen die Russen im damaligen Kalten Krieg gesehen hätte. So sei es anfänglich auch bei den jungen Leuten gewesen, die nach Syrien gegangen seien, um gegen Präsident Assad zu kämpfen. "Man hat sie gehen lassen", meint Saidi - und mache sich erst jetzt, nach ihrer Radikalisierung, Gedanken darüber, dass sie zurückkämen, um zu morden.
In seinem Stück drückt Saidi all das zwar salopp und mit Witz aus, aber seine Botschaft ist todernst: Moslems und andere Gemeinden müssen zusammenstehen, um ihre Kinder und sich selbst vor der Terrorbedrohung zu schützen. Das ist der Grund, warum der Autor in langen Strecken versucht, seinen "Djihadisten" ein menschliches Antlitz zu geben: um zu zeigen, wie drei normale Jugendliche auf Abwege geraten können, weil sie keine Perspektiven sehen.
Ohne zu viel vom Stück zu verraten: Für die drei Freunde geht es in Syrien schnell den Bach runter, und das Lachen verwandelt sich in Tränen. Da habe die Botschaft ans Publikum schon gewirkt, meint Saidi. "Wenn du etwas für diese drei empfindest, dann ist vielleicht nicht alles zu spät."
Die Botschaft soll alle Bevölkerungsgruppen erreichen. So lässt Saidi den belgischen Rapper Badibanga Ndeka mit dem Song "Na Lingi Yo" ("Ich liebe dich" auf Kongolesisch) auftreten. "Badi" singt über seine gemischtrassige Familie und warnt alle Extremisten, dass Leute wie er und sein Clan der Traum von Martin Luther King und der Albtraum des nationalistischen belgischen Politikers Bart de Wever und der Vorsitzenden der französischen "Front National", Marine Le Pen, seien.
Le Pens Verachtung gegenüber der radikalisierten Jugend war eines der Motive für Saidi, "Djihad" zu schreiben. Er wollte, dass die unzufriedenen jungen Belgier erkennen, dass sie nicht allein sind. Und er hofft, dass die übrigen Belgier versuchen, ihre Situation besser zu verstehen.
Ähnlichkeiten mit Charlie Hebdo
Das gelang ihm bereits mit Schülern des "Collège Notre Dame de Bon Secours" aus dem belgischen Binche. Die 17-jährige Amadine Falcicchio sagte, sie habe zwar von Integrationsproblemen in Belgien gewusst, könne das aber jetzt viel besser einordnen. Ihre Klassenkameradin Emma Innocente war unsicher, ob sie sich eine Komödie über etwas so Bedrohliches wie den "Djihad" anschauen sollte. Inzwischen findet sie die Idee gut. "Es gibt nicht viel Gelegenheit, darüber zu sprechen - es sei denn, es geht gerade durch die Presse. Jetzt können wir sogar lachend und mit Witz darüber reden."
Lehrerin Caroline Wallez ergänzt, sie glaube nicht, dass "Djihad" den Behörden dabei helfen könne, junge Belgier von der Reise nach Syrien abzuhalten. Aber das Stück sei zumindest ein Denkanstoß für ihre Schüler. Und Saidi fügt hinzu: Mütter solcher Syrien-Kämpfer hätten sich bei ihm bedankt, weil er ihre Kinder als Menschen und nicht als Monster dargestellt habe.
Doch wie immer bei sensiblen religiösen Themen gibt es Kritik – so auch bei Saidis Bühnenstück. Er selbst mag nicht über die Drohungen sprechen, die ihn und seine Truppe wegen der Islam-Darstellung erreicht haben. In den öffentlichen Diskussionsrunden nach den Aufführungen kommen aber immer wieder Vergleiche zum Satiremagazin "Charlie Hebdo" auf, dessen Karikaturisten vor gut einem Jahr von Islamisten ermordet wurden.
"Natürlich haben wir Angst", sagt PR-Managerin Poulain, aber Charlie Hebdo stehe für freie Meinungsäußerung: "Und dafür müssen wir auch kämpfen."