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Kommando mit wachsendem Risiko

Günter Knabe10. Februar 2003

Deutschland und die Niederlande haben am 10. Februar das Kommando der ISAF in Afghanistan übernommen. Es ist eine gefährliche Aufgabe, wie Günter Knabe in seinem Kommentar meint.

Willkommen und gefährdet zugleich sind die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan. Als Teil der ISAF (International Security Assistance Forces / Internationale Sicherheitstruppe für Afghanistan) werden sie von der Übergangsregierung unter Hamid Karsai, die sie schützen und stützen sollen, begrüßt. Und der größte Teil der Kabuler Bevölkerung heißt sie ebenso willkommen, weil sie die Hauptrolle bei der Wiederherstellung von relativer Sicherheit und Ordnung in der afghanischen Hauptstadt spielen, zusammen mit Kameraden aus 21 weiteren Nationen, die mit ihren Kontingenten zur ISAF beitragen.

Gefährdet sind die deutschen und alle anderen ausländischen Soldaten dadurch, dass es in Afghanistan noch immer beachtliche Reste von Taliban und El-Kaida-Kämpfern gibt, die bewaffneten Widerstand leisten gegen die Kabuler Regierung und deren internationale Unterstützung. Mit ihnen verbündet ist seit kurzem der berüchtigte Gulbuddin Hekmatyar, Chef der extrem-fundamentalistischen Hesb-i-Islami. Er droht mit Terroraktionen gegen die ISAF-Soldaten und ihre Offiziere, um sie zum Abzug aus Kabul zu zwingen.

Taliban und Kriegsfürsten

So gut die deutschen ISAF-Soldaten auch ausgerüstet und ausgebildet sein mögen, und so umsichtig und engagiert sie ihren Auftrag der Friedenssicherung auch ausführen mögen - Frieden für ganz Afghanistan konnten und können sie nicht schaffen. Denn ihr Einsatzgebiet ist laut Weltsicherheitsratsbeschluss beschränkt auf Kabul und die nähere Umgebung der Hauptstadt. In den Provinzen Afghanistans aber herrscht Unsicherheit. Dort wird nach wie vor gekämpft. Noch sind nämlich noch nicht alle Taliban- und El-Kaida-Kämpfer von den Amerikanern vertrieben, getötet oder gefangengenommen worden. Obendrein verteidigen die Kriegsfürsten und ehemaligen Mudschahedin-Führer ihre jeweiligen Machtbereiche mit der Gewalt der vielen Waffen, die sie haben und immer neu kaufen können, vor allem mit Geldern aus der Opium-Produktion.

Gewalt und Widerstand gegen die Befriedungs-Aktionen und gegen die Versuche der Übergangsregierung Karsai, das ganze Land wieder aufzubauen, haben in den letzten Monaten zugenommen. Aus den Provinzen droht denn auch Gefahr für die labile Sicherheit in Kabul und die ISAF-Soldaten. Dieses Risiko wächst, so lange die Fundamentalisten in den Provinzen unkontrolliert ihr Unwesen treiben und Kriegsherren, Milizenchefs und Stammesfürsten dort Gewalt ausüben können.

Wachsendes Risiko

Das wachsende Risiko leugnet weder die politische noch die militärische Führung des deutschen ISAF-Kontingents. Zur Verringerung der Gefahr lässt Verteidigungsminister Struck jetzt das Aufklärungssystem "Luna" in Kabul einsetzen. Zwölf dieser unbemannten Fluggeräte, die Bilder aus einem Umkreis von 80 Kilometern übertragen können, werden aus dem Kosovo nach Kabul verlegt. Dort würden sie laut Struck jetzt nötiger gebraucht als auf dem Balkan. Das sind klare Worte.

Gewiss ist man sich bei der Regierung in Berlin und beim Einsatz-Führungskommando der Bundeswehr in Potsdam bewusst, dass das Risiko für die ISAF-Truppen in Afghanistan noch weiter wachsen würde, so bald die USA einen Krieg im Irak beginnen. Das würde von Führern muslimischer Fundamentalisten sicher als Angriff auf alle Muslime in der Welt interpretiert. Sie würden mit ihren vorhersehbaren Hass-Tiraden und Aufrufen zu Gewalt-Aktionen gegen so genannte "Ungläubige" auch in Afghanistan, vor allem in den Provinzen, gehört werden und Zustimmung finden.

Der neue ISAF-Befehlshaber, General van Heyst, weiß, wie sehr das Risiko für seine Soldaten in Afghanistan bei einem Militärschlag im Irak wachsen würde. Im Extremfall würde die Sicherheit der eigenen Soldaten im Vordergrund stehen und als Ultima Ratio - so der General - gäbe es dann nur noch eine Devise: "Wir müssen hier raus." Die Bevölkerung Kabuls wäre dann ohne Schutz und Afghanistan bliebe sich wieder gefährlich allein überlassen.

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