Es ist noch nicht zu spät, die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Es braucht dafür allein eine verantwortliche Politik und die Bereitschaft zum Verzicht von uns allen, meint Sonya Diehn.
Anzeige
Ein halbes Grad macht einen riesigen Unterschied. Das macht der gerade veröffentlichte Bericht des Weltklimarates eindeutig klar. Wir haben seit Beginn der Industrialisierung die Welt bereits um ein Grad aufgeheizt. Das Resultat? Ein Desaster! Unsere Korallenriffe sterben, die Meeresspiegel steigen, Tierarten sterben aus und Extremwetterphänomene nehmen zu.
Praktisch alle Länder der Welt haben sich 2015 in Paris darauf geeinigt, die menschengemachte Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, besser noch auf 1,5 Grad. Der neue Bericht - Ergebnis jahrelanger Arbeit der UN-Wissenschaftler - skizziert ein 1,5-Grad-Szenario, in dem wir die Korallenriffe noch retten könnten. Die Arktis wäre dann nur einen Sommer pro Jahrhundert eisfrei - anstatt alle zehn Jahre. Die Meeresspiegel würden bis 2100 um zehn Zentimeter weniger steigen. Auch bei Häufigkeit und Stärke von Extremwetter wären 1,5 Grad ein enormer Unterschied. Hitzewellen, wie sie in diesem Sommer die Nordhalbkugel geröstet haben, müssten nicht zur Norm werden.
Kurz gesagt: Das System Erde, in und von dem wir leben, bliebe bei 1,5 Grad Erwärmung noch weitgehend so erhalten, wie wir es kennen. Bei zwei Grad ist das allerdings nicht so sicher. Was also können wir tun?
Wie wir die Erderwärmung noch einschränken können
Der Bericht des Weltklimarat beschreibt sehr klar die notwendigen Schritte, um bei 1,5 Grad Erwärmung zu bleiben. Sie machen einen massiven Wandel notwendig: Wir müssten unseren CO2-Ausstoß im kommenden Jahrzehnt fast halbieren - weltweit. Bis Mitte des Jahrhunderts müssten wir klimaneutral leben - also zumindest alle ausgestoßenen Treibhausgase an anderer Stelle kompensieren.
Unsere Energie müssten wir schon bald nur noch aus erneuerbaren Energien beziehen und am besten fossile Brennstoffe - besonders die "schmutzigsten" wie Kohle - ganz in der Erde lassen. Den Verkehr müssten wir auf Elektroantriebe umstellen - natürlich betrieben aus erneuerbaren Energiequellen. Landwirtschaftliche Flächen müssten wir deutlich effizienter nutzen und ebenso müsste der Gebäude- und Städtebau energieeffizienter werden. Und natürlich müssten wir unsere Lebensweise ändern, vor allem weniger konsumieren und wegwerfen - besonders in den industrialisierten Ländern.
All das ist möglich und der Bericht skizziert dafür einen Fahrplan. Die Frage ist also nicht: Können wir die Erderwärmung unter 1,5 Grad halten? Die Frage ist: Wollen wir es?
Macht uns der Klimawandel krank?
02:25
Wollen ist nicht Machen
Einfach wird das nicht. Denn die Politik hinkt der Wissenschaft hinterher: Unsere Regierungen legen einen erbärmlichen Mangel an Tatendrang an den Tag, wenn es um den Klimawandel geht. Und es gibt darüber hinaus einen verstörenden Trend, Rechtspopulisten an die Macht zu wählen: Leugner des Klimawandels sitzen heute in den Kabinetten der mächtigsten Länder der Welt.
Ohne dass sich die Massen erheben - so glauben manche - wird es nicht gelingen, klimafreundliche Politiker ins Amt zu heben, gewählte Vertreter zu verantwortungsvoller Politik zu bewegen, die Energie-Lobby zu entmachten und Firmen unter Druck zu setzen, sich aus klimabelastenden Geschäften zurückzuziehen. Und natürlich müssen wir selbst Verzicht üben: weniger Flugreisen, ein kleineres Auto, weniger Fleisch essen.
Aber haben wir - bei Licht betrachtet - überhaupt eine Wahl? Wollen Sie, dass Millionen von Menschen ihr Heim und ihre Lebensgrundlage verlieren? Sind Sie und Ihre Familie bereit, Hitzewellen, Dürren, Starkregen und Überschwemmungen auf Dauer zu ertragen? Wollen Sie wirklich auf's Spiel setzen, dass Sie in Zukunft genug zu Essen haben? Wenn Ihnen die Zukunft auch nur ein wenig am Herzen liegt, dann sollten Sie bereit sein, einige Opfer zu bringen und Politiker zur Übernahme ihrer Verantwortung zu zwingen. Sind Sie das?
Ausstieg aus fossiler Energie
Fossile Energien brachten erst den Wohlstand und jetzt die Erderwärmung. Um das Klima zu schützen, muss nach Angaben des Weltklimarats (IPCC) bis Mitte des Jahrhunderts der CO2-Ausstoß beendet werden.
Bild: Reuters
Klimakiller: fossile Energien
CO2 ist das Treibhausgas Nummer Eins. Die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas verursacht 65 Prozent aller Treibhausgase. Bei der Rodung von Wäldern werden elf Prozent CO2 freigesetzt. Hauptverursacher für die Klimagase Methan (16 Prozent) und Lachgas (sechs Prozent) ist die industrielle Landwirtschaft.
Bild: Reuters
Umdenken erforderlich
Bleibt alles wie bisher, dann wird sich nach Berechnungen des Weltklimarats (IPCC) die Erde bis 2100 um 3,7 bis 4,8 Grad erwärmen. Die Begrenzung auf maximal zwei Grad kann aber noch gelingen. Dafür muss die Nutzung von fossilen Energien sehr schnell beendet werden - Klimaexperten sagen bis etwa 2050.
Bild: pommes.fritz123/flickr cc-by-sa 2.0
Solarkraft treibt Energiewende voran
Solarstrom ist inzwischen oft die günstigste Energie. Die Preise für die Anlagen fielen in den letzten fünf Jahren um 80 Prozent. Solarstrom kann in Deutschland schon für sieben Cent pro Kilowattstunde (kWh) erzeugt werden, in sonnenreichen Ländern für unter fünf Cent. Solarkraft boomt weltweit und die Preise sinken weiter.
Bild: BELECTRIC.com
Immer größer und effizienter
Auch die Windkraft ist sehr günstig und weltweit gib es einen Boom. In Deutschland erzeugt die Windkraft neun Prozent des Strom, in Dänemark fast 40 und in China drei Prozent. Bis 2020 will China den Anteil verdoppeln. Diese typische Windanlage deckt den Strombedarf von 1900 deutschen Haushalten.
Bild: Jan Oelker
Häuser ohne fossile Energie
Gut gedämmte Häuser brauchen heute nur noch sehr wenig Energie. Und ein Solardach reicht dann für die Strom- und Wärmeversorgung aus. Einige Häuser produzieren auch schon einen Stromüberschuss. Dieser kann für ein Elektroautogenutzt werden.
Bild: Rolf Disch Solararchitektur
Effizienz spart CO2 und Geld
Ein wichtiger Schlüssel für den Klimaschutz ist die Energieeffizienz. Gute LED-Lampen brauchen im Vergleich zur Glühbirne nur noch ein Zehntel der Energie. Das spart CO2 und Geld. In der EU gab das Verkaufsverbot von Glühbirnen der LED-Technik einen wichtigen Schub.
Bild: DW/Gero Rueter
Klimafreundlicher Verkehr
Bisher ist Erdöl wichtig für den Transport, doch das muss sich ändern. Dieser Bus bei Köln fährt mit Wasserstoff, der aus klimafreundlichen Wind- und Solarstrom in der Elektrolyse gewonnen werden kann. Mit der sogenannten Power-to-Gas-Technologie können auch Diesel und Kerosin synthetisch hergestellt werden.
Bild: RVK
Erstes Serienfahrzeug mit Wasserstoff
Dieses Serienfahrzeug von Toyota fährt mit Wasserstoff und kann mit einer Tankfüllung 650 Kilometer fahren. Für den Klimaschutz fordern Experten mehr Bus und Bahnverkehr und alternative Antriebstechnologien.
Bild: AFP/Getty Images/Y. Tsuno
Treibstoff aus Abfall
Dieser Bus aus dem britischen Bristol (GB) fährt mit Biomethan (CH4). Das Gas wird aus menschlichem Kot und Essensabfällen gewonnen. Für eine Busfahrt von 300 Kilometer reichen die Ausscheidungen und Essensreste, die fünf Personen pro Jahr verursachen.
Bild: Wessex Water
Batterieboom folgt erneuerbaren Energien
Noch ist das Speichern von Strom teuer. Doch auch hier ist die Entwicklung rasant, die Preise fallen und der Markt boomt. Elektroautos werden so immer günstiger und für immer mehr Menschen zu einer klimafreundlichen Alternative in der Mobilität.
Bild: DW/G. Rueter
Fortschritt mit sauberer Technik
Zwei Milliarden Menschen leben noch ohne Strom. Da aber Solarkraft, Batterie und LED-Lampe immer günstiger werden, verbreitet sich diese Technik in den ländlichen Gebieten wie hier im Senegal. An dem Solarkiosk werden die LED-Lampen aufgeladen. Millionen Menschen bekommen so erstmalig Strom.
Bild: IBC
Bewegung für den Klimaschutz
Die Bewegung für den Klimaschutz wird stärker, wie hier in Düsseldorf, dem Zentrum der deutschen Kohleindustrie. Deutschlands Energieriese Eon setzt jetzt auf erneuerbare Energien, weltweit ziehen Investoren ihre Gelder aus der fossilen Wirtschaft ab. Für den schnellen Klimaschutz ist dies hilfreich.