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53.000 würdige Preisträger

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
1. Oktober 2015

Das gab es noch nie: Einen Preis für die gesamte Bevölkerung eines Staates. Doch die Vergabe eines Alternativen Nobelpreises an das Volk der Marshall-Inseln ist eine gute Wahl, meint Martin Muno.

Bild: Getty Images/AFP/I. Marty

Vom 30. November an dürfen sich etwa 53.000 Menschen als Nobelpreis-Träger bezeichnen, zumindest als Ehrenpreisträger des Alternativen Nobelpreises. Denn die gesamte Bevölkerung der Marshall-Inseln und ihr Außenminister Tony de Brum erhalten dann diese Auszeichnung für ihren jahrelangen Einsatz für die atomare Abrüstung - neben einer Inuit-Aktivistin, einer ugandischen Menchenrechtsaktivistin und einem italienischen Arzt. Auch wenn keine institutionelle Verbindung zu den regulären Nobelpreisen besteht, so lenkt der Alternative Nobelpreis unseren Blick doch jedes Jahr aufs neue auf weitgehend unbekannte Helden, die gegen himmelschreiendes Unrecht an Orten vorgehen, die weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden sind.

53.000 Menschen erhalten also auf einen Schlag den Preis, der eigentlich Right Livelihood Award heißt, zu deutsch also "Preis für die richtige Lebensführung". Gemessen an den 850 Menschen, die seit 1901 einen "richtigen" Nobelpreis erhielten, mutet die Zahl grotesk groß an, und man ist geneigt, von einer inflationären Entwicklung zu sprechen. Dennoch ist die Vergabe richtig.

Zur Hölle gebombt

Die Marshall-Inseln sind ein Paradies in der Südsee. Sie sind unbeschreiblich schön, aber schon jetzt teils unbewohnbar und vom Verschwinden bedroht. In den 1940er und 1950er Jahren führten die USA auf dem Bikini-Atoll 67 teils absurd gigantischer Atomwaffentests durch - die stärkste Bombe, hatte die tausendfache Stärke der Hiroshima-Bombe und riss einen Krater von zwei Kilometern Durchmesser. Der US-Komiker Bob Hope sagte dazu: "Sobald der Krieg zu Ende war, machten wir den einzigen Platz auf Erden ausfindig, der vom Krieg unberührt war und bombten ihn zur Hölle."

DW-Redakteur Martin MunoBild: DW

167 Einwohner mussten das Bikini-Atoll verlassen, wurden mehrfach zwangsumgesiedelt und sollten 1968 auf Anordnung der US-Regierung in ihre Heimat zurückkehren. Später stellte man bei ihnen Anzeichen erhöhter radioaktiver Belastung fest, 1978 mussten sie die Insel abermals verlassen. Krebs ist noch bis heute die häufigste Todesursache.

Vom Untergang bedroht

Doch es könnte noch schlimmer kommen: Denn die Marshall-Inseln sind - wie andere Inselstaaten in der Region auch - akut vom Klimawandel bedroht. Während vielerorts Politiker und Experten in klimatisierten Kongresshallen bei gekühlten Getränken darüber räsonieren, ob es vielleicht doch nicht so schlimm wird, sind die Bewohner des West-Pazifik bereits heute mit anhaltende Dürren, Trinkwassermangel und steigendem Meeresspiegel konfrontiert. Die Gefahr, dass viele der Inseln im Meer verschwinden, ist real.

Die Marshall-Inseln mit ihren 53.000 Einwohnern sind ein Paradies in der Südsee, aber ein vergewaltigtes und dem Tode geweihtes Paradies. Sie zeigen, was im schlimmsten Falle global möglich ist: dass wir unsere Erde vernichten - aus Dummheit, Habgier und Eigennutz. Die 53.000 Menschen haben das verstanden und setzen sich aktiv ein für die Abschaffung der Atomwaffen und gegen den Klimawandel. Wir sollten von ihnen lernen, auf dass es nicht irgendwann heißt: Der Alternative Nobelpreis geht an die acht Milliarden Einwohner der vom Kollaps bedrohten Erde.

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