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Politik

Indien: Abschied vom Pluralismus

Guha Debarati Kommentarbild App
Debarati Guha
14. Dezember 2019

Die Entscheidung Indiens, muslimische Flüchtlinge vom schnellen Erwerb der Staatsbürgerschaft auszuschließen, ist diskriminierend. Der pluralistische Charakter Indiens wird gerade verändert, meint Debarati Guha.

Bild: DW/S. Bandopadhyay

Die Verfassung Indiens betont die Gleichstellung aller Menschen - unabhängig von Geschlecht, Kaste, Religion, Klasse, Gemeinschaft oder Sprache. Bisher galt das auch für das Staatsbürgerschaftsrecht des Landes. Das jetzt verabschiedete neue Staatsbürgerschaftsgesetz - kurz CAB (Citizenship Amendment Bill) - atmet aber genau den gegenteiligen Geist: Es verstößt gegen alle diese Grundwerte und folgt in einem angeblich säkularen Land der Ideologie des Hindu-Nationalismus, indem es die Religion zum Schlüssel für die Staatsbürgerschaft macht.

Dieses Gesetz spricht allen Bestimmungen der indischen Verfassung Hohn, die das Recht der Bürger auf Gleichheit vor dem Gesetz und Nicht-Diskriminierung durch den indischen Staat garantieren. Das neue Recht, welches das Staatsbürgerschaftsrecht von 1955 ersetzt, zerstört hingegen die integrative Vision, die schon Indiens Kampf um die Freiheit von der britischen Kolonialherrschaft geleitet hat. Menschen, die in Bangladesch, Afghanistan und Pakistan verfolgt werden, können jetzt nur noch dann bevorzugt indische Staatsbürger werden, wenn sie keine Muslime sind.

Klare Diskriminierung von Muslimen

Indische Neubürger dürfen Sikhs, Buddhisten, Jains, Parsen, Christen und natürlich Hindus sein. Aber eben keine Muslime - selbst wenn sie verfolgten Minderheiten wie den Rohingya aus Myanmar oder den Ahmadiyyas aus Pakistan angehören.

Debarati Guha leitet die Asien-Programme

Was ist der Grund für diesen Ausschluss? Sind Muslime minderwertige Menschen? Oder sind die Flüchtlinge aus diesen Ländern gar nicht bedroht? Nein: Dies ist der erste erfolgreiche Versuch, Muslime per Gesetz von der Möglichkeit des Schutzes und der indischen Staatsbürgerschaft auszuschließen - aus keinem anderen Grund als der Religion.

Bereits nach ihrem Sieg bei den jüngsten Parlamentswahlen hat die Bharatiya Janata Party (BJP) von Premierminister Narendra Modi deutlich gemacht, dass sie Muslime künftig ignorieren will.

Neulich hat sogar der Oberste Gerichtshof Indiens einem Staatskonzern den Bau eines Tempels für den hinduistischen Gott Rama auf einem umstrittenen Standort in der Stadt Ayodhya erlaubt. Das umstrittene Land war einst der Standort der Babri-Masjid-Moschee aus dem 16. Jahrhundert. Sie wurde 1992 von einem wütenden hinduistischen Mob zerstört, der behauptete, vor dem Bau der Moschee habe dort ein Rama-Tempel gestanden. Faktisch hat das Oberste Gericht mit seinem Urteil der Mehrheit das Land zugesprochen und der Minderheit gesagt, sie möge bitte woanders hingehen.

Religion im Dienst der Politik

Gibt es in Indien tatsächlich keinen Widerstand gegen solch eine Politik? Natürlich gab es Proteste und Demonstrationen! Viele Intellektuelle und einfache Menschen haben Kritik geübt und sind aus Protest auf die Straße gegangen. Doch diese Kritik hat den Gesetzgeber nicht beeinflusst.

Das neue Staatsbürgerschaftsgesetz zeigt deutlich, dass Indien eine Flüchtlingspolitik braucht, die im Einklang mit dem Völkerrecht steht, nicht ein Gesetz, das diskriminiert und von einer Ideologie motiviert wird, welche die Religion für politische Zwecke nutzt. Dieses Gesetz trägt zur Spaltung des Landes bei und wird viel Leid auslösen.

Doch leider tritt es nun in Kraft, da es von beiden Kammern des Parlaments beschlossen wurde. Überraschenderweise wurde es sogar vom Oberhaus - dem Rajya Sabha - angenommen, in dem die BJP nicht einmal über die Mehrheit verfügt. Wenn sich die Dinge in Indien in diesem Tempo fortsetzen, wird es nicht mehr lange dauern, bis sich der grundlegend pluralistische Charakter dieses Landes verändert hat.