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Politik

Sage keiner, er hätte das nicht gewusst!

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Jens Thurau
7. September 2019

Wer die AfD wählt, weiß genau, was er da tut. Jens Thurau plädiert dafür, diese Wähler nicht länger wie Kinder zu behandeln, sondern ihnen klar zu sagen, dass sie mit ihrer Stimme der Demokratie Schaden zufügen.

Bild: picture-alliance/dpa/W. Steinberg

600.000 Menschen haben in Sachsen am vergangenen Wochenende der "Alternative für Deutschland" (AfD) ihre Stimme gegeben, 300.000 in Brandenburg. Fast eine Million Menschen in beiden Ländern finden also, dass sie mit ihren Problemen am besten bei einer Partei aufgehoben sind, in der immer mehr Rechtsextreme den Ton angeben, deren Spitzenkandidat in Brandenburg etwa große Teile seines Erwachsenlebens in rechtsextremen Kreisen verbracht hat. Diese Partei hat nicht eine wirkliche Antwort auf die Probleme des Landes, weder im Osten noch im Westen. Während sich die Menschen rund um den Globus Sorgen wegen des Klimawandels machen, leugnet die AfD einfach, dass der Mensch dafür verantwortlich ist. Die AfD hat kein Konzept zur Rente, keines zur Steuerfragen, zur Wohnungsnot, sieht man mal davon ab, dass am Ende aller Debatten immer Asylbewerber oder Ausländer die Schuld haben an den Problemen - oder im Zweifelsfall Angela Merkel.

Auf der Suche nach der richtigen Antwort

Viel ist geschrieben worden über die Sorgen der Menschen im Osten, über ihr Gefühl, abgehängt zu sein nach der Wende durch den Verlust von vielen Arbeitsplätzen. Dass ihre Biografien vor allem im Westen nicht anerkannt werden, schon gar nicht die in der DDR gelebten. Dass ländliche Regionen immer mehr an Zusammenhalt und Infrastruktur verlieren. Fehlende Gesundheitsversorgung. Ja, das alles ist richtig und ein großes Politikversagen. Aber die Antwort ist dann, eine Partei aus Ewiggestrigen, Demokratieverächtern, Nationalisten und Verehrern der Nationalsozialisten zu wählen?

Jens Thurau, DW-Politikredakteur

75 Prozent der Menschen, die in Sachsen und Brandenburg wählen gegangen sind, haben nicht die AfD gewählt. Es ist an der Zeit, mit diesen Menschen zu reden - auch wir in den Medien müssen das mehr tun - anstatt jeder bewussten Provokation der Rechtspopulisten hinterherzulaufen. Auch diese Menschen sind enttäuscht von der Politik, haben Angst vor ihrer Zukunft und die ihrer Kinder, aber sie paktieren deshalb nicht mit Akteuren, die die Axt an die Grundpfeiler der Demokratie legen. Und da sollte man sich nichts vormachen: Die Rechtspopulisten werden mit Wahlergebnissen wie denen vom Wochenende immer weiter in die Institutionen des Staates vordringen, in Beiräte von Kultur, Wirtschaft und öffentlichen Einrichtungen. Und sie werden sie verändern, ins Autoritäre, Anti-Demokratische. Sie sind keine Freunde von Internationalität und Pluralismus.

In meiner Heimatstadt Flensburg ganz oben im Norden Deutschlands haben sich die Dinge auch innerhalb weniger Jahre verändert. Die Bundeswehr hat viele Standorte aufgegeben, die lange Zeit nach dem Krieg in der wirtschaftsschwachen Region strukturbildend waren. In der Werft arbeiten bei weitem nicht mehr so viele Menschen wie früher. Auf die Idee, deshalb die Feinde der Demokratie zu wählen, ist trotzdem kaum jemand gekommen. Wenn demnächst die Regierung ihr Konzept zum Kohleausstieg umsetzt und bis 2038 (immerhin sind das dann doch noch knapp 20 Jahre) die Braunkohletagebaue in der Lausitz geschlossen werden, dann steht jetzt schon fest, dass Milliarden in die Region fließen, auch, um den Rechtspopulisten dort keine neuen Argumente zu liefern. Wird das ab jetzt immer so sein, dass in Regionen, in denen die Menschen zu den Rechtspopulisten gehen, Milliarden fließen, während dort, wo die Menschen auch unter Veränderungen leiden, aber  demokratisch anständig bleiben, solche Hilfen ausbleiben?

Die Legende von der Protestwahl

War das eine "Protestwahl" am vergangenen Wochenende? Vielen sagen das so, Politiker und AfD-Wähler selbst. Also ist die Stimmabgabe für eine Partei, deren Vorsitzender den Holocaust als "Vogelschiss" in der Geschichte umschreibt, gar nicht ernst gemeint, nur ein Warnschuss? Das galt schon vor dem vergangenen Wochenende nicht. Jeder, der wollte, konnte sich darüber informieren, mit wem man es bei der AfD zu tun hat. Vielleicht benutzt der eine oder andere die Unzufriedenheit im Osten ja auch nur, um endlich mal da sein Kreuz zu machen, wo er selbst ideologisch auch hingehört: gegen Ausländer, egal, woher sie kommen, egal, wie lange sie bei uns leben. Und gegen die lästige Demokratie.

Es gibt jede Menge brennende Themen in Deutschland: die Demografie, die Renten, die Altersarmut, das Klima. Die immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich. Unzählige Politiker, Institutionen, Verbände machen sich darum Sorgen. Demokratie heißt, daraus Kompromisse zu schmieden und Lösungen zu suchen. Die AfD hat an solchen Kompromissen kein Interesse. Und ihre Wähler schaden der Demokratie.

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