1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Afghanistan-Diplomatie nicht am Ende

Weigand Florian Kommentarbild App
Florian Weigand
8. September 2019

Am Ende hatte ein getöteter US-Soldat ausgereicht, um die Gespräche mit den Taliban zu beenden. Aber weder die USA noch die Taliban sind wirklich am Scheitern des Abkommens interessiert, meint Florian Weigand.

Bild: AFP/K. Jaafar

Wäre es bei den Dutzenden von Afghanen geblieben, die allein in der vergangenen Woche bei Taliban-Angriffen ums Leben gekommen sind, hätte US-Präsident Donald Trump den Taliban heute persönlich die Hand gegeben und - auch das war nicht auszuschließen - womöglich auch seine Unterschrift unter das Abkommen zwischen den USA und den Taliban gesetzt.

Zugegeben: Tote gegen Tote aufzurechnen ist zynisch, aber genau dieser Logik folgt der US-Präsident in seinen Tweets. Er weiß genau, dass ein Handschlag mit denjenigen, die gerade erst einen Amerikaner getötet haben, Gift für seine Kampagne im heraufdämmernden Wahlkampf wäre. Wie so häufig folgt er damit seinem Instinkt für die Stimmung des Augenblicks in den USA. Die Konsequenzen für die Zukunft anderswo auf der Welt? Egal. Aber ist damit das fast einjährige Ringen um eine Friedensperspektive am Hindukusch wirklich aus und vorbei?

Beide Seiten wollen ein Abkommen

Die Frage ist - Stand heute - mit einem klaren Nein zu beantworten. Die Taliban haben zwar gedroht, dass sie die Attacken auch in Zukunft nicht aussetzen werden und damit noch mehr Amerikaner getötet werden. Auch kontrollieren sie große Teile Afghanistans und können ungeniert angreifen, wo immer sie wollen, auch im Zentrum der Hauptstadt Kabul. Dennoch ist auch Ihnen klar: Der Krieg in Afghanistan ist für sie im Durchmarsch nicht zu gewinnen, solange dort die westlichen Streitkräfte mitmischen. Wäre es anders, hätten sie sich nie mit dem Erzfeind USA an einen Tisch gesetzt.

Florian Weigand leitet die Paschtu-Redaktion der DWBild: DW/P. Böll

Und auch in Washington wird nach der emotionalen Twitter-Rhetorik wieder diplomatische Nüchternheit einkehren. Das Abkommen schien einem Abschluss so nahe wie noch nie, auch wenn jetzt wieder Berichte darüber aufkommen, dass doch mehr Ungeklärtes auf der Agenda steht als bisher zugegeben. Das könnte nun ein tieferer Grund für die Absage Trumps sein, die er natürlich lieber mit patriotischer Solidarität zu einem getöteten Soldaten umkleidet. Das kommt bei seinen Wählern ohne Frage besser an.

Und was macht die afghanische Regierung?

Doch dieses Abkommen deswegen leichtfertig in die Mülltonne treten - das kann auch Trump nicht wollen. Immerhin stünde damit ein wichtiges Wahlversprechen auf dem Spiel: Der schnelle Abzug aller US-Truppen aus Afghanistan. Und auf diesem Weg soll es bitte keine weiteren toten Soldaten geben. Da ist das Risiko einfach zu groß, dass sich die Taliban mit gezielten, tödlichen Angriffen auf Amerikaner zurück an den Verhandlungstisch bomben. Die Opfer würden im Wahlkampf auf das Konto von Trump gebucht.

Aber auch die Taliban wären gut beraten, ihre Gewaltdiplomatie endlich zu überdenken. Nach den Tweets aus Washington sollten auch sie begriffen haben, dass ihre Bomben nicht die Bresche für einen schnellen Erfolg herbeisprengen können.

Und ja, es gibt noch eine dritte Partei, die von den USA und den Taliban bisher systematisch an die Seite gedrückt wurde, aber nun doch zaghaft wieder an Bedeutung gewinnen könnte: die afghanische Regierung. Gegen alle Widerstände möchte sie noch im September Wahlen durchführen, um ihre Legitimität mit einer neuen Bestätigung an der Wahlurne zu unterstreichen. Lange stand dieses Vorhaben auf der Kippe. Nun sind es bis dahin nur noch drei Wochen - spannende Tage stehen bevor, selbst ohne neue Überraschungs-Tweets von Trump.