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Kommentar: Afghanistans erste Etappe zum Rechtsstaat

Florian Weigand14. Juni 2014

Die Afghanen zeigen ihren Willen zum demokratischen Wechsel. Die USA dürfen aber mit einem überhasteten Abzug nicht die gleichen Fehler begehen wie im Irak, meint Florian Weigand.

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Bild: DW/P. Henriksen

"Ballots, not Bullets!" - "Stimmzettel statt Kugeln" haben unbekannte Graffiti-Künstler in bunten Lettern an eine afghanischen Hauswand gesprüht, daneben eine Friedenstaube. Ein Bild, das gleich in zweifacher Hinsicht Symbolkraft hat. Trotz sehr realer Lebensgefahr sind die Afghanen erneut an die Urnen geeilt. Nachdem sich im ersten Wahlgang im April keiner der Präsidentschaftskandidaten durchsetzen konnte, war eine Stichwahl nötig. Mit ihrer Stimmabgabe ermöglichen die Afghanen erstmals in der Geschichte des Landes einen friedlichen, demokratischen Machtwechsel. Und sie warben dafür mit Ausdrucksmitteln der modernen Zeit - mit Graffiti, auf Twitter und Facebook. Keine Frage: Was auch das Ergebnis der Wahl sein wird, Afghanistan ist nicht mehr das gleiche Land wie vor 15 Jahren, als noch die Taliban regierten.

Es ist schwer, sich der Emotionalität dieses historischen Augenblicks zu entziehen. Waren die Anstrengungen und die Milliarden von Hilfsgeldern der internationalen Gemeinschaft in den vergangen zwölf Jahren doch nicht umsonst? Gelingt das Experiment, Demokratie zu etablieren, ausgerechnet in Afghanistan, das viele schon wieder auf dem Weg zum gescheiterten Staat gesehen haben? Das Land leuchtet in diesen Tagen umso heller, weil die Nachrichten aus anderen Staaten der islamischen Welt besonders düster sind. Syrien findet keinen Ausweg aus dem Bürgerkrieg, im Irak sind islamistische Kräfte im Vormarsch auf Bagdad und in Pakistan greifen die Taliban den Flughafen der Millionenmetropole Karachi an, während in Ägypten und in Libyen die hoffnungsvollen Blüten des Arabischen Frühlings schon längst wieder verdorrt sind.

Ein näherer Blick zeigt aber, dass auch Afghanistan noch einen langen, steinigen Weg vor sich hat, immer nahe am Abgrund. Korruption, eine schwache Wirtschaft und tribale Strukturen sind immer noch große Hindernisse auf dem Weg zu einem modernen Rechtsstaat. Beide Kandidaten, der ehemalige Außenminister Abdullah Abdullah und sein Konkurrent Ashraf Ghani, vormals Finanzminister, haben gute Chancen. Die Versuchung, ein knappes Ergebnis um einige, vielleicht fehlende Prozentpunkte mit Manipulationen nach oben zu korrigieren, ist daher groß. Ein Präsident, der nur mit Wahlbetrug ins Amt kommt, wäre aber ein schwacher Staatschef.

Und die Sicherheitslage bleibt angespannt: Der große Knall blieb zwar aus, dennoch gab es über 150 kleinere Angriffe und Anschläge während den Wahlen. Dass die Aktionen der Taliban in der Summe dennoch weit hinter den Befürchtungen zurückblieben, darf nicht als ihre Schwäche ausgelegt werden. Sicher haben die afghanischen Soldaten und Polizisten ihr Bestes gegeben. Im Nachbarland Pakistan mit seiner hocheffizienten Armee und einem berüchtigten Geheimdienst konnten die Extremisten jedoch auf einen hochgesicherten Flughafen vordringen. Ein vergleichbares Vorgehen in Afghanistan, etwa in Kabul, wäre für die "Gotteskrieger" wahrscheinlich nicht viel mehr als ein Manöver unter verschärften Gefechtsbedingungen. Wer auch immer mit den Radikalislamisten verhandelt hat, um die Gewalt zu drosseln, ihr Stillhalten wurde wohl mit Versprechen erkauft, die die Taliban in der Zukunft einfordern werden. Sie bleiben weiter ein Machtfaktor am Hindukusch.

So muss die internationale Gemeinschaft weiterhin aktiv bleiben. Das Beispiel Irak führt deutlich vor Augen, dass ein überhasteter Abzug innenpolitisch zwar kurzfristig Pluspunkte bringt, geopolitisch aber ins Desaster führen kann. Washington und seine Verbündeten sollten die Entscheidung, Afghanistan bereits Ende 2016 zu verlassen, noch einmal auf den Prüfstand stellen.

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