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Politik

Afrika schottet sich ab

8. Juli 2018

Grenzschützer in der Wüste, Lager in Nordafrika - Europa wird oft vorgeworfen, es schiebe seine Verantwortung für Flüchtlinge anderen zu. Doch die wirklich Verantwortungslosen sitzen anderswo, meint Jan-Philipp Scholz.

Bild: picture-alliance/dpa/AP/Küstenwache Lybien

Abschottung! Abschied von unseren Werten! Ausbau der europäischen Festung! Es gibt viele griffige Formeln, mit denen sich Europas aktuelle Migrations- und Asylpolitik beschreiben lässt. Schutz der Außengrenzen und geschlossene Lager - am besten weit weg von europäischem Boden - sind die Konzepte der Stunde. Getrieben werden Europas Regierende dabei vom Erfolg der Populisten (sofern sie nicht schon selbst welche sind) und der realen Gefahr eines Scheiterns der Europäischen Union. Das Einknicken von Angela Merkel, der einstigen Kanzlerin der Willkommenskultur, vor ihrem Innenminister Horst Seehofer und das "Maßnahmenpaket" der Bundesregierung sind nur vorläufige, sicherlich noch keine endgültigen Höhepunkte.

In der Tat sind viele Schritte Europas kritikwürdig. Der Versuch, den Schutz der europäischen Grenzen immer weiter in die Sahara vorzuverlegen, die Kriminalisierung von Seenot-Rettern im Mittelmeer und die Zusammenarbeit mit fragwürdigen Regimen zeigen: Europa schottet sich ab. Und schiebt damit die Verantwortung für die wandernden Menschen anderen zu. Was allerdings bei dieser einseitigen Schuldzuweisung untergeht: Eine ganz ähnliche Strategie verfolgen auch die Herkunftsländer vieler dieser Migranten, insbesondere in Afrika. Auch sie schieben die Verantwortung für ihr politisches Versagen anderen zu. Und auch sie betreiben eine konsequente Abschottungspolitik. Sie schotten sich vor genau den gleichen Menschen ab wie Europa - nur sind es für sie keine irregulären Migranten, sondern ihren eigenen Staatsbürger.

Das Mittelmeer als "Ventil"

Seit Jahren führt die deutsche Regierung eine Liste sogenannter "Problemstaaten". Mehr als ein Dutzend Länder stehen darauf, darunter auch viele der typischen Herkunftsländer afrikanischer Migranten wie Nigeria und Mali. Diese Problemstaaten machen es den europäischen Behörden schwierig bis unmöglich, abgelehnte Asylbewerber schnell und effektiv in die Heimat zurückzubringen. Aus Sicht dieser Länder ist diese Politik durchaus sinnvoll: Auf dem Papier handelt es sich zwar oft um Demokratien - in der Realität werden diese Staaten jedoch von einer kleptokratischen Elite beherrscht, die ihre eigene Bevölkerung in erster Linie als Störfaktor sieht. Vor allem die vielen jungen, arbeitslosen Männer sieht die etablierte Klasse dort mit besonderem Argwohn - könnte doch ihre Frustration irgendwann in politischen Widerstand umschlagen. Wie gut, dass es da das "Ventil" Mittelmeer gibt.

Jan-Philipp Scholz ist regelmäßig als DW-Reporter in Afrika unterwegs

Ein anderer Grund, warum die Machthaber ihre eigenen Staatsbürger so ungern zurücknehmen, sind handfeste wirtschaftliche Interessen: Durch Rücküberweisungen von Migranten fließt mehr Geld in die Länder, als durch die gesamte staatliche Entwicklungshilfe des Westens. Und dieses Geld kommt ohne lästige Belehrungen in Sachen guter Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit. Die ausbeuterischen Verhältnisse und die rechtlichen Grauzonen, in denen die Migranten das Geld verdienen, das sie dann so pflichtbewusst nach Hause schicken, sind diesen Machthabern ziemlich egal.

Ebenso egal scheint ihnen zu sein, dass diese Politik der Abschottung vor den eigenen Staatsbürgern gegen alle Verträge und völkerrechtlichen Vereinbarungen verstößt. Doch trotz aller Lippenbekenntnisse aus Afrika und finanziellen Anreizen aus Europa wird sich daran wohl so schnell nichts ändern: Kaum ein afrikanisches Land hat sich bisher bereit erklärt, ein Rücknahmeabkommen mit Europa abzuschließen, in dem der Prozess der Rückführung von Migranten ohne Schutzstatus verbindlich geregelt wird. Damit tragen diese Länder nicht unerheblich zur aktuellen Krise des europäischen Asylsystems bei. Denn dieses kann nur auf breite Akzeptanz stoßen, wenn es auch funktioniert. Das heißt, wenn jene, die nach gewissenhafter rechtsstaatlicher Prüfung keinen Schutzanspruch haben, auch zurückgeschickt werden können. Eine Forderung übrigens, die auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen erhebt.

Druck erhöhen und Angebot machen

Was also kann Europa tun, damit es aufgrund seiner Angst vor Überforderung nicht gleich sämtliche Werte über Bord wirft? Es muss den politischen Druck auf jene Länder erhöhen, die sich der Verantwortung gegenüber ihrer eigene Bevölkerung entziehen. Und da Druck alleine selten hilft, muss die EU dies mit einem Angebot verbinden. Dazu gehört auch eine wohl eher unpopuläre Maßnahme: Europa muss begrenzte Kontingente für Arbeitsmigranten aus diesen Ländern schaffen. Für die große Mehrheit jener sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge also, die weder politisch verfolgt werden noch zu den "hochqualifizierten Fachkräften" gehören. Menschen, die einfach ein besseres Leben suchen und bereit sind, dafür hart zu arbeiten. Diese Idee wird nicht allen gefallen, aber sie ist ein pragmatischer Schritt, Europa vor seiner Zerstörung von innen zu bewahren.

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