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Politik

Alle aufzunehmen, wäre keine Lösung

23. Dezember 2019

Die Forderung von Grünen-Chef Habeck, Deutschland solle mehrere tausend Flüchtlingskinder aus Griechenland aufnehmen, würde das Problem nicht lösen, sondern längerfristig noch vergrößern, meint Christoph Hasselbach.

Das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Rund 14.500 Menschen leben hier unter katastrophalen BedingungenBild: InfoMigrants/Aasim Saleem

Gerade kurz vor Weihnachten fällt es schwer, Habecks Vorschlag nicht spontan zuzustimmen. Heinrich Bedford-Strohm, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, unterstützt die Idee und weist darauf hin, auch Jesus sei als Kind schon kurz nach seiner Geburt mit seiner Familie zum Flüchtling geworden. Wen die Bilder des Elends in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln kalt lassen, während er sich zuhause auf gemütliche Feiertage vorbereitet, der hat kein Herz. Und wer in dieser Situation auf ein einheitliches Handeln der Europäischen Union hofft, kann lange warten und setzt sich dem Verdacht aus, das Problem nur wegzuschieben.

Und doch liegt Habeck falsch. Denn die Aufnahme von mehreren tausend Kindern wäre in mehrfacher Hinsicht das falsche Zeichen.

Sogeffekt

Falsch in erster Linie, weil die Geste leicht eine neue Migrationswelle auslösen würde: Bei den Minderjährigen würde es schließlich nicht bleiben; schon aus Gründen der Humanität würde man später auch deren Angehörige nach Deutschland holen. Sobald aber in Herkunfts- und Transitländern bekannt wird, dass es eine neue Chance auf ein Leben in Deutschland gibt, werden noch viel mehr Menschen versuchen, von der türkischen Küste zu den griechischen Inseln überzusetzen. Die Lager dort würden damit nicht leerer, sondern noch voller werden. Wie die Seenotrettung im Mittelmeer ist es eine unendliche Spirale: Sobald man Migranten in Europa aufnimmt, zieht das neue Fluchtbewegungen nach sich.

DW-Redakteur Christoph Hasselbach

Falsch ist Habecks Vorschlag auch, weil Griechenland und die gesamte EU durch eine einseitige deutsche Aufnahmebereitschaft aus der Verantwortung entlassen würden. Entwicklungsminister Gerd Müller sagt aus eigener Anschauung, dass die Hilfe in afrikanischen Flüchtlingslagern in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen besser organisiert sei als in Griechenland. Dabei schickt Deutschland bereits Hilfsgüter auf die griechischen Inseln. Genauso wichtig allerdings ist: Deutschland und die EU unterstützen die griechische Asylbehörde, damit die Asylanträge schneller geprüft werden können.

Das wird in der Asyldiskussion leider oft vergessen: Asyl kann und darf nur bekommen, wer einen Anspruch darauf hat. Dazu zählen Krieg oder Bürgerkrieg im Herkunftsland oder persönliche Verfolgung - nicht aber wirtschaftliche Not. Doch Habeck scheint es auf die Unterscheidung gar nicht anzukommen, wenn er pauschal alle Minderjährigen aufnehmen will. Genau das ist aber bis heute das große Dilemma auch von Angela Merkels Flüchtlingspolitik, das mit zum Aufstieg der Rechtspopulisten geführt hat: Wer kein Recht auf Asyl hat, kann in aller Regel trotzdem in Deutschland bleiben, weil eine Abschiebung meist unmöglich ist. Doch die eigene Bevölkerung in Deutschland fragt sich zunehmend, wozu wir eigentlich Asylverfahren haben, wenn deren Ergebnis am Ende gar nicht über das Aufenthaltsrecht und den Verbleib im Land entscheidet.

Die Lehre von 2015/16

Soll Deutschland also gar nichts für die Menschen in den Lagern tun? Doch. Wenn es um eine sehr begrenzte Aufnahme in Einzelfällen geht, sollte das möglich sein. Aber nur von Menschen, die eine Bleibeperspektive haben, deren Asylanspruch also bereits geprüft wurde. Priorität bei den Überlegungen sollte jedenfalls haben, die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern.   

Wer das herzlos findet, soll sagen, wie er Migration begrenzen will. Denn dass sie begrenzt und gesteuert werden muss, ist überdeutlich die Lehre von 2015/16. Wer jedem Asyl gibt, zerstört das Asylrecht. Das sollte uns auch in einer weihnachtlich-gefühligen Zeit bewusst sein.

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