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Kommentar: An der eigenen Agenda vorbei

31. Juli 2015

Das IOC weiß nicht zu überraschen und vergibt die Winterspiele 2022 an Peking. Damit handeln die Funktionäre den hehren Zielen ihrer Agenda 2020 komplett zuwider, meint DW-Sportredakteur Andreas Sten-Ziemons.

Bild: picture-alliance/dpa/W. Hong

Einen idealen Kandidaten für die Austragung der Olympischen Winterspiele gab es nicht, so viel stand schon vor der Wahl in Kuala Lumpur fest. Sowohl in Kasachstan, das Almaty ins Rennen schickte, als auch in China, das mit Peking nach den Sommerspielen 2008 auch die Winterspiele ins Reich der Mitte holen wollte, lässt die Menschenrechtssituation zu wünschen übrig. Echte Demokratie, Presse- und Meinungsfreiheit gibt es dort nicht, dafür aber die Möglichkeit, im autokratischen System einen reibungslosen Ablauf der Winterspiele und deren Vorbereitung zu gewährleisten.

Nun gehen die Spiele also nach Peking, was "spontan" mit einer in bester kommunistischer Tradition inszenierten Jubelfeier vor dem "Vogelnest", Pekings Olympiastadion von 2008, gefeiert wurde. Die Entscheidung der IOC-Mitglieder für Peking und gegen Almaty ist keine Überraschung, auch wenn das Ergebnis mit 44:40 Stimmen letztlich knapper ausfiel als erwartet. Bereits im Vorfeld deuteten alle Anzeichen auf einen Sieg der chinesischen Hauptstadt hin.

Inwieweit die Vergabe der Winterspiele an Peking nach den teuren Spielen von Sotschi 2014 aber eine Verbesserung oder Veränderung im Sinne der IOC-Agenda 2020 darstellt, bleibt schleierhaft. Die Spiele in Sotschi 2014, mit denen sich Russlands Präsident Putin schmückte, sollen rund 50 Milliarden Euro verschlungen haben. Ein Naturreservat wurde für den Bau von Sportstätten und Infrastruktur regelrecht rasiert. Schwere Umweltschäden sind die Folge. Nachhaltigkeit Fehlanzeige: Genutzt werden die entstandenen Sportstätten und Hotels kaum.

Andreas Sten-Ziemons

Die Agenda 2020, angeschoben von IOC-Präsident Thomas Bach und mit großer Mehrheit im Dezember 2014 verabschiedet, fordert weniger Gigantismus und mehr Nachhaltigkeit, Rücksicht auf regionale Gegebenheiten, auch der Umweltschutz soll ganz oben auf der Prioritätenliste stehen.

Peking als Sotschi 2.0?

Die Vergabe der Winterspiele an Peking stellt diese Forderungen nun komplett auf den Kopf. In Peking schneit es vergleichsweise selten, die Stadt hat keine Wintersporttradition und dementsprechend auch keine geeigneten Sportstätten. Abgesehen von den Hallen für die Eiswettbewerbe, die in den Olympiastätten der Sommerspiele von 2008 stattfinden sollen, muss für die übrigen Sportarten alles neu gebaut werden.

Die alpinen Skiwettbewerbe werden in das rund 90 Kilometer weit entfernte Bergareal Yanqing verlegt, das aufwendig zum Olympia-Wintersportgebiet ausgebaut werden muss. Sehr geeignet ist es nicht, die Höhenunterschiede der Abfahrten entsprechen dort gerade noch so den Mindestanforderungen des Skiweltverbandes FIS. Skispringer, Biathleten und Skilangläufer sind sogar noch weiter weg vom Schuss - nämlich im 190 Kilometer entfernten Skigebiet Zhangjiakou.

Die Skigebiete rund um Peking sind nicht schneesicherBild: picture-alliance/dpa/A. Bradshaw

Hier fällt genau wie in Yanqing kaum genug Schnee, um Wintersportwettbewerbe abzuhalten. Die weltweit führenden Hersteller von Schneekanonen dürfen sich daher schon mal über eine rege Nachfrage aus China in den kommenden Jahren freuen.

Almaty ist dagegen eine Wintersportstadt. Die Sportstätten für die meisten Wettbewerbe sind bereits vorhanden und liegen in einem Umkreis von etwa 40 Kilometern beeinander.

Kein Anreiz für weitere Bewerbungen

Offiziell planen die Chinesen mit einem vergleichsweise schmalen Etat von 3,08 Milliarden Euro. Allerdings wird allein schon der Ausbau der Bahnverbindungen mit Hochgeschwindigkeitszügen zwischen Peking und den Skigebieten für die alpinen und nordischen Wettbewerbe Milliarden verschlingen - auch der Bau der Sportstätten wird einiges kosten.

Man darf daher wohl getrost davon ausgehen, dass das veranschlagte Budget genauso gesprengt wird, wie die zwei Dörfer, die den geplanten neuen Pisten noch im Wege stehen. Nicht ohne Grund gab es in anderen Bewerberstädten wie St. Moritz, Oslo, Stockholm oder München letztlich doch keine Kampagne.

Spiele der geringen Kosten, der Nachhaltigkeit, der Umweltverträglichkeit und der kurzen Wege im Jahr 2022 hätten diese potentiellen Olympiakandidaten davon überzeugen können, sich in der Zukunft möglicherweise doch noch einmal zu bewerben. Doch mit der Vergabe der Winterspiele 2022 an Peking hat das IOC diese Chance eindeutig verpasst.

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