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Politik

Andrea Nahles muss jetzt kämpfen

13. Februar 2018

Was passiert, wenn man Brandbeschleuniger in eine brennende Hütte wirft? Das, was der dilettantisch inszenierte Führungswechsel in der SPD gerade anrichtet. Das hätte man wissen müssen, meint Sabine Kinkartz.

Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Martin Schulz hat in der SPD viel Chaos gestiftet. Den größten Schaden könnte der einstige Heilsbringer aber in seinem Abgang angerichtet haben. Seine Nachfolge im kleinsten Zirkel abzusprechen und sie der Partei zu diktieren, das hat die SPD-Basis noch wütender gemacht, als sie es ohnehin schon ist. Wer Schulz vor einer Woche zuhörte, als dieser der Öffentlichkeit die Personalie Andrea Nahles mitteilte, dem muss kurz die Luft weggeblieben sein. So wie Schulz den Führungswechsel bekannt gab, schien die Wahl der 47-jährigen Fraktionsvorsitzenden durch einen Sonderparteitag nur noch eine Formalie zu sein.

Der SPD etwas verordnen? Von ganz oben? Ausgerechnet jetzt, wo das Misstrauen zwischen der Basis und der Parteiführung ein nie gekanntes Ausmaß angenommen hat? Was mag Schulz und was Andrea Nahles geritten haben? Wer nur ein bisschen Ahnung von der SPD und ihren Befindlichkeiten hat und das kann man von den beiden doch erwarten, der musste wissen, was passieren würde. Politische Führung sieht anders aus.

Was hat sie geritten?

Natürlich drängt sich die Vermutung auf, dass Nahles die Gunst der Stunde nutzen, Fakten schaffen und sich den Posten sichern wollte. Schulz handelte wahrscheinlich in bester Absicht, sah in der Fraktionsvorsitzenden die Frau, die das drohende Machtvakuum in der SPD füllen würde. Doch beide hatten sich verkalkuliert und es bleibt abzuwarten, ob sie damit nicht auch die Chancen von Andrea Nahles, die erste Frau an der Spitze der SPD zu werden, verringert haben.

DW-Korrespondentin Sabine Kinkartz

Zwar wird die Volte des Parteivorstands, statt Nahles bis zum Sonderparteitag am 22. April den SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz zum kommissarischen Parteichef zu machen, die Lage nicht weiter verschärfen. Doch ohnehin brennt in der SPD die Hütte lichterloh. Und das nur eine Woche vor dem Beginn des Mitgliederentscheids über den Koalitionsvertrag. Eine Abstimmung, die ohnehin Spitz auf Knopf steht. Wenn sich nun der lange aufgestaute Frust der Genossen in der Form entlädt, dass keiner mehr über die Inhalte des Vertrags reden will, sondern nur noch über Personalien schimpft, dann kann die SPD das nun wirklich nicht gebrauchen.

Geht es noch schlimmer?

Zerstritten, orientierungslos und im freien Fall, so steht die Partei zu Beginn des Jahres 2018 da. Laut aktuellen Umfragen würden derzeit weniger als 17 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei den Sozialdemokraten machen. Eine Volkspartei wäre die SPD damit endgültig nicht mehr. Nur noch gut ein Prozent trennt sie von der AfD. Was für ein Drama. Zuerst kommt die Linkspartei und gräbt den Genossen das Wasser ab, dann besetzt die CDU die noch verbliebenen sozialen Themen und jetzt machen auch die Rechtspopulisten Anstalten, inhaltlich bei den Sozialdemokraten zu wildern.

Wie wird Andrea Nahles damit umgehen? "Trümmerfrau" wird sie schon genannt, weil sie die Partei wiederaufbauen muss, wie die deutschen Frauen die zerstörten Städte nach dem Zweiten Weltkrieg. So hatte sich Nahles ihren Aufstieg an die Spitze sicherlich nicht vorgestellt. Juso-Vorsitzende, SPD-Generalsekretärin, Ministerin, SPD-Fraktionsvorsitzende, SPD-Chefin. Klingt nach einer stringenten Karriere und ist es auch, würde Andrea Nahles tatsächlich zur Vorsitzenden gewählt.

Eigentlich liebt die Partei sie

Dreimal war sie am Abgang eines SPD-Vorsitzenden beteiligt, weiß Strippen zu ziehen, hat Machtpolitik praktisch von der Pike auf gelernt. Aber genau das macht sie für viele in der SPD, die sich einen Neuanfang wünschen, auch verdächtig. Ist sie nicht Teil des Establishments, eben jener Führung, der die Partei so abgrundtief misstraut? Andrea Nahles wird in den nächsten Wochen zeigen müssen, ob sie die Partei wieder hinter sich vereinen kann. Eigentlich lieben sie die Genossen. Trotzdem kann sie sich nicht sicher sein und eine Gegenkandidatin gibt es mit der Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange auch schon.

Aber Nahles ist eine Kämpferin. Das war sie immer und der SPD-Vorsitz ist der Posten, den sie langfristig schon immer im Blick hatte. Und wer weiß, vielleicht wiederholt sich ja Geschichte. War es nicht eine Frau, die vor genau 18 Jahren ebenfalls als "Trümmerfrau" antrat, um ihre Partei aus einem zuvor nie gekannten Chaos heraus zu führen? Deren Vorsitzender (ebenfalls) im Februar zurückgetreten war und die dann (ebenfalls?) im April zur Parteichefin gewählt wurde? Fünf Jahre später wurde CDU-Chefin Angela Merkel bekanntlich auch noch Bundeskanzlerin.

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