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Politik

Merkel muss sich noch nicht sorgen

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
29. Januar 2017

Keine überraschende Wende, keine neuen Themen: Die erste Rede des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz blieb im erwarteten Rahmen. Dennoch ließ Schulz erkennen, mit welchen Strategien er spielt, sagt Kay-Alexander Scholz.

Bild: Reuters/F. Bensch

Vielleicht lag es daran, dass Martin Schulz - der Überraschungskandidat der SPD für das Kanzleramt - selbst erst seit kurzem davon weiß. Vielleicht hatte er noch nicht ausreichend Zeit, sich einen Plan zu machen. Seine fast einstündige - als programmatisch angekündigte - Rede bei einer SPD-Klausur in Berlin blieb vage. Er riss alle möglichen Themen an, von der Kinderbetreuung über Digitalisierung bis zur Terrorbekämpfung. Doch Unterschiede zur Politik der Koalitions-Regierung unter Angela Merkel, waren wenige zu erkennen.

Politischer Hauptstadtkorrespondent Kay-Alexander ScholzBild: DW/S. Eichberg

Die Rede sollte zuvorderst an die eigene Partei gerichtet sein. Im März und im Mai werden zwei Parteitage der SPD stattfinden, auf denen dann Konkretes zu hören sein werde, kündigte Schulz an. Auf jeden Fall aber soll die SPD wieder stärkste Kraft im Bund und er selbst Kanzler werden.

Hoffnungsträger der Partei-Linken?

Wohin Schulz, auch als zukünftiger SPD-Vorsitzender, inhaltlich gehen wird, war jedoch nicht eindeutig zu erkennen. Zum einen hat er eine Fundamentalkritik versucht, ähnlich wie Bernie Sanders in den USA oder Benoît Hamon in Frankreich. Der neoliberale Zeitgeist habe das Land ausgeblutet und dazu geführt, dass es immer weniger Polizisten gebe, Stichwort: schlanker Staat. Nun brauche es wieder mehr soziale Gerechtigkeit.

Nur wirkt es nicht glaubhaft, wenn Schulz, wie er es in seiner Rede ausgiebig tat, gleichzeitig die lobt, die in den vergangenen Jahren diese Entscheidungen mitgetragen oder initiiert haben. Sei es der ehemalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010 oder seien es SPD-Ministerpräsidenten, die auf dem Land Polizeiwachen geschlossen haben. Schulz, bisher nicht gerade als Partei-Linker bekannt, müsste einen viel stärkeren Cut machen, wollte er das weiterführen.

Auf der Populismus-Welle

Gleichzeitig flirtet Schulz mit der Rolle des "Anwalts der kleinen Leute". Das könnte vielleicht besser zu ihm passen. Schulz wurde in den vergangenen Tagen in der Öffentlichkeit dafür kritisiert, dass er aus der Provinz komme, kein Abitur habe und ein trockener Alkoholiker sei, der auch schon einmal auf der schiefen Bahn war. Aus diesen Schwächen will Schulz Stärken machen. Er sei mit diesen Erfahrungen wie die Mehrheit im Land, sagte er trotzig. Er kenne die Alltagssorgen der Menschen, auch ihre Ängste.

Es ist im Zuge einer grassierenden Eliten-Kritik derzeit populär, Appelle an die sogenannten kleinen Leute zu senden. Denn diese wechseln überall in der westlichen Welt zu populistischen Parteien. Auch der Front National sei, so schrieb der Politologe Dirk Jörke jüngst in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", auf dem Weg zu einer "sozialdemokratischen Partei mit nationalstaatlichem Fokus". Jörke hofft, dass die deutsche Sozialdemokratie diesen Trend in Deutschland noch aufhalten könne.

Das scheint Schulz auch zu wollen. Er will eine SPD, die "Bollwerk gegen wütenden Nationalismus" und "Dialogpartner im Kampf gegen rechts" ist. Deshalb sieht er es als "Gebot der Stunde" an, die Gesellschaft zusammenzuhalten, vorhandene Gräben zu überwinden und eine Spaltung wie in den USA zu verhindern.

Noch acht Monate bis zur Bundestagswahl

Niemand weiß im Moment, wie es international in den nächsten Monaten weitergeht. Was Trump bewirken wird, wie die Wahlen in Den Haag und Paris ausgehen. Ob es neue Terroranschläge gibt. Ob die Flüchtlingszahlen wieder steigen. Sollte Schulz nah an der Aktualität und am Zeitgeist bleiben, dann dürfte die Stimmung in der SPD so optimistisch bleiben, wie sie derzeit ist.

Sollte es der SPD dann kurz vor der Wahl geglückt sein, den Abstand zur CDU von derzeit knapp 16 Prozent zu verkleinern, wird das aber auch ganz andere Wähler mobilisieren. Zum einen die von der CDU, weil es dann darum gehen wird, Merkel zu unterstützen. Nach dem Motto: Besser als die SPD ist die Kanzlerin allemal. Die CDU könnte dann auf ihre Reserve zurückgreifen. Demoskopen gehen davon aus, dass die CDU noch immer ein strategisches Potential von 50 Prozent hat. Auch potentielle AfD-Wähler könnten an die Wahlurnen getrieben werden. Denn Schulz hat die Partei als "Schande für Deutschland" und ihre Politiker als "Rattenfänger" bezeichnet. Das wird die AfD für sich zu nutzen wissen. Auf jeden Fall könnte der Wahlkampf spannend werden und vielleicht die Demokratie in Deutschland stärken.

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