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Politik

Merkel und die Ehe für alle

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Gero Schließ
27. Juni 2017

Eher halbherzig rückt die Kanzlerin vom Nein gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Aus reinem Machtkalkül, meint Gero Schließ. Aber am Ende ist es eine gute Botschaft für die Homosexuellen - und für Deutschland.

Bild: picture-alliance/AP

Na endlich. Lange hat es gedauert. Zu lange! Aber jetzt endlich hat sich Angela Merkel einen Ruck gegeben: Sie hat ihre bisherige Ablehnung gegen die Ehe für alle aufgegeben. Die Kanzlerin will es im Bundestag der Gewissensentscheidung eines jeden Abgeordneten überlassen, ob Schwule und Lesben in Sachen Ehe die gleichen Rechte haben sollen wie heterosexuelle Paare. Damit ist klar: Die Ehe für alle wird kommen.

Ein Zivilisationsschritt  

Das war überfällig. Und ist ein Zivilisationsschritt hin zu einem Land, in dem kein Bürger mehr wegen seiner sexuellen Orientierung benachteiligt wird. Ausgerechnet bei der Ehe, dort, wo zwei Menschen in großer Verbindlichkeit Verantwortung füreinander übernehmen, wird in Deutschland immer noch gegen diesen Grundsatz verstoßen. Zwar gibt es seit 2001 die sogenannte "Eingetragene Lebenspartnerschaft". Sie gleicht in vielem der Ehe, aber eben nicht überall. Vor allem bei den Regelungen rund um das Kind werden Homosexuelle eklatant benachteiligt. Bisher ist es beispielsweise nicht möglich, dass beide Partner gemeinsam ein nichtleibliches Kind adoptieren. Das empfinden Homosexuelle zu recht als Diskriminierung. Und diskriminierend ist es auch, dass die Gesellschaft den Homosexuellen den Begriff "Ehe" vorenthält.

Ein typischer Merkel 

Die Art, wie die Kanzlerin ihre Position zur gleichgeschlechtlichen Ehe geändert hat, ist aber alles andere als überzeugend: Das war wieder mal ein typischer Merkel. Erst nach langem Zögern und Zaudern, nach quälenden Diskussionen, die sich die ganze Legislaturperiode hinzogen, hat sie ihre bisherige Position geräumt. Aber sie ist nicht etwa freudigen Schrittes nach vorne gestürmt, hat die Menschen an die Hand genommen und in eine bessere Welt geführt. Sondern sie hat sich verdruckst geäußert. Hat im Unklaren gelassen, wo sie eigentlich selber steht, ob sie ihre oft zitierten persönlichen Bedenken gegen die Gleichstellung aufgegeben hat.

Gero Schließ ist Kultur-Korrespondent in Berlin

Und schauen wir genau hin: Den Fraktionszwang aufzuheben, ist keine explizite Befürwortung der Gleichstellung, geschweige denn die aktive Gestaltung von Politik. Die Kanzlerin ist exakt nur soweit gegangen, wie sie musste. Sie macht es allen ein bisschen recht. Und zwar aus reinem Machtkalkül. Auch, um die Konservativen in Partei und Wählerschaft nicht mehr als nötig zu verprellen.

Es ist mit Händen zu greifen: Merkel und Union haben sich dem Unausweichlichen gebeugt. Seit der Festlegung von Grünen, FDP und SPD (in dieser zeitlichen Reihenfolge!), keine künftige Koalition ohne die Ehe für alle zu schließen, war der Druck im Kessel merklich gestiegen. Und die Kanzlerin samt ihrer Partei dramatisch isoliert.

Sicherlich: Dass die Union sich mit der Homo-Ehe nicht leichttut, dass Konservative und lehramtstreue Katholiken in CDU und CSU mit sich ringen und mit großem Ernst ihre Vorbehalte diskutieren, muss man anerkennen. Aber das darf nicht in gesellschaftspolitischer Erstarrung enden.

Beispiel Paragraf 175

Wie es anders geht, hat eben diese Union erst vergangene Woche im Gleichklang mit den anderen im Bundestag vertretenen Parteien vorgemacht: Einstimmig beschloss der Bundestag die Rehabilitierung der nach Paragraf 175 Strafgesetzbuch verurteilten Homosexuellen. Dass hier CDU und CSU mitzogen, ist der beharrlichen Überzeugungsarbeit unerschrockener Abgeordneter aus der zweiten Reihe zu verdanken.

Doch soviel Zeit wird diesmal nicht bleiben. Wenn Merkel geglaubt haben sollte, sie könnte mit ihrem späten Zugeständnis den anderen Parteien den Wind aus den Segeln nehmen, dann hat sie sich geirrt: Lustvoll treiben sie die Kanzlerin vor sich her mit der Forderung, jetzt sofort, noch in der letzten Parlamentswoche dieser Legislaturperiode, die Gleichstellung zu beschließen. Allen voran SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz, der allerdings damit auch wieder mal eben seine Position geändert hat.

Signal nach innen und außen

Am Ende ist Merkels zögerlicher Positionswechsel eine frohe Botschaft für die LGBTI-Community. Die Ehe für alle wird Gesetz, das ist sicher. Ob jetzt oder erst nach der Bundestagswahl, ist zweitrangig. Deutschland schließt damit zu den anderen großen europäischen Nachbarländern auf.

Aber das ist nicht nur ein Signal nach außen, sondern auch nach innen: An die Ultra-Konservativen und Rechtspopulisten, die unser freies gesellschaftliches Klima vergiften wollen. Wir stehen ein für die freiheitlichen Werte unseres Grundgesetztes. Jetzt auch mit der Ehe für alle!

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