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Politik

Merkel und die Zukunft der Zahlen

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
13. Mai 2020

Zahlen bestimmen das Handeln der Politik in der Corona-Krise. Parallel erlebt die Digitalisierung einen Schub. Schon bald könnten Daten unser Leben und die Politik noch viel stärker prägen, meint Kay-Alexander Scholz.

Keine Angst vor der Zukunft: Angela Markel beim Digital-Gipfel der EU am 29. September 2017 in TallinnBild: Getty Images/AFP/I. Znotins

Politik wird in der COVID-19-Krise in erster Linie entlang von Zahlen, Kurven und für viele schwer verständlichen Parametern wie dem sogenannten "R-Wert" gemacht. Die promovierte Naturwissenschaftlerin Angela Merkel erlebt in diesen sachorientierten Zeiten das Finale ihrer Karriere.

Sinkende Arbeitslosenzahlen, steigende Steuereinnahmen, weniger Schulden - Zahlen und Daten begründeten ihre Politik schon immer. Insofern passt ihr Arbeits- und Entscheidungsstil auch sehr gut zu den Anforderungen des Kampfs gegen eine Pandemie. Was wohl nicht zuletzt auch einer der Gründe ist, dass Deutschland - jedenfalls bislang - relativ gut durch die Krise kam.

Nur ein Vorgeschmack

In den Monaten vor der Krise schien Merkels Stil irgendwie überholt und aus der Zeit gefallen. Stattdessen machten Pathos, Emotionen bis hin zum blanken Populismus vielerorts politisch Karriere. Doch ein Blick rundherum offenbart, dass Merkels Stil vielleicht nur ein Vorgeschmack auf die Zukunft ist: Politik mit Hilfe von Daten hat das Potenzial, unser künftiges Leben noch viel stärker zu prägen. Der derzeitige Digitalisierungsschub macht es möglich.

DW-Hauptstadtkorrespondent Kay-Alexander Scholz

Noch ist es der Mensch Merkel, der aufgrund von ihr vorgelegten Zahlen Entscheidungen trifft. Doch je komplexer Situationen werden, umso stärker könnte zukünftig der Drang werden, solche Entscheidungen an Künstliche Intelligenz (KI) zu delegieren. So wie es im Börsen-Alltag schon Realität ist, wo allein Algorithmen Unternehmen bewerten und über Aktienverkäufe entscheiden.

Im kanadischen Toronto sollte eine Smart City entstehen. Alphabet, also das Unternehmen hinter Google, wollte dort einen voll vernetzten Stadtteil bauen. Auch wenn das Projekt inzwischen aus wirtschaftlichen Gründen gestoppt wurde - es liegt im globalen Trend. Von Dan Doctoroff, dessen Firma "Sidewalk Labs" sich das Konzept ausgedacht hat, sind Zitate übermittelt, die aufhorchen lassen: Es gehe darum, "bestehende Konzepte der Sozialpolitik und der politischen Führung komplett neu zu erfinden" - mit Hilfe von Daten und Sensoren. Sein früheres Unternehmen "Bloomberg Government" stellte dem Ex-Bürgermeister von New York City, Michael Bloomberg, "datengesteuerte Entscheidungstools" für die Regierungsarbeit zur Verfügung.

Auf dem Weg in die digitale Diktatur?

In China entsteht gerade eine Art digitale Diktatur. In einem allgegenwärtigen Bewertungssystem, das jedes Tun belohnt oder bestraft, treffen Algorithmen Entscheidungen über die persönliche Zukunft von Bürgern. Wer wird befördert oder nicht? Wer erhält einen Studienplatz oder eine größere Wohnung?

Anderswo wird - wie aus Science-Fiction-Filmen bekannt - an PreCrime gearbeitet. Das heißt, KI soll die Polizei warnen, wo in der nächsten Zukunft aller Voraussicht nach ein Verbrechen stattfinden wird. Hier stellen sich schon jetzt interessante Fragen nach der Stellung von KI und Algorithmen sowie dem Einfluss von Unternehmen, die diese Tools verkaufen und unserem analogen Leben überstülpen wollen.

Auf Deutschlands Straßen regt sich seit einigen Wochen Protest gegen Politik mit einem zu starren Blick auf Infektionszahlen sowie die als zu dominant empfundene Rolle der Virologen. Auch wenn unter den Demonstranten viele Extremisten und Verschwörungstheoretiker sind - etwas weiter gedacht könnten diese Kritiker auf lange Sicht hin einen Vorgeschmack auf künftige Debatten geben.

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