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Politik

Kommentar: Angela Merkels Chancen

Scholz Kay-Alexander Kommentarbild App
Kay-Alexander Scholz
20. November 2016

Die Entscheidung, noch einmal Kanzlerin werden zu wollen, bietet viele Chancen, meint Kay-Alexander Scholz. Angela Merkel könnte die Richtige sein, auf den Populismus eine Antwort zu finden.

Bild: DW/K.-A- Scholz

Angela Merkel ist inzwischen elf Jahre Kanzlerin und 16 (!) Jahre Vorsitzende der Christdemokratischen Partei Deutschlands. In dieser Zeit hat sie viel bewegt: Kehrtwende beim Schuldenmachen, Halbierung der Arbeitslosenzahlen, Verdopplung der Ausgaben für Forschung und Modernisierung ihrer Partei. Außenpolitisch ist Deutschland in all den Jahren, auch weil die anderen zu leise waren, lauter geworden. So gab in der Finanzkrise, der Eurokrise und der Krim-Krise das Kanzleramt die Richtung vor.

Für nicht wenige hat Merkel aber auch - zu viel - bewegt. Die alten Konservativen in ihrer Partei schimpfen über ihre "Sozialdemokratisierung" der CDU. Jedem zweiten Deutschen waren die eine Million Zuwanderer, die sie ins Land gelassen hat, zu viele. Vom Ärger darüber und vom Zeitgeist genereller Elitenkritik profitiert die AfD und knüpft ihr Netz zur neuen "Schwarzen Internationalen". Andere kritisieren, Merkel habe zu wenig getan, um die langfristigen Risiken ihrer Politik abzufedern.

Hauptstadtkorrespondent Kay-Alexander ScholzBild: DW/S. Eichberg

Mag derzeit auch noch so viel, teilweise übertriebenes, Lob aus dem Ausland kommen, mit dem Merkel übrigens gewohnt vorsichtig umgeht, in Deutschland gehen die Meinungen über Merkel weit auseinander. Ein Abgang jetzt wäre kein ruhmreicher gewesen.

Sie kneift nicht

Es gibt ein deutsches Sprichwort: Man muss die Suppe auch auslöffeln, die man sich eingebrockt hat. Was in diesem Fall nicht Schadenfreude ausdrücken soll, sondern die Chance auf Befriedung meint. Merkel hat nun voraussichtlich für vier weitere Jahre die Gelegenheit, all das, was sie auf den Weg gebracht hat, weiter zu gestalten oder zu korrigieren. Vor allem die Folgen der Flüchtlingskrise. Dass sie diese Herausforderung annimmt, wird ihr Sympathiepunkte einbringen.

Merkel hat die Chance zu zeigen, dass sie nach all den Jahren auf europäischer und internationaler Bühne die Sorgen der Deutschen nicht vergessen hat. Sie könnte zeigen, dass es gute Antworten auf den neuen Konflikt zwischen reich und arm und zwischen Stadt und Land gibt. Sie könnte so die soziale Spaltung und die politische Polarisierung - also den Nährboden, auf dem Rechtspopulismus gedeiht - mindestens aufhalten und besser noch abschwächen.

Gegen den populistischen Trend

Die alte und wahrscheinlich neue Bundeskanzlerin hat die Chance dazu, weil sie über die entsprechende Menge an Macht, Ansehen und Erfahrung verfügt. Weil sie als Pragmatikerin die Freiheit hat, ideologiefreie Problemlösungen zu suchen. Und weil sie diesen Problemen nun bewusst entgegenzutreten bereit ist. Es gehe ihr um den Zusammenhalt in der Gesellschaft als Rezept gegen Polarisierung, sagte sie nun bei der Bekanntgabe ihrer Kandidatur am Sonntagabend. Sie wolle den Kampf aufnehmen. Richtig so!

Setzt Merkel das auch um, könnte sie ihre Partei davor bewahren, von der AfD weiter angefressen zu werden. Und noch mehr: Sie könnte der westlichen Welt zeigen, dass es auch anders geht, als der momentane populistische Zeitgeist es vermuten lässt.

Vorbild Merkel

Und noch etwas: Merkels Chancen bestehen auch darin, ihre Vorbildrolle als Frau an der Staatsspitze zu nutzen. Und zwar für die vielen Tausenden Frauen, die nun neu in Deutschland leben und aus einer Kultur kommen, die ihnen zu wenig Rechte gibt. Für diese kann Merkel Ermutigung sein, sich zu emanzipieren. Aus der Wissenschaft ist bekannt, dass Frauen entscheidend sind, wenn es um Integration in eine neue Gesellschaft geht. Merkel kann diesen Anstöße geben, die dann positiv in die gesamte Gesellschaft hinein strahlen könnten. 

In diesem Sinne ist die Entscheidung Merkels, weiter Kanzlerin sein zu wollen, eine chancenreiche und damit gute Entscheidung!

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