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Politik

Anschnallen! Festhalten! Trump kommt

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
10. Juli 2018

Die NATO hofft, dass ihr wichtigstes Mitglied nicht allzu großen Schaden anrichtet beim Gipfeltreffen in Brüssel von Mittwoch an. Ja, soweit sind die transatlantischen Bande gesunken, meint Bernd Riegert.

Standpauke beim NATO-Gipfel in Brüssel vor einem Jahr: Donald Trump und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg Bild: Reuters/C. Hartmann

Die Trump-Show macht Halt in Europa. Schlagzeilen sind dem egomanischen US-Präsident bereits gewiss. Er könnte beim NATO-Gipfel in Brüssel die europäischen Verbündeten und Kanada verschrecken. Er könnte in Großbritannien beim Tee mit der Queen den ein oder anderen Fettnapf streifen. Er könnte nach einer Runde Golf in seinem schottischen Hotel dann beim historischen Gipfeltreffen mit Präsident Putin in Finnland eine Männerfreundschaft mit dem russischen Autokraten begründen.

In Brüssel herrscht vor allem bei den NATO-Partnern Unsicherheit, was die Europatournee des im Wahlkampf befindlichen "America First"-Präsidenten bringen wird. Trump wird sich gewiss nicht scheuen, die Verbündeten erneut vor den Kopf zu stoßen und seine absurden Rechnungen zu den Verteidigungslasten aufzumachen. Zwar geben die Europäer wie versprochen mehr und mehr Geld für ihre Armeen aus, doch das reicht Trump nicht. Wer wissen will, wie dieser tickt, muss sich nur seine Wahlkampfrede von vergangener Woche in Indiana anhören: Da ging er die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel direkt an und fragte, was er für sein Geld eigentlich von den Deutschen bekomme? Die Deutschen würden lieber mit den Russen Energiegeschäfte machen und die Amerikaner seien die Deppen, die alles bezahlen müssten. Das will der amerikanische Präsident natürlich ändern und droht deshalb durch die Blume schon einmal vorsorglich mit einem möglichen Truppenabzug, falls er nicht bald Geld sieht.

Schutz gegen Geld?

Denkbar wäre in den schlimmsten Fantasien der NATO-Diplomaten in Brüssel auch ein Art transatlantische Gebührenordnung für amerikanische Truppen in Europa. Schutz gegen Geld. Schutzgeld? In solchen Kategorien wurde bisher bei der Allianz, die ja auf politischen Werten fußen soll, nicht gedacht. Donald Trump, der im Grunde seiner Seele ein Krämer ist, denkt aber so. Er sucht den eigenen Vorteil und da verhandelt er knallhart - ohne Rücksicht auf bislang enge Verbündete. Das hat er beim G7-Gipfel in Kanada schon vorexerziert. Es wäre verwunderlich, wenn er diese nach seiner Ansicht erfolgreiche Methode nicht auch bei der NATO anwenden würde. Die Europäer müssen sich darauf gefasst machen, dass Trump Handelskonflikte und Sicherheitspolitik vermengen wird. "Wollt ihre atomaren Schutz vor den Russen, dann lasst amerikanische Waren zollfrei nach Europa!" Das ist die einfache Gleichung, mit der Donald Trump operieren könnte.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Der Mann im Weißen Haus sonnt sich lieber mit Diktatoren und Autokraten auf Gipfeltreffen als sich mit den alten Verbündeten zu beschäftigen, die er für nicht ebenbürtige Parasiten hält. Die NATO wird Trump nachweisen, dass mehr und mehr Staaten sich auf das Ziel von zwei Prozent bei den Verteidigungsausgaben gemessen an der Wirtschaftsleistung zubewegen. Deutschland allerdings ist sehr langsam auf diesem Weg, der Zustand der Bundeswehr ist desolat. Die Einsatzfähigkeit europäischer Truppen insgesamt ist mager. Mit dieser offenen Flanke muss Angela Merkel in Brüssel zum Rapport antreten. Der amerikanische Präsident wird das genüsslich ausschlachten - wie gesagt: Er befindet sich im Wahlkampf für die Kongresswahlen im November.

Die Zukunft der Beziehungen in der NATO hat das polnische Verteidigungsministerium skizziert. Die Polen haben angeboten, für die Stationierung zusätzlicher amerikanischer Soldaten zwei Milliarden US-Dollar jährlich locker zu machen. Diese kaufmännische Schutzgeld-Rechnung könnte Trump gefallen und als Modell dienen. Die NATO-Staaten können nur hoffen, dass sich der Präsident der wichtigsten Militärmacht weiter zur Beistandspflicht in der Allianz bekennt. Im Extremfall könnte Trump auch mit einem Ende derselben drohen, um seinen Willen durchzusetzen. Auszuschließen ist das nicht, denn noch vor zwei Jahren hielt der Wahlkämpfer Trump die NATO für gänzlich überflüssig. Eine schlagkräftige militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU als Alternative zur NATO steckt noch in den Kinderschuhen. Der Aufbau wird viele Jahre dauern und die militärischen Fähigkeiten der USA nicht ersetzen können. 

Nimmt Trump Einfluss auf Putin?

Mit Bangen schauen die NATO-Diplomaten auch auf das Gipfeltreffen mit dem Kreml-Herrscher Wladimir Putin, dessen russisches Reich viele NATO-Staaten für die gefährlichste Bedrohung in Europa halten. Es gibt eine lange Liste von heiklen Punkten vom Ukraine-Konflikt bis zum Cyber-War, den Donald Trump im Namen der NATO-Partner mit Putin abarbeiten sollte. Der Gipfel in Brüssel will eine entsprechende Empfehlung beschließen. Ob Trump sich in Helsinki daran noch erinnern wird, ist - wie vieles andere - unberechenbar. Er sei auf alles vorbereitet, wenn er Putin treffe, sagte Trump im Wahlkampf in Indiana. Ist das gut oder schlecht? Wenn es gut läuft im Sinne der NATO, könnte der US-Präsident Einfluss auf Putin nehmen. Wenn es schlecht läuft, könnten sich die Fronten verhärten.

Sicher ist nur eines: Die Trump-Show wird nach seiner eigenen Lesart garantiert erfolgreich sein. Das penetrante Eigenlob des Präsidenten, der von seiner eigenen Großartigkeit faseln wird, klingt uns jetzt schon in den Ohren. NATO, Queen, Putin? It's gonna be great!

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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