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Politik

Berlusconis Mann als Brückenbauer?

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
4. Januar 2017

Die Christdemokraten im Europaparlament wollten Martin Schulz loswerden und erheben Anspruch auf das Präsidentenamt. Die Fraktion stimmte für den Italiener Antonio Tajani - eine Fehlbesetzung, meint Barbara Wesel.

Der Kandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) für die Präsidentschaft im EU-Parlament: Antonio Tajani Bild: AP

Die Briten nennen den Fraktionschef "the whip", das ist der Einpeitscher, der die Abgeordneten von der richtigen Abstimmungslinie überzeugen muss. So betrachtet hat EVP-Chef Manfred Weber leider versagt. Nicht nur ließen seine Parlamentarier die vorgesehene Kompromisskandidatin glanzlos untergehen, sie entschieden sich für den Italiener Antonio Tajani, der bei den anderen Fraktionen nicht mehrheitsfähig ist. Weber kann seine "Peitsche" jetzt weghängen, seine Autorität ist untergraben.

Tajani als Brückenbauer - soll das ein Witz sein?

"Wir müssen Brücken bauen mit anderen politischen Gruppen gegen den Populismus", sagte Tajani nach seiner Wahl. Darüber kann man nur hohl und höhnisch lachen. Das sagt ausgerechnet der Mann, der jahrelang Brüsseler Statthalter für Silvio Berlusconi war, dem Vorreiter des Populismus in Europa. Tajani stand auch dann noch zu seinem Premierminister, als der längst in Prozesse und Sexskandale verstrickt zur peinlichen Lachnummer geworden war. Und der will jetzt jemandem etwas über Europas Zukunft erzählen?

Außerdem steht seine Partei, die "Forza Italia" auf der ganz rechten Seite des politischen Spektrums bei den Christdemokraten. Als Brückenbauer zu anderen Fraktionen eignet sich Tajani deshalb so wenig wie ein Protestant als Papst. Denn weder Sozialdemokraten, noch Grüne oder Linke finden den Italiener wählbar oder überhaupt nur einen glaubwürdigen Gesprächspartner. Er ist im Gegenteil einer, der das Parlament spalten und polarisieren wird. Politische Freunde kann Antonio Tajani allenfalls bei den Europaskeptikern auf der Rechten finden. Und Stimmen könnte er eventuell sogar noch von den EU-Feinden aus den Reihen von Marine Le Pen oder Geert Wilders bekommen. Die würden sich aber nur auf Tajanis Seite schlagen, um das Parlament zu unterminieren.

Ende der Arbeitsfähigkeit des EP?

Manchen war Martin Schulz als Präsident des EU-Parlaments ein bisschen zu laut und zu sehr auf Selbstdarstellung bedacht. In jedem Fall aber hat er es geschafft, dass die Volksvertretung wahrgenommen wird und politischen Einfluss gewonnen hat. Und er war höchst erfolgreich im organisieren von Mehrheiten. Die informelle große Koalition von EVP und Sozialdemokraten sorgte für einen ziemlich  reibungslosen  Gesetzgebungsprozess. Die ist nun mit der Kandidatur Tajanis definitiv beendet, denn er ist nicht der Mann, gemeinsame Mehrheiten mit der Mitte und den Linken zu beschaffen.

Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

Auf der anderen Seite sind manche auch froh, dass die Kungelei zwischen Martin Schulz und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu Ende ist, denn die beiden Männerfreunde haben so manches am Parlament vorbei glattgezogen. Das ist nicht unbedingt ein Ausweis demokratischer Reinheit. Dennoch: Das Parlament kann nur funktionieren, wenn parteiübergreifend unter Europafreunden und Demokraten Mehrheiten gebildet werden. Es muss Absprachen und Vertrauen geben. Doch dafür ist Antonio Tajani der falsche Mann. 

Der Italiener meint, er werde Unterstützung von den Südeuropäern in anderen Fraktionen finden. Es wird interessant, ob künftig die politische Ausrichtung weiter über den Regionalinteressen steht, oder ob sich das umgekehrt. Bei den Sozialdemokraten jedenfalls tritt ein weiterer Italiener für den Präsidentenposten an. Der ist im Grunde ebenfalls unwählbar und ein weiteres Zeichen dafür, dass die überparteiliche Konsensbildung im EP nicht mehr funktioniert. Die Zeichen stehen auf Streit - wo doch der Interessenausgleich Kern des europäischen Geschäftes ist. Das Europaparlament kann mit einem Präsidenten Tajani leicht im Flügelkampf versinken. Das würde die Funktionsfähigkeit der EU insgesamt beschädigen und ist das letzte, was derzeit in Brüssel gebraucht wird.   

Ein Kandidat von gestern

Was Antonio Tajani aber in besonderer Weise als Parlamentspräsident disqualifiziert, ist, dass er nie als ein glühender Europäer hervorgetreten ist. Und in seiner früheren Rolle als Industriekommissar, so wird ihm vorgeworfen, habe er den Abgasskandal lange Zeit ignoriert. Wenn er jetzt aber verspricht, er wolle "Werte verteidigen", dann muss er sich fragen lassen, welche Werte das denn sein sollen: etwa die des rundum diskreditierten Silvio Berlusconi mit seinem europapolitischen Schlingerkurs?

Man darf den Kandidaten nicht unterschätzen: Er ist ein gewiefter Strippenzieher und Meister der Intrige im Hinterzimmer. Ein glaubwürdiger und überzeugender Präsident für das Europaparlament wäre er nicht. Antonio Tajani ist genau die Sorte Funktionär, die an der gegenwärtigen Krise der EU viel Schuld tragen. Und Fraktionschef Weber muss sich vorwerfen lassen, dass er einen schlechten Kandidaten aus seinen Reihen nicht verhindern konnte, dessen Wahl ein Schaden für das ganze Europaparlament wäre.

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