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Kommentar: Armutszeugnis für EU-Politik

20. Juni 2009

Die Art und Weise, wie in Brüssel über eine zweite Amtszeit für EU-Kommissionspräsident Barroso verhandelt wird, stellt der EU ein schlechtes Zeugnis aus, meint Christoph Hasselbach.

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Bild: DW

José Manuel Barroso wird "das Chamäleon" genannt. Er war mal Maoist, heute ist er Konservativer, obwohl sich seine portugiesische Heimatpartei sozialdemokratisch nennt; er unterstützte Bushs Irak-Feldzug, jetzt spricht er begeistert von Präsident Obama; er gilt linken Kritikern als Neoliberaler, aber er hat in der Wirtschaftskrise umfangreiche öffentliche Konjunkturprogramme unterstützt – übrigens wie viele andere konservative Politiker auch. Er bietet jedem etwas. Doch wo bleiben da die eigenen Überzeugungen, fragen die Kritiker.

Weichling bevorzugt

Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs will diesen sehr anpassungsfähigen Mann wieder an der Spitze der Kommission sehen. Das ist verständlich. Der Grund ist nicht in erster Linie eine ideologische Nähe zwischen der konservativen Mehrheit der EU-Regierungen und Barroso – denn Barroso ist praktisch ideologiefrei. Der Grund ist: Die Mitgliedsstaaten wollen einen schwachen Kommissionspräsidenten. Nur so können sie weiter als Hauptakteure auf der europäischen Bühne schalten und walten. Wenn man also jemandem einen Vorwurf machen will, dann den Regierungen der Mitgliedsstaaten.

Ein weiterer Grund ist systembedingt. 27 Mitgliedsstaaten mit zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen wollen sich im Kommissionspräsidenten wenigstens annähernd wiederfinden, Finnland ebenso wie Malta, Polen ebenso wie Frankreich. Eine Person mit sehr starken eigenen Vorstellungen würde notgedrungen das eine oder andere Land vor den Kopf stoßen. Herauskommen kann da nur der kleinste gemeinsame Nenner.

Zielloses Taktieren des Parlaments

Und dann gibt es das Sprachproblem. Es gibt auf der europäischen Bühne nicht allzu viele Leute, die nicht nur die fachlichen Kenntnisse und notwendigen Kontakte haben, sondern auch vier, fünf Sprachen beherrschen und sich damit an einen Großteil der europäischen Bevölkerung direkt wenden können.

Also Barroso. Jetzt spielt allerdings das Europaparlament nicht mit und lässt es auf eine Machtprobe mit den Mitgliedsstaaten ankommen. Die Gegner im Parlament haben zwar keinen Alternativkandidaten, meinen aber, der werde sich schon finden. So begrüßenswert das neue Selbstbewusstsein des Parlaments ist, es hat letztlich keine andere Wahl, als Barroso zuzustimmen. Zieht sich das Gezerre zu lange hin, würde der EU in einer Zeit der Krise die politische Führung fehlen. Schon jetzt aber wird Barroso beschädigt, noch bevor seine zweite Amtszeit überhaupt legitimiert ist. Ein Armutszeugnis für alle Beteiligten.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Martin Schrader