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Aufstand für den Rechtsstaat

Uta Thofern23. Oktober 2014

Vier Wochen nach dem mutmaßlichen Massaker von Iguala sind die Verantwortlichen für das Verschwinden von 43 Studenten benannt und Haftbefehle erlassen. Doch die Proteste werden weitergehen - zu Recht, meint Uta Thofern.

Mexiko Protest in Acapulco nach Verschwinden von Studenten 17.10.2014
Bild: Reuters/Jorge Dan Lopez

Scheibchenweise bestätigen die Ermittlungen, was in Mexiko schon seit Wochen jedem klar ist: Natürlich steckt das Bürgermeisterehepaar von Iguala hinter dem Verschwinden der 43 Lehramtsstudenten. Natürlich haben die beiden Lokalpolitiker mit der örtlichen Verbrecherbande zusammen gearbeitet, die wiederum mit der städtischen Polizei unter einer Decke steckte - sonst hätte das ganze System ja gar nicht funktioniert. Wie soll ein Ortsbürgermeister denn Macht ausüben, wenn er kein Geld zu verteilen hat? Und keine "Narcos", wie die Drogengangster genannt werden, die seine Rechtsauslegung mit Gewalt durchsetzen?

Für die meisten Mexikaner waren die Ermittlungsergebnisse des Generalstaatsanwalts keine Überraschung. Denn Iguala ist kein Einzelfall. Gefördert durch die nach wie vor extreme soziale Ungleichheit in Mexiko ist Korruption auf allen Ebenen der Verwaltung an der Tagesordnung. Dass in einem solchen Umfeld auch Polizisten sich zur Zusammenarbeit mit der organisierten Kriminalität bereit finden, kann nicht überraschen. Zumal die "Narcos" mit bestialischer Gewalt vorgehen, wenn sich ihnen jemand widersetzt. Dass sie dabei überwiegend mit Straffreiheit rechnen können, hängt mit den guten Verbindungen zahlreicher Politiker zur Drogenmafia zusammen - siehe oben. Und so arbeiten Verwaltung und Verbrechen vielerorts ungestört zusammen.

Kein Vertrauen mehr in den Staat

Die fatale Konsequenz ist der Verlust jeglicher staatlicher Autorität. Die Mexikaner haben kein Vertrauen mehr in ihren Staat. Sie haben die Geduld verloren und sie machen keinen Unterschied mehr zwischen einem lokalen Bürgermeister und dem Staatspräsidenten. Nach Jahrzehnten des Drogenkriegs, nach mehr als 100.000 Ermordeten und zigtausenden Vermissten ist das, was die Regierung Peña Nieto aufgeboten hat, einfach zu wenig, zu spät, zu schwach. Und deshalb unglaubwürdig.

Wie sollen die Menschen denn auch glauben, dass es nach so langer Suche, nach so vielen Festnahmen, nach so vielen Aussagen immer noch keine Spur von den vermissten Studenten gibt? Zwar demonstrieren sie zu zigtausenden immer noch unter dem Motto "Wir wollen sie lebend", aber im Grunde zweifelt niemand mehr daran, dass die 43 jungen Leute Opfer eines Massakers geworden sind. Der Präsident hat die Bundespolizei geschickt, die örtlichen Sicherheitsbehörden entmachtet und die Taten verurteilt - aber mit den Angehörigen gesprochen oder das Lehrerseminar besucht hat er nicht.

Beratung und Hilfe von außen ist nötig

Mit einer solchen Geste allein kann Peña Nieto kein Vertrauen erringen, aber es wäre ein Anfang. Der Anfang eines bitter nötigen Dialogs mit einer Zivilgesellschaft, die sich unter dem Eindruck der Ereignisse von Iguala stärker zu formieren beginnt. Und dem Dialog müssen Taten folgen: Die Menschen wollen nicht nur Haftbefehle sehen, sondern auch Verurteilungen. Die Reform des Strafrechts geht in die richtige Richtung, aber sie hat bisher zu wenig Ergebnisse gebracht. Sie sollte überprüft und vor allem bei der Bekämpfung der Korruption nach internationalen Maßstäben verschärft werden. Und nicht zuletzt: Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, sollte Mexiko sich nicht scheuen, auch um Hilfe und Beratung von außen zu bitten - zum Beispiel bei den Vereinten Nationen.

Die Proteste in Mexiko drehen sich schon lange nicht mehr nur um die Verschwundenen von Iguala. Sie sind ein Aufstand für den Rechtsstaat. Wenn der Präsident jetzt nicht sehr schnell liefert, wird nicht nur der internationale Druck auf ihn steigen.

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