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Politik

Autoritäre Liberalisierung in Saudi-Arabien

Mudhoon Loay Kommentarbild App
Loay Mudhoon
3. Januar 2018

Im Eiltempo will Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman sein Land reformieren. Doch sein risikoreicher und zunehmend autokratischer Kurs könnte die Fundamente der fragilen Monarchie erschüttern, meint Loay Mudhoon.

Bild: Reuters/Saudi Press Agency

Eigentlich müssten ihm die Sympathien der Weltöffentlichkeit, die seit Jahrzehnten auf Saudi-Arabien besonders kritisch und sorgenvoll blickt, sicher sein. Denn Mohammed bin Salman, der saudische Kronprinz und De-facto-Machthaber im Herzland des Islam, schickt sich an, die marode und ideologisch verkrustete Monarchie grundlegend und im Eiltempo zu reformieren.

Die ersten Schritte der Öffnung der saudischen Gesellschaft unternahm der ambitionierte Prinz, der meist mit dem Kürzel MBS bezeichnet wird, indem er die Befugnisse der berüchtigten Religionspolizei stark beschnitten hat. Diese religiös legitimierte Kontrollinstanz hat die persönlichen Freiheiten der Menschen jahrzehntelang massiv eingeschränkt.

Auch sein Einsatz für die Rechte der gut ausgebildeten saudischen Frauen, insbesondere für deren Teilnahme am Wirtschaftsleben, hat ihm viel Achtung und Bewunderung eingebracht.

Parallel dazu erlebt das ultrakonservative Land einen kulturpolitischen Aufbruch: Öffentliche Kinos sollen bald erlaubt werden, nachdem sie vor 35 Jahren verboten wurden; auch Musikkonzerte und Theateraufführungen dürfen inzwischen stattfinden.

Doch diese zweifelsohne bemerkenswerten und überfälligen Liberalisierungsschritte können nicht darüber hinwegtäuschen, dass MBS einen hochriskanten und autokratischen Modernisierungskurs fährt, der die Fundamente der Monarchie erschüttern und deren Existenz mittelfristig gefährden könnte.

Gefährliche Machtkonzentration

Vor allem die Tatsache, dass der machthungrige Mohammed bin Salman vor rücksichtlosen und radikalen Maßnahmen nicht zurückschreckt, wenn es darum geht, seine Machtposition zu festigen, markiert einen Bruch mit der bis dato herrschenden Politik des Ausgleichs und der Vermeidung offener Machtkämpfe innerhalb der Königsfamilie.  

So ließ er Anfang November vergangenen Jahres unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung schwerreiche Geschäftsleute und Minister, aber auch zahlreiche Prinzen und Spitzenbeamte in einer spektakulären Aktion verhaften und in einem Luxushotel in Riad einsperren. Diese Verhaftungswelle zielte in erster Linie darauf ab, mögliche Konkurrenten wie Prinz Mutaib, den Minister für die mächtige Nationalgarde und Sohn des 2015 verstorbenen Königs Abdullah, aus dem Weg zu räumen.

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Darüber hinaus dient die Inhaftierung von Geschäftsleuten und Medienmogulen des Landes dazu, neue und dringend benötigte Finanzquellen für die Umsetzung seines umfassenden Reformprogramms "Vision 2030" zu erschließen. Schließlich wird das Gesamtvolumen der veruntreuten öffentlichen Gelder durch einige der verhafteten Prinzen und Inverstoren auf mindestens 100 Milliarden US-Dollar geschätzt.

Risikoreiche Reformpolitik ohne politische Reformen

Schon jetzt verfügt Mohammed bin Salman über eine einmalige Machtfülle: Er ist nicht nur Kronprinz, sondern auch Chef der Regierung, Verteidigungsminister und Innenminister.

Doch diese Machtkonzentration birgt viele Risiken für die Zukunft der größten Volkswirtschaft im Mittleren Osten. Denn er ist ein impulsiver Polit-Neuling; seine abenteuerliche Regionalpolitik ist mitverantwortlich für die schlimmste humanitäre Krise weltweit - die im Jemen. Seine letzten Interventionen in die libanesische und palästinensische Innenpolitik blieben weitgehend erfolglos.

Loay Mudhoon leitet das Dialogportal qantara.de

Keine Frage: Saudi-Arabiens starker Mann besitzt den Willen, das Land nach seinen Vorstellungen zu reformieren. Seine "Vision 2030" schürt bereits große Erwartungen, insbesondere bei der Jugend des Landes.

Doch eine autoritär verordnete Liberalisierung bleibt nicht nur grundsätzlich problematisch, da sie demokratisch nicht legitimiert ist. Die tiefgreifenden Wirtschaftsreformen werden soziale Verwerfungen nach sich ziehen und Widerstand in Teilen der Bevölkerung wecken, die sich an Wohlstand ohne persönliche Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten gewöhnt hat.  

Die Kombination aus autokratischer Machtkonzentration, Repression von oppositionellen Kräften, fehlender politischer und gesellschaftlicher Partizipation und schmerzhaften wirtschaftsliberalen Reformen könnte Unruhe in der Bevölkerung auslösen - und im schlimmsten Fall die Fundamente der fragilen Monarchie erschüttern.

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