Am künftigen Berliner Flughafen wurde jetzt Richtfest für ein neues Terminal gefeiert. Wie bitte? Und der TÜV hat mit einem Großtest aller Anlagen begonnen. Henrik Böhme bleibt trotzdem skeptisch.
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Ganz bestimmt wird der neue Flughafen von Berlin nochmal umbenannt. Von Willy-Brandt-Airport zu einem (nach seinem Selbstverständnis) noch viel berühmteren Sozialdemokraten namens Klaus Wowereit. Der war mal Regierender Bürgermeister von Berlin und wurde berühmt durch drei Sätze: Erstens: "Ich bin schwul und das ist gut so." Zweitens: "Berlin ist arm, aber sexy." Drittens: "Ich baue den Flughafen zu Ende."
Für erstens verdient er Respekt. Für zweitens ein Lächeln. Für drittens aber sollte man ihn teeren und federn. Denn hätte er, der zwar Berliner (und Brandenburger) mit einem neuen Flughafen beglücken wollte, die Finger davon und Profis rangelassen, dann wäre erstens der Airport längst im Betrieb, zweitens in einem beherrschbaren Kostenrahmen geblieben und drittens das Image Berlins dramatisch weniger beschädigt.
Von Rolltreppen und Rauchanlagen
Wenn dieser Flughafen, auf dem bis heute keine Linienmaschinen starten und landen, irgendetwas ist, dann eine Schande: Er steht für politisches Versagen, für Vertuschung, Mauscheleien, für Sündenböcke, für Verschwendung. Vor allem muss er ein Mahnmal sein für die Ewigkeit: Lasst sowas nie wieder einen Politiker machen! Einer wie Wowereit hat Berlin, ja Deutschland, der Lächerlichkeit preisgeben. Über einen wie Wowereit lacht vielleicht nur Berlin. Aber über den Fail-Airport lacht inzwischen die ganze Welt.
Erste Überlegungen stammen aus dem letzten Jahrtausend - okay 1995: Das klingt positiver. Die Eröffnung war geplant vor 2831 Tagen, für den 30. Oktober 2011. Es folgte die erste von mittlerweile sechs Verschiebungen des Termins. Für den zweiten Eröffnungsversuch am 24. Mai 2012 waren schon 40.000 (!!!) Gäste geladen, und es gibt Kollegen, die schon Tickets hatten für Flüge zum BER am 3. Juni 2012, da sollten erste Flugzeuge landen. Die Absage kam dann drei Wochen vorher.
Die Mängellisten dürften ausgedruckt auf Papier das Ende für einen mittelgroßen deutschen Wald bedeuten. All die anderen Papiere wie Gutachten, Beraterverträge und Kündigungen, Prozessakten auch. Und was das für Mängel waren (und sind) - mal abgesehen von der Entrauchungsanlage (in Fachkreisen nur "das Monster" genannt, mit der das ganze Elend anfing): Da waren Rolltreppen einige Stufen zu kurz. Da floss je nach Windrichtung Regenwasser von Fassaden in die Öffnungen des Lüftungssystems. Da wurden die falschen (nicht feuersicheren) Dübel verbaut. Rohrstücke der Unterflurbetankung auf dem Flugfeld passten nicht ineinander. An manchen Treppengeländern fehlten etliche Meter, es gab keine Datenverbindung zur Feuerwehr, und Achtung: Über 1000 Bäume wurden falsch gepflanzt!
Und Willy Brandt?
Man könnte das lustig finden, aber es ist einfach nur traurig. Das mag mancher Politiker in seinem Größenwahn anders gesehen haben, denn schließlich sind es ja nur die Steuerzahler, die die Rechnung irgendwann begleichen müssen: Und die wird gigantisch ausfallen. Von einst 1,7 Milliarden Euro sind die Kosten mittlerweile auf 7,3 Milliarden Euro geklettert. Stand jetzt. Eröffnet ist ja noch nicht.
Da ist es sicher gut, nun schon mal einen neuen Terminal zu bauen. Wäre lustig, wenn der eher fertig würde als der Rest des Flughafens. Der, sollte er tatsächlich im kommenden Jahr eröffnet werden (Wetten, dass nicht?) müsste dann direkt unter Denkmalschutz gestellt werden - bei soviel inzwischen veralteter Technik, die da verbaut ist. Immerhin: Im vergangenen Jahr wurden schon mal 750 Monitore ausgetauscht. Die alten Dinger hatten sechs Jahre lang einfach so vor sich hin geflimmert und waren am Ende ihrer Lebenszeit angelangt. Kosten: eine halbe Million Euro. Who cares, baby?
Im Übrigen sollte man die Nachfahren von Willy Brandt nochmal fragen, ob der Flughafen wirklich nach ihm benannt werden darf. Das hat der alte Sozi wirklich nicht verdient.
Mehr als zehn Jahre Pannen am Berliner Flughafen
Seit dem ersten Spatenstich vor 13 Jahren lief am Großprojekt Berliner Flughafen viel schief. Planungsfehler, Baumängel und andere Probleme verzögern die Eröffnung seit Jahren. Ein Blick auf die gröbsten Pannen.
Bild: picture-alliance/dpa
Diagnose Verschieberitis
Eröffnet werden sollte eigentlich am 30. Oktober 2011. Daraus wurde nichts - auch weil eine Planungsfirma pleite ging. Fünf Mal wurde die Eröffnung bislang verschoben. Mal funktionierte die Brandschutzanlage nicht. Mal war Baustopp, weil das Dach einzustürzen drohte. Zehntausende Baumängel verzögerten das einstige Prestige-Projekt Willy-Brandt-Flughafen. Ende 2020 soll er nun fertig sein.
Bild: picture alliance/dpa
Hohe Brandgefahr
Das größte Sorgenkind heißt Brandschutz. Deutsche Brandschutzregeln gelten zwar als streng. Doch die Mängel am Berliner Flughafen sind mit überbordender Bürokratie nicht zu rechtfertigen: So funktioniert etwa die Entlüftungsanlage anfangs nicht richtig. Ein Fehler der Architekten: Sie wollten den Rauch unterhalb der Flughafenhallen ableiten. Es musste aufwändig nachgebessert werden.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini
Ein gigantischer Kabelsalat
In Sachen Sicherheit höchst bedenklich sind auch die vielen Kabel, die wild übereinander gelegt wurden. Denn mit der Terminalerweiterung legten Firmen immer mehr Leitungen auf die Kabeltrassen - bis diese irgendwann überbelegt waren. Bildet sich dort Hitze, kann das aber brandgefährlich werden. Wie sich herausstellte, war ein Großteil der Kabel völlig planlos und ohne Absprache verlegt worden.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Zu kurze Rolltreppen
Wer gerade einen Transatlantikflug hinter sich hat, möchte möglichst schnell und bequem nach Hause. Leider heißt das aber für alle, die den Zug nehmen wollen: Koffer selber schleppen. Denn die Rolltreppen zwischen Abflugterminal und dem unterirdischen Flughafenbahnhof sind zu kurz geraten. Es fehlen ein paar Stufen. Auch wurden zunächst zu wenig und zu kleine Gepäckbänder geplant.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Mehr als 1000 Bäume falsch gepflanzt
Ups, dann auch das noch: Sage und schreibe 1036 Bäume wurden falsch gepflanzt. Der Grund: Die beauftragten Gärtner hatten Medienberichten zufolge die falschen Sorten bestellt. "Unveredelte Winterlinden" aus Deutschland sollten es sein - gepflanzt wurden aber veredelte aus Holland. 600 falsche Bäume wurden wieder herausgerissen. Das blüht wohl auch dem Wildwuchs, der sich inzwischen ausbreitet.
Bild: picture-alliance/dpa/P.Zinken
Falsch beschilderte Räume
Knapp jeder dritte der 4.000 Räume war falsch gekennzeichnet. An den Türen hingen falsche Nummern. Der Grund: Mal wieder Kommunikationsschwierigkeiten. Es wurde laufend umgeplant, ohne dass jemand im Blick hatte, was sich genau ändert. Das hätte gefährlich enden können: Denn auch Feuerwehr, Polizei und Notärzte brauchen verlässlich bezeichnete Türen.
Bild: Adam Berry/Getty Images
Kosten-Katastrophe
Es soll ein attraktiver Airport für eine attraktive Weltmetropole werden. Ob der Ruf noch zu retten ist, wird man sehen. Fest steht: Die Planer haben sich gründlich verrechnet. Das Megaprojekt wird am Ende mindestens doppelt so viel kosten wie ursprünglich veranschlagt: Die offiziell genannten Kosten für den Flughafen sind seit Baubeginn von zwei Milliarden Euro auf 5,4 Milliarden Euro gestiegen.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Schmiergeld und falsche Diplome
Auch das noch: Der ehemalige Technik-Chef des Flughafens soll rund eine halbe Million Euro an Bestechungsgeldern angenommen haben. Er wurde deshalb verurteilt. Außerdem stellte sich heraus, dass der Chefplaner für die Brandschutzanlage gar kein Diplom-Ingenieur war, sondern nur ein technischer Zeichner. Kritiker sehen in solchen Fehlbesetzungen die Hauptursache des BER-Debakels.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Pleul
Der Nächste, bitte!
Den Verantwortlichen dürfte inzwischen das Lachen vergangen sein. In drei Jahren nahmen vier Flughafen-Geschäftsführer ihren Hut. So auch Hartmut Mehdorn (links), der zuvor schon den Chefposten bei der Bahn räumte. Der Berliner Senat rollt das Debakel in einem Untersuchungsausschuss auf: Im Abschlussbericht ist von "kollektivem Wirklichkeitsverlust" die Rede.