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Politik

"Black Lives Matter" nur ein Strohfeuer?

Deutschland Yann Durand
Yann Durand
27. Juni 2020

Der Tod des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten hat eine weltweite Protestbewegung entfacht. Doch für einen wirklichen Wandel braucht es mehr als Demonstrationen, meint Yann Durand.

Demonstration von Schwarzen und Weißen gegen Rassismus in KölnBild: Getty Images/A. Rentz

Vorweg sei Folgendes gesagt: Die Tatsache, dass Weiße in den USA niederknien und die Faust in die Luft recken, in England helfen eine dem Kolonialismus huldigende Statue zu stürzen, oder in Paris und Berlin gegen das ethnische Profiling und den strukturellen Rassismus demonstrieren, ist eine feine Sache. Das gibt den Schwarzen und People of Color das Gefühl, nicht allein zu sein in ihrem Kampf um ihre Grundrechte und Gleichberechtigung. Das spendet Trost und Hoffnung.

Aber damit diese Zuversicht in gelebte Realität mündet, sind zwei Dinge notwendig. Zum einen muss das weiße Engagement über die Schockstarre nach dem Tod von George Floyd und den medialen Hype hinaus weiter bestehen. Zum anderen ist es unabdingbar, mehr als nur die Spitze des Eisbergs in Augenschein zu nehmen. Offensichtlich rassistisch motivierte Gewalt oder Ungerechtigkeit zu erkennen und anzuprangern, reicht nämlich nicht. Der institutionalisierte, im gesellschaftlichen System verankerte Rassismus ist viel perfider, da er sich nicht immer zu erkennen gibt. Aber er steckt in den Köpfen.

Subtiler Alltags-Rassismus

Er ist nicht wirklich böse, und oft wahrscheinlich nicht mal bewusst, aber er versteckt sich subtil hinter die Blicken und den fast unmerklichen Handlungen:

DW-Redakteur Yann DurandBild: Privat

Es ist die alte Frau, die ihre Tasche fester an sich drückt, wenn sie an mir vorbei läuft. Es ist die unbekannte Person auf der Straße, die mich sofort auf Englisch anspricht, weil es für sie selbstverständlich ist, dass ich kein Deutsch kann. Es ist die junge Frau, die in der Bahn lieber stehen bleibt als sich auf den einzigen freien Platz neben mich, den Schwarzen, zu setzen. Es ist der Student, der verzweifelt versucht, Fußgänger für seine Umfrage zu gewinnen, aber mich ignoriert - obwohl ich direkt auf ihn zulaufe. Es ist die Kassiererin, die alle fragt, ob sie den Kassenbon möchten - nur mich nicht. Und so weiter und so fort.

Das sind Erfahrungen, die Schwarze und sichtbare Minderheiten Tag für Tag machen, ohne zu wissen, ob es sich hierbei um reinen Zufall handelt, oder eben doch etwas mit ihrer Hautfarbe zu tun hat.

Das weiße Privileg

Auch Weiße erfahren durchaus Schwierigkeiten und Ungerechtigkeit in ihrem Leben - doch diesen Zweifel werden sie nie hegen. Das ist ein Privileg. Wer nie bei der Wohnungs- oder Jobsuche und bei Polizeikontrollen benachteiligt wurde, kann auch keine Sensibilität für Alltagsdiskriminierung entwickeln. Darum ist eine Selbstbeobachtung, eine schonungslose Innenschau weißer Menschen unabdingbar.

Das ist nicht einfach. Denn niemand, der sich nicht offen rassistisch gibt, möchte sich eingestehen, dass er diese Denkmuster ungewollt unterstützt. Rassismus ist in der Breite der Gesellschaft verpönt und geächtet. "Mir ist die Hautfarbe total egal! Ich sehe sie nicht einmal!" Was für eine schöne, politisch korrekte Aussage! Schade nur, dass sie eben nicht stimmt. Eine Person zunächst äußerlich wahrzunehmen, bevor man mit ihr überhaupt in Kontakt tritt, ist menschlich und instinktiv. Dem kann man sich nicht entziehen. Das Problem ist allein: Das Erste, was man beim Anderen jenseits der Kleidung sieht, ist seine Hautfarbe.

Mit fest verankerten Stereotypen brechen

Man muss sich dessen nur bewusst sein, um mit den durch Sklaverei, Kolonialismus und Neokolonialismus fest verankerten Stereotypen und Bildern vom Anderen zu brechen und ihm nicht mit Vorurteilen zu begegnen. Denn die Nachfahren der Täter und der Opfer haben keine andere Wahl: Sie müssen miteinander auskommen. Ihre historisch bedingte Wechselbeziehung ist viel zu weit entwickelt, um sich gegenseitig vollkommen und dauerhaft aus dem Weg gehen zu können.

Den Rassismus zu überwinden, liegt in der Verantwortung aller - aber besonders der weißen Menschen. Die beste Lösung wäre, dass jede und jeder - vom einfachsten Arbeiter bis zur hohen politischen Amtsträgerin - in sich schaut, gegebenenfalls rassistische Muster erkennt und sich diese abgewöhnt. Das würde dazu führen, dass der strukturelle Rassismus aus allen relevanten Bereichen - öffentliches Leben, Bildungssystem, Arbeits- und Wohnungsmarkt - nach und nach verschwindet. Nur zu, es ist höchste Zeit etwas zu verändern!

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