Kommentar: Bolt gut. Alles gut.
23. August 2015Es ist schon grotesk: In keiner Disziplin wird in der Leichtathletik so viel Bohei gemacht wie über den 100-Meter-Sprint der Männer. Dabei ist nach weniger als zehn Sekunden alles vorbei. Also quasi jetzt, wenn Sie diese Zeilen lesen. Die Show vom Sieger Usain Bolt dauert dagegen wesentlich länger: Seine obligatorische Blitzpose, das Schwenken der jamaikanischen Fahne, die Ehrenrunden. Er hat aber auch allen Grund zum Jubeln. Ist es doch sein neuntes WM-Gold.
Nicht nur Bolt hat allen Grund Champagner zu trinken. Auch die Verantwortlichen des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF werden nach diesem Ergebnis die Gläser erheben. Nicht nur hat mit Bolt der Showman, der Modellathlet, der Publikumsliebling gewonnen. Sondern mit Bolt hat auch der gewonnen, von dem es offiziell noch keine positive Dopingprobe gibt.
Bolt gegen drei Dopingsünder
Ein Saubermann rennt also in 9,79 Sekunden zum WM-Titel. Schneller als sein Landsmann Asafa Powell, der bereits einmal des Dopings überführt wurde. Schneller als Tyson Gay, der ebenfalls einmal des Dopings überführt wurde. Und vor allem ist Bolt schneller als Justin Gatlin, der nicht nur einmal, sondern gleich zweimal des Dopings überführt wurde und deshalb auch - eine von der IAAF um die Hälfte gekürzte - Sperre absitzen musste. Hätte Gatlin gewonnen, hätten die Fans womöglich nicht gejubelt. Hätten die Medien wieder gemeine Schlagzeilen veröffentlicht. Hätte der ein oder andere kritische Athlet sich negativ geäußert.
So aber kann die IAAF mit ihrem neuen Präsidenten sagen: Was soll denn das ganze Dopinggerede? Bolt zeigt uns doch: Wenn man talentiert ist und hart genug trainiert, kann ein sauberer Athlet auch gegen (ehemals) gedopte Sportler siegen. Die ganze Aufregung um die ARD-Dopingreportage? Mal wieder ein medialer Hype, der besonders von den kritischen Deutschen, die zu wenige Medaillen gewinnen, immer wieder künstlich gepusht wird.
Aussitzen wird es die IAAF, so wie bisher immer. Es wird behauptet werden, dass die internte Datenbank, die tausende auffällige Blutwerte enthält, auch von zahlreichen Goldmedaillengewinnern, von Experten ausgewertet wird. Das wird Jahre dauern, bis diese Datenbank in Vergessenheit gerät oder mögliche Sperren wegen der Verjährungsfrist nicht mehr ausgesprochen werden könnnen.
Nichts Neues. Alles bleibt beim Alten
Die einzige Möglichkeit die Dopingproblematik anzugehen ist klar. Experten fordern seit Jahren: In jedem teilnehmenden Land müssen unabhängigen Dopinglabore flächendeckende Kontrollen besonders außerhalb der Wettkampfzeiten durchführen. Zudem müssen internationale Regeln zu Dopingperren festgelegt werden, die niemand - weder der Welt- noch die nationalen Verbände eigenmächtig aufweichen oder aufheben können, so wie es kürzlich der russische und der chinesische Verband getan hat.
Alles nichts Neues. Aber so wie im Radsport wird es auch in der Leichtathletik keinen entscheidenden Umbruch geben. Es ist ja nicht gewollt. Zu stark sind die Verantwortlichen. Zu mächtig die Sponsoren. Zu verlockend das Geld. Zu schwach die Athleten. Zu unkritisch die Fans. Zu uneinig die Medien. Bleibt also alles beim Alten mit dem Fazit: Bolt gut, alles gut.