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Politik

Bravo, Oslo!

Jose Ospina-Valencia
José Ospina-Valencia
7. Oktober 2016

Kolumbiens Verfassung verpflichtet zum Frieden. Der Friedensnobelpreis ist deshalb eine große Anerkennung für alle, die in Kolumbien und im Ausland für den Frieden auf die Straße gehen, meint José Ospina-Valencia.

Bild: Reuters/Handout/Colombian Presidency

Noch nie wurde den Opfern der Gewalt in Kolumbien eine solche Ehre erwiesen wie heute. Es ist eine barbarische Gewalt, die Millionen von Menschen in Kolumbien als die normalste Sache der Welt betrachten und gleichzeitig behaupten, sie würden im glücklichsten Land der Welt leben.

Der Friedensnobelpreis geht an eine Person, die dem kolumbianischen Volk die Hand ausgestreckt hat. Präsident Santos hat die Menschen in ihren Dörfern, Elendsvierteln, in den Metropolen und auf der Straße aufgesucht. In den Zentren und Stadtteilen, wo sie versuchen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, und wo sie wie Fliegen aufgescheucht werden.

Der Friedensnobelpreis geht in Kolumbien an die Person, die mit dem Friedensvertrag versucht, das geraubte Land an diese Menschen zurückzugeben, damit sie als Landarbeiter ein Leben in Würde führen können. Damit sie Nahrungsmittel produzieren können für diejenigen, die sie mehr als ein halbes Jahrhundert an den Rand der Gesellschaft gedrängt haben. Die Gleichgültigkeit gegenüber diesen Menschen offenbarte sich auch beim Referendum in einer mangelnden Wahlbeteiligung von 63 Prozent.

Frieden als Auftrag der Verfassung

Dieser Preis geht an die rund 260.000 Opfer des Bürgerkrieges: Die Opfer der FARC, der paramilitärischen Gruppen und der Armee. Denn bisher hat noch niemand ernsthaft riskiert, die Verfassung umzusetzen. Dort ist der Kampf für Frieden, und nicht der für Krieg festgeschrieben.

José Ospina-Valencia arbeitet für die DW-Lateinamerika-RedaktionBild: DW

Präsident Santos, der aus dem Zentrum der Macht kommt, wusste schon vor sechs Jahren, dass sie ihn einen "Verräter" schimpfen würden, wenn er mit dem Friedensprozess beginnt. Den Frieden verraten? Ja, in einem Kolumbien, in dem Frieden als Luxus gilt, ist das möglich, während gleichzeitig auf dem Land und in den Dörfern Krieg herrscht.

Schließlich gelang es denjenigen, die Geld haben und auf das Konto der Militärs einzahlen, stets zu vermeiden, dass sie als "Soldaten des Vaterlandes" ihr Leben lassen müssen. Die anderen sterben oder werden zu Kriegsversehrten und Krüppeln. Dies ist auch einer der Gründe dafür, dass der Friedensvertrag zwar unterzeichnet, ihm aber die Zustimmung im Referendum verweigert wurde.

Ein Frieden in Gefahr

Präsident Santos hat den Friedensnobelpreis für seine enormen Bemühungen für den Frieden bekommen, nicht weil er den Frieden erreicht hat. Der Frieden hängt noch an einem seidenen Faden. Dieselben Kräfte, die mit bösartiger List statt mit echten Argumenten zum "Nein" aufgerufen haben, versuchen in diesem Moment, den Frieden mit allen Mitteln zu verhindern. Ihre lauten Parolen über den Friedensvertrag entlarven sie. 

Santos hat den Friedensnobelpreis gewonnen, aber der Frieden selbst ist in Gefahr. Deshalb ist dieser Preis auch eine Unterstützung für alle Kolumbianer, die jetzt auf die Straßen gehen, um zu fordern, was Kolumbien verdient: Ein zivilisiertes Land zu werden. Ein Traum wäre es gewesen, wenn die FARC in diesem Moment bereits ihre Waffen abgäben, so, wie es vorgesehen war. Stattdessen ziehen sie sich bewaffnet in ihre traditionellen Dschungelquartiere zurück, auch wenn sie den Waffenstillstand noch einhalten.

Heute braucht Kolumbien mehr denn je die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Millionen Kolumbianer hoffen darauf, in diesem Moment, da der Frieden gefährdet ist. Warum soviel Angst vor internationaler "Einmischung", wenn die internationale Gemeinschaft sich für den Frieden einsetzt, und so wenig, wenn es um den Krieg geht? Bravo, Oslo!