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Politik

Brexit: Verwirren, verschieben, verlieren

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
14. März 2019

Die Briten suchen einen Ausweg aus dem selbstgemachten Brexit-Chaos. Dabei scheint ihnen wenig außer der Wiederholung des bereits Dagewesenen einzufallen. Doch für Schadenfreude ist es zu früh, meint Bernd Riegert.

Bild: Getty Images/J. Taylor

Vier Tage lang haben die Briten mit Verhandlungen in letzter Minute und zahlreichen Abstimmungen in ihrem Parlament die Europäische Union in Atem gehalten. Die Premierministerin kassierte ein Reihe von Niederlagen. Trotzdem hat sich eigentlich wenig verändert. Der Ausstieg des Vereinigten Königreiches wird nach derzeitiger Rechtslage am 29. März, also in 15 Tagen, stattfinden, mit oder ohne Abkommen mit der Europäischen Union.

Alles, was das Parlament in Westminister beschlossen hat, hat nur empfehlenden Charakter. Das Drama geht also weiter. In der nächsten Woche will Theresa May zum dritten Mal über ihren Scheidungsvertrag mit der EU abstimmen lassen, in der vagen Hoffnung, dass Zeitdruck und Konfusion die ablehnende Front in ihrer eigenen Partei und beim Koalitionspartner bröckeln lassen. Danach muss sie bei den 27 Staats- und Regierungschefs vorsprechen und um eine Gnadenfrist für Großbritannien bitten. Die Verhandlungsphase nach Artikel 50 der EU-Verträge müsste um drei Monate verlängert werden, um den Brexit mit Austrittsabkommen zu organisieren.

Brexit in der Dauerschleife

Sollte May erneut scheitern und ganz ohne Abkommen in Brüssel aufkreuzen, muss sie um eine Verlängerung um ein, zwei Jahre nachsuchen. Dann könnten die Briten darüber nachdenken, was sie denn nun wirklich wollen und wie sie es erreichen wollen. Das hat zumindest der Chef des Europäischen Rates, Donald Tusk, wärmstens empfohlen.

DW-Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Das Erstaunen über das blockierte politische System und die Realitätsverweigerung vieler Parlamentarier ist in Brüssel groß. Noch bleibt die EU gelassen und geduldig. Weitere Nachbesserungen am Austrittsabkommen lehnen die übrigen 27 Staaten in seltener Einmütigkeit ab. Das Ergebnis des verwirrenden Brexit-Zirkus könnte sein, dass Großbritannien weitere zwei Jahre bleiben muss und sogar noch einmal an den Europawahlen teilnimmt, einen EU-Kommissar benennt und mit vollen Rechten und Pflichten in den EU-Haushalt einzahlt. Die Verhandlungen über einen geregelten Ausstieg würden wieder von vorne beginnen.

Viele in der EU werden inzwischen stöhnen, dass die Gemeinschaft wirklich auch noch andere Probleme hat als die bockigen Briten. Die Begeisterung für eine gefühlt unendliche Fortsetzung des Brexit-Dramas hält sich in Grenzen. Aber alle anderen Auswege sind vorerst verbaut. Ein zweites Referendum hat das britische Parlament abgelehnt. Ein Antrag auf komplette Rücknahme des Austrittsersuchens bei der EU wurde erst gar nicht zu Abstimmung angenommen.

Großbritannien hat schon verloren - Ansehen und Vertrauen

Die Strategie der Premierministerin ist wohl immer noch, den Zeitdruck auf die Spitze zu treiben und die Abgeordneten so panisch zu machen, dass sie am Ende doch ihrem Brexit-Abkommen mit der EU zustimmen. Auch eine vierte Abstimmung vielleicht nur Stunden vor dem Austrittsdatum am 29. März um Mitternacht ist denkbar. In all dem Chaos sollte das britische Parlament aber eines bedenken: Um einen harten Brexit zu vermeiden, muss rechtzeitig das Austrittsgesetz geändert werden. Sonst ist am 29. März automatisch Schluss.

Mit Kopfschütteln schaut sich Chef-Unterhändler Michel Barnier die Entwicklung an. Trotzdem empfiehlt er, Ruhe zu bewahren und geduldig auf die Briten zu warten. Der Brexit, das ist sein richtiges Credo, hat für niemanden Vorteile. Alle werden nach dem Brexit verlieren. Das Vereinigte Königreich hat jetzt schon viel verloren. Ansehen und Vertrauen.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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