1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Bringt der Sieg über den IS Frieden in Mossul?

10. Juli 2017

Krieg kann die Anti-IS-Koalition. Das hat sie in der irakischen Metropole Mossul gezeigt. Nach der Vertreibung des IS muss sie jetzt zeigen, ob sie auch Frieden kann. Das wird schwierig, meint Matthias von Hein.

Irakische Soldaten feiern die Rückeroberung von MossulBild: Getty Images/AFP/F. Senna

Neun Monate hat die blutige, brutale Schlacht um Mossul gedauert. Endlich ist der sogenannte Islamische Staat in der zweitgrößten Stadt des Irak Geschichte, haben die Dschihadisten einen Standort von hoher Symbolkraft verloren: Hier hatte vor fast genau drei Jahren Abu Bakr al-Bagdadi das Kalifat ausgerufen - in der kürzlich vom IS selbst gesprengten Al-Nuri Moschee. Hier hatte der für die IS-Propaganda so wichtige Nimbus Unbesiegbarkeit des IS seinen Anfang genommen, als die irakische Armee 2014 vor einigen hundert heranrückenden Kämpfern die Flucht ergriff.

Die Vertreibung des IS aus Mossul könnte ein Grund zum Feiern sein - wenn die Lage sich für die Menschen in Mossul jetzt endlich zum Besseren wenden würde, wenn Vorkehrungen für den Wiederaufbau der in weiten Teilen zerstörten Stadt getroffen wären, wenn sie künftig in Sicherheit leben könnten. All das ist aber nicht der Fall. Nicht allein, weil der IS auch nach dem Verlust seines Staatsgebietes als Terrororganisation weiter Selbstmordattentäter auf Märkte schicken wird. Sondern auch, weil niemand weiß, wie das vom IS-hinterlassene Machtvakuum gefüllt werden wird.

Brechen nun die alten Gegensätze wieder auf?

Das Einzige, was die divergierenden Kräfte der Anti-IS-Koalition zusammenhielt, war die Gegnerschaft zum Islamischen Staat. Jetzt, wo dieser aus Mossul vertrieben ist, können die alten Gegensätze wieder mit Macht hervorbrechen. In und um Mossul sind versammelt: irakisches Militär, Polizei und Antiterror-Einheiten (alle vorwiegend schiitisch dominiert, so wie die Regierung in Bagdad), sogenannte Volksmobilisierungs-Milizen (ebenfalls schiitisch dominiert, etliche mit engen Verbindungen zum Iran), Milizen sunnitischer Stämme, kurdische Peschmerga-Kämpfer zweier rivalisierender Fraktionen.

DW-Redakteur Matthias von Hein

Jede Gruppe hat ihre eigene Agenda. Zum Beispiel die Kurden, die am 25. September ein Unabhängigkeitsreferendum in der Autonomen Region Kurdistan abhalten werden. Oder die schiitischen Milizen, von denen sich wahrscheinlich einige der nach dem Sieg in Mossul eigentlich anstehenden Demobilisierung widersetzen werden.

Das fortwährende Blutvergießen zwischen Euphrat und Tigris speist sich aus ungelösten Konflikten zwischen all diesen Gruppen. Die zusätzlich angeheizt werden durch konfessionelle Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten. Das geschieht im Gravitationszentrum eines Regionalkonfliktes zwischen Saudi-Arabien, der Türkei und dem Iran - und unter Einmischung Russlands und der USA als Supermächte. Wobei man daran erinnern muss: Auch der Kampf gegen den IS ist eine Spätfolge des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges der USA gegen den Irak 2003.

Das irakische Militär und die Milizen jedenfalls haben bei der Rückeroberung Mossuls einen hohen Blutzoll bezahlt. Sie werden dafür Entgegenkommen in Form von politischem Einfluss verlangen, oder wenigstens beim Wiederaufbau mitverdienen wollen. Am meisten aber hat die Zivilbevölkerung von Mossul bezahlt: Tausende Menschen wurden getötet, 900.000 sind geflohen. Die sunnitisch geprägte Bevölkerung in Mossul lebt in Angst sowohl vor IS-Terroristen wie vor den Koalitionstruppen. Menschenrechtsgruppen werfen auch der Koalition Kriegsverbrechen vor.

Geldgeber für den Wiederaufbau gesucht

Im schon länger befreiten Ostteil der Stadt macht sich bereits Ärger und Unzufriedenheit breit: Nach sechs Monaten ist die Stromversorgung immer noch nicht wieder hergestellt, das Trinkwasser muss weiterhin von UN-Tankwagen geliefert und dort abgeholt werden, die Lehrer in den unter großem Jubel wieder eröffneten Schulen bekommen kein Gehalt. Auch die Städte Ramadi, Falludscha und Tikrit liegen nach der Rückeroberung vom IS weitgehend in Trümmern.

Noch einmal kann sich die Welt es sich nicht leisten, nur den Krieg zu organisieren, aber nicht den Frieden. Viel, sehr viel Geld von internationalen Gebern wird für den Wiederaufbau von Mossul gebraucht. Dieses Geld wäre gut angelegt. Denn es könnte dem weit verbreiteten Gefühl der Benachteiligung unter Iraks Sunniten entgegenwirken. Das hat den Aufstieg des IS nämlich überhaupt erst ermöglicht. Vor allem aber darf jetzt kein neuer Streit um die Macht in Mossul entbrennen.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen